Von: ka
Campobasso – Ein Blick auf die italienische „Corona-Landkarte“ offenbart schnell, dass die Epidemie die nördlichen Regionen des Stiefelstaats weit härter trifft, als die mittel- und süditalienischen Regionen. Unter Letzteren sticht aber die kleinste Region Italiens – Molise – noch einmal hervor. In Molise wurden seit dem Ausbruch der Coronavirusepidemie lediglich 263 Fälle und „nur“ 15 Todesopfer registriert. Seit Ostern wurden bis Dienstag, als zwei weitere Personen auf Covid-19 positiv getestet wurden, keine neuen Fälle entdeckt. Das „tugendhafte Molise“, das von der Coronavirusepidemie bisher lediglich gestreift wurde, erregt mittlerweile das Interesse der Experten und Epidemiologen. Kann auch Südtirol von den Erfahrungen in Molise lernen?
Bonefro, 24.02.2020 🌞#bonefro #molise #italia
Pubblicato da Comune di Bonefro su Lunedì 24 febbraio 2020
Natürlich erschwert die geografische Lage der kleinen Region – Molise liegt weit von wirtschaftlichen Zentren in Norditalien entfernt – sowie die dünne Besiedelung des von Kleinstädten und einsamen Bergdörfern charakterisierten Landes die Verbreitung des Coronavirus. Auf der anderen Seite ist es bemerkenswert, dass von den 136 Gemeinden von Molise 100 als vollkommen virenfrei gelten. „Bei uns ist die soziale Distanzierung natürlich“, so der Präsident der Region, Donato Toma, über Molise und seine Menschen. Mit kaum mehr als 300.000 Einwohnern, die auf 4.500 Quadratkilometern verteilt sind, ist Molise sogar noch etwas dünner besiedelt als das im internationalen Vergleich bereits dünn besiedelte Südtirol. Zudem, so Donato Toma, seien die Menschen von Molise diszipliniert und hätten kein Problem damit, in ihren Häusern, von denen viele einen eigenen Garten besitzen, zu bleiben.
Coronavirus, il “modello Molise” dove da due giorni non ci sono più contagihttps://t.co/xGEKV1gNer
— Dome Buratti (@Dome689) April 15, 2020
In der Tat begünstigt die abgeschiedene Lage und die gebirgige Topografie der kleinen Region die Eindämmung der Coronavirusepidemie, aber beim näheren Hinsehen fällt auch auf, dass frühzeitig die richtigen Entscheidungen getroffen wurden. Dies begann beim ersten positiven Corona-Fall von Molise, bei dem es sich um einen Arzt handelte, der im Fassatal Skifahren gewesen war und von dort das Virus mitgebracht hatte. Der Arzt sowie alle Personen, die mit ihm Kontakt hatten, wurden sofort in die Quarantäne überstellt.
Emergenza Covid-19🟡 Una fornitura di Gel igienizzante, soluzione disinfettante e dispenser, donati dalla Bio…
Pubblicato da Comune di Bonefro su Martedì 14 aprile 2020
Ähnliches galt für einen Bäcker, der sich mit dem Virus angesteckt hatte. Die Bäckerei wurde sofort geschlossen und der Bäcker sowie weitere sieben Personen umgehend vom Rest der Dorfbevölkerung isoliert. Den Rest erledigte das intakte soziale Netzwerk. Die Frauen begannen, das Brot selbst zu backen, und gaben überzählige Brote an Mitmenschen, die diese Möglichkeit nicht besaßen, weiter. Lobenswert ist auch eine Initiative der kleinen Berggemeinde Bonefro. Die Gemeinde kaufte für 700 Euro Baumwolltuch und Gummibänder an, die nun Freiwilligen dazu dienen, daraus Gesichtsmasken zu nähen. Zudem will die Gemeinde an die Bevölkerung Desinfektionsgel verteilen.
Coronavirus, il caso del Molise: contagi azzerati dal giorno di Pasquahttps://t.co/GvdIoriEJy
via @updayIT
— Angelo Longo (@a_longo2) April 15, 2020
Auch die Jugendlichen erwiesen sich als sehr diszipliniert. 470 Studenten, die aus Mailand und anderen norditalienischen Universitäten in ihre Heimat zurückgekehrt waren, wiesen sich den Behörden gegenüber selbst als Heimkehrer aus und begaben sich daraufhin freiwillig in die Quarantäne. Mehrere Altersheime, wo Fälle von Coronavirus aufgetreten waren, wurden sofort geschlossen. In anderen Fällen wurden sogar kleine „Rote Zonen“ eingerichtet, die mit drastischen Zugangsbeschränkungen belegt wurden. Insgesamt kann man die gelungene Strategie der Verantwortlichen der kleinen Region mit gezielten Tests, schneller Isolierung der positiv Getesteten und ihrer Kontaktpersonen, Einrichtung kleiner „Roten Zonen“ und strikter Einhaltung der Corona-Beschränkungen zusammenfassen.
Inzwischen wurden auch Epidemiologen auf den weißen Fleck auf der italienischen „Corona-Landkarte“ aufmerksam. Von den positiven Erfahrungen in Molise könnte vielleicht auch Südtirol einige Erkenntnisse gewinnen. Unter anderem könnten Maßnahmen wie vermehrte Tests, schnelle Isolierung der positiv Getesteten und ihrer Kontaktpersonen sowie die eventuelle Einrichtung kleiner „Roten Zonen“, für die drastische Beschränkungen der Bewegungsfreiheit gelten, die Lockerung des Lockdowns begleiten. Auf diese Weise könnten der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung mit der langsamen Wiederaufnahme des wirtschaftlichen und sozialen Lebens in Einklang gebracht werden.