Von: ka
Castel Volturno – Den Sozialarbeitern, die sich um die jungen Prostituierten kümmern, fiel in den letzten Monaten auf, dass die jungen meist aus Nigeria stammenden Afrikanerinnen, die neben der Straße ihren Körper feilbieten, immer jünger wurden.
Laut der Hilfsorganisation „Emergency Castelvolturno“ und der Sozialgenossenschaft „Dedalus“, die an einem bekannten „Sexmarkt“ – der 40 Kilometer langen Straße Domiziana, die am Meer entlangführend die italienischen Regionen Latium und Kampanien verbindet – Frauen ihre Hilfe anbieten, verlangen viele Freier nach immer jüngeren Mädchen. Die kriminellen Organisationen, die hinter der „Beschaffung“ der Frauen stecken, ihre Reise organisieren, um sie in Italien zur Prostitution zu zwingen, befriedigen diese „Nachfrage“.
Die Helfer beobachten eine immer größere Anzahl von jungen Mädchen, welche zum Teil minderjährig sind. Eine von ihnen, welche nur 14 Jahre alt war, wurde den Sozialarbeitern gemeldet, welche sich sofort um sie kümmerten. Ihnen erzählte sie ihre traurige Geschichte.
Das Mädchen wurde wie viele andere mit der Aussicht, im Ausland arbeiten oder studieren zu können, nach Italien gelockt. In Italien angekommen, erzählte man ihr, dass sie „Reiseschulden“ hätte und diese nun „abarbeiten“ müsse. Von ihren Peinigern geschlagen, misshandelt und vergewaltigt, landete das Mädchen auf der Straße. Andere Mädchen hingegen wurden von ihren Familien regelrecht an die Schlepper verkauft. Die Schlepperbanden organisierten die ganze Reise der Mädchen von Nigeria nach Italien, wobei viele bereits während der Fahrt allerhand Misshandlungen und Nötigungen erdulden mussten. Damit sie weniger auffallen, „mischten“ die Schlepper dann die nigerianischen Mädchen unter die anderen Flüchtlinge und Migranten und setzten sie zusammen mit diesen in die Boote.
Später wurde den Mädchen erzählt, dass sie während der Reise Schulden von 35.000 bis 55.000 Euro angehäuft hätten, die nun abzuzahlen wären. Unter der strengen Aufsicht einer Madame – einer nigerianischen Zuhälterin – wurden die jungen Frauen zur Sexarbeit auf der Straße gezwungen.
Dank der Aussage der 14-Jährigen und weiterer Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von Neapel gelang es den Carabinieri von Grazzanise, einen Teil des kriminellen Netzwerks zu zerschlagen und drei Männer zu verhaften. Aber der Weg ist noch weit. Die Hilfsorganisationen sehen täglich immer noch viele sehr junge Mädchen am Rand der Straße. Die Nigerianerinnen werden von ihren eigenen Leuten misshandelt und ausgebeutet. In der Gegend ist die nigerianische Mafia tief verwurzelt. Wie die Helfer berichten, halten die Zuhälter die Mädchen dazu an, nicht ihr wahres Alter preiszugeben, weil die Prostitution Minderjähriger in Italien verboten ist.
Aber die Helfer feiern Erfolge. Immer wieder vertrauen sich ihnen die Mädchen an und steigen mit deren Hilfe aus dem Milieu aus. So wie zum Beispiel eine 15-Jährige, die ähnlich wie ihre Leidensgenossinnen genötigt wurde, ihre Schulden von 35.000 Euro „abzuzahlen“. Seitdem sie befreit und in ein Aufnahmezentrum in Sicherheit gebracht wurde, ist sie glücklich, während sie gegen ihre Peiniger Anzeige erstattet.
Auf Justiz und Exekutive wartet aber noch viel Arbeit. Die Gesetze müssen strenger und die „Kunden“ minderjähriger Prostituierter härter bestraft werden, so der Tenor vieler Bürger.