Bosnier dank neuen Gesetzes festgenommen – VIDEO

Trauriges Schicksal: Töchter geschlagen, verkauft und zur Heirat gezwungen

Dienstag, 24. September 2019 | 08:05 Uhr

Von: ka

Pisa – In Italien wurde das erste Mal der sogenannte „Codice rosso“ – eine Abänderung des Strafgesetzbuches, das Strafverschärfungen für häusliche Gewalt und Gewalttaten gegen Frauen vorsieht – angewendet. Dank des „Codice rosso“ konnte ein 47-jähriger Bosnier verhaftet werden. Um seine beiden Töchter – 21 und 19 Jahre alt – zur Heirat mit zwei Cousins, von deren Eltern er 12.000 Euro erhalten hatte, zu zwingen, hatte der 47-Jährige die beiden jungen Frauen viele Male geschlagen und eingesperrt. Den beiden Töchtern, die bereits eigene Freunde hatten, gelang in einem unbeobachteten Moment die Flucht. Der Vater wurde wegen einer Vielzahl von Straftaten von der Polizei festgenommen und in eine Haftanstalt überstellt.

Ein dem Volk der Roma angehöriger, 47-jähriger bosnischer Staatsbürger wurde am Montag wegen Freiheitsberaubung, häuslicher Gewalt, Verleumdung und wegen erzwungener Herbeiführung einer Heirat – eine Straftat, die vom „Codice rosso“ neu eingeführt wurde – festgenommen. Die Verhaftung beendete den Leidensweg der beiden Töchter – 21 und 19 Jahre alt – des Bosniers, der seine eigenen Kinder für Geld schon vor Jahren seinen beiden Cousins versprochen und dafür von den Eltern des Bräutigams bereits 12.000 Euro erhalten hatte.

Die beiden jungen Frauen, die mit anderen, aus Sicht des Vaters „unerwünschten“ Männern verlobt waren, wollten sich aber nicht mit ihrem Schicksal abfinden. In der Folge erlitten die 19-Jährige und die 21-Jährige eine unglaubliche Serie von Schikanen und Gewalttaten. Um ihren Widerstand zu brechen, wurden die beiden Töchter verprügelt und im Nomadenlager bei Wasser und Brot in einem Wohnwagen eingesperrt. Zudem wurden ihnen zur Strafe die Haare abgeschnitten. Besonders das Einsperren im Wohnwagen galt dem Ziel, sie zum Verlassen ihrer Freunde zu zwingen und ihre Zustimmung zur Heirat mit ihren Cousins zu erhalten. Mit deren Familien hatte der 47-Jährige bereits vorher eine erste „Einigung“ – die 21-jährige Tochter war von ihm für 12.000 Euro „verkauft“ worden – erzielt.

Aber trotz der Gewalt gaben die Töchter nie auf. In einem unbeobachteten Moment, als ihr Vater sich nicht im Nomadenlager aufhielt, gelang den jungen Frauen mithilfe ihrer Verlobten die Flucht. Nachdem der Vater die Flucht der Töchter bemerkt hatte, wendete er sich an die Polizei und gab in einer falschen Anzeige vor, dass die beiden Töchter von Rumänen entführt worden waren. Die Polizei – so der Plan des 47-Jährigen – hätte ihn auf die Spur seiner Töchter führen sollen. Um mehr Druck zu erzeugen, erzählte der Bosnier sogar, dass auch seine jüngste, nur acht Jahre alte Tochter, die er in Wirklichkeit aber nur im Nomadenlager versteckt hielt, ebenfalls von den vermeintlichen Entführern fortgebracht worden war.

Angesichts der vielen Ungereimtheiten geriet der 47-Jährige aber sehr schnell selbst in das Visier der Ermittler. Die Achtjährige kam später im Rahmen einer Durchsuchung des Nomadenlagers durch die Polizei wieder zum Vorschein. Dank mitgeschnittener Telefongespräche konnten die Ermittler der Polizei und der Staatsanwaltschaft von Pisa auch den norditalienischen Aufenthaltsort der beiden Töchter ausfindig machen. In der Folge fanden die 19-Jährige und die 21-Jährige den Mut, ihren Vater anzuzeigen und vor den Ermittlern umfangreiche Aussagen zu tätigen.

In der Zwischenzeit kehrte eine der beiden Töchter nach Hause zurück. Um eine erneute Flucht zu verhindern, wurde sie sofort in einem Wohnwagen eingesperrt. In der Folge kam es zur „Heirat“. Neue Telefonmitschnitte sowie ein Video der „Heirat“, das ein Mitglied des Clans auf seinem Facebook-Profil gepostet hatte, ermöglichten es den Ermittlern, die ganze Phase der Anbahnung und die Zwangsheirat selbst, zu rekonstruieren.

Im Video ist zu sehen, wie die Mitglieder des Clans vor dem Wohnwagen der „Braut“ um einen Tisch hocken. Mitten auf dem Tisch voller Speisen, ist ein silbernes Tablett, auf dem eine Whiskyflasche steht, zu sehen. Daraufhin ist in den Aufnahmen zu erkennen, wie ein Älterer des Clans das Geld zählt und das Bündel der Scheine neben der Flasche auf das Silbertablett legt. Als einer der Väter des Brautpaars die Whiskyflasche öffnet, seinem Gegenüber ein Glas ausschenkt und die Hand gibt, ist der Pakt besiegelt und die Hochzeit zelebriert und vollzogen.

ANSA/POLIZIA DI STATO

Aber während die Ermittlungen weitergehen, klickten für den Brautvater die Handschellen. Die Beamten, die genug Beweise und Indizien gesammelt hatten, nahmen den 47-Jährigen wegen Bedrohung, Freiheitsberaubung, häuslicher Gewalt, Verleumdung und wegen erzwungener Herbeiführung einer Heirat fest und überstellten ihn in eine Haftanstalt.

Die Festnahme und die erstmalige Anwendung des „Codice rosso“ sorgten in der italienischen Öffentlichkeit für großes Aufsehen. Während die Ermittler der Polizei und der Staatsanwaltschaft von Pisa viel Lob ernteten, gaben viele Leser und Kommentatoren ihrem Entsetzen darüber Ausdruck, dass in Europa immer noch Zwangsheiraten stattfinden.