Von: ka
Rimini – Zehn Monate nach dem gewaltsamen Tod von Pierina Paganelli in Rimini glauben die Ermittler, ihren Mörder gefasst zu haben.
Mit der Anschuldigung, die 78 Jahre Frau am Abend des 3. Oktober 2023 im Garagentunnel des Kondominiums, in dem beide wohnen, erstochen zu haben, sitzt der 35-jährige, ursprünglich aus Senegal stammende Louis Dassilva seit Dienstag in Untersuchungshaft. Den Ermittlern zufolge sei das Motiv der Tat die außereheliche Beziehung zwischen der Schwiegertochter des Opfers, Manuela Bianchi, und dem mutmaßlichen Täter gewesen. Pierina Paganelli, die gleich wie ihr Sohn und ihre Schwiegertochter der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas angehörte, hätte von der „sittenwidrigen“ Liebesbeziehung zwischen Manuela und Louis erfahren und sich gegen diese Liaison gewehrt. Um die Beziehung geheimhalten und fortführen zu können, habe der 34-Jährige sie aus dem Weg geräumt.
In den frühen Morgenstunden des 16. Juli wurde Louis Dassilva, der bereits seit geraumer Zeit im Mittelpunkt der Ermittlungen zum Mordfall von Pierina Paganelli stand, festgenommen und nach einem ersten Verhör ins Gefängnis gebracht. Die Staatsanwaltschaft Rimini ist sich sicher, dass der 35-jährige Mann senegalesischer Herkunft die Tat aus niedrigen Beweggründen begangen und das Opfer unter besonders grausamen Umständen ermordet habe.
Den Ermittlern zufolge steht das Motiv für die Bluttat im Zusammenhang mit der Liebesbeziehung, die Dassilva mit Manuela Bianchi, seiner Nachbarin und Schwiegertochter des Opfers, pflegte. Louis Dassilva, der mit seiner Frau Valeria Bertolucci im selben Kondominium wie das Mordopfer und seine Liebhaberin wohnte, habe mit allen Mitteln verhindern wollen, dass Pierina Paganelli die „sittenwidrige“ Liebesbeziehung zwischen ihm und ihrer Schwiegertochter auffliegen lässt.
Die Tatsache, dass Pierina Paganelli, ihr Sohn und ihre Schwiegertochter der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas angehören, spielt im Mordfall nicht eine unwesentliche Rolle. Wichtige Mitglieder der Gemeinschaft der Gläubigen von Rimini wussten – vermutlich durch das Mordopfer – bereits von der Untreue der Frau. Am Tag nach der Bluttat hätte ein „Rat der Weisen“ über das Schicksal von Manuela Bianchi befinden sollen. Im Raum standen die beiden Möglichkeiten, entweder die untreue Ehefrau aus der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas auszuschließen – sie also zu exkommunizieren – oder ihr „einen Weg der Läuterung“ aufzuzeigen.
Für die tiefgläubige 78-Jährige war die Untreue ihrer Schwiegertochter ein schwerer Schlag. Es war auch nicht der erste dieser Art. Da ihr Sohn Giuliano Saponi in finanzielle Schwierigkeiten geraten war und nicht mehr – wie von ihrer Religion vorgeschrieben – „die Familie ernähren“ konnte, war ihm ein wichtiges Amt entzogen worden. Sie wollte die Heimkehr von Giacomo Saponi, der nach einem schweren Unfall monatelang im Krankenhaus gelegen war und bald nach Hause kommen sollte, gebührend feiern und vorher vermutlich „Klarheit“ schaffen.
Nach dem Mord waren sich die Ermittler schnell sicher, dass der Täter im familiären Umfeld des Opfers zu suchen sei. Neben Louis Dassilva und seiner Frau gerieten auch Manuela Bianchi und ihr Bruder Loris, der am Abend des Mordes in ihrer Wohnung zu Abend aß, ins Visier der Ermittler. Durch abgehörte Gespräche erfuhren die Ermittler der Polizei und der Staatsanwaltschaft von Rimini von der Beziehung zwischen Louis Dassilva und seiner Nachbarin Manuela Bianchi, und welchen Sprengstoff diese in sich barg.
Dem Untersuchungsrichter zufolge habe Louis Dassilva Pierina gegenüber einen „tiefen Groll“ empfunden. Alle Umstände des Mordes deuten darauf hin, dass der Mörder eine perfekte Kenntnis der Gewohnheiten der älteren Frau und auch des Tatorts besaß, wobei bezeichnend ist, dass Pierina Paganelli nach der Heimkehr von einem Gebetsabend ermordet wurde.
Aufgrund seiner Beziehung zu Manuela Bianchi kannte der 35-Jährige alle Gewohnheiten der Frau. Zudem hatte Louis Dassilva die Möglichkeit, von seinem Balkonfenster, das die Garagenauffahrt überblickt, aus die Ankunft des Autos des Opfers zu beobachten.
Es waren vor allem die Aufnahmen einer Überwachungskamera, die Dassilva zum Verhängnis wurden. Pierina wurde am Abend des 3. Oktober 2023 kurz nach 22.10 Uhr ermordet. Gegen 22.17 Uhr ist im Video etwa sechs Sekunden lang ein Mann dunkler Hautfarbe zu sehen, der von hinten gefilmt wird und sich in Richtung des Hauses bewegt, in dem das Opfer und der mutmaßliche Täter wohnten.
Der Senegalese beteuert zwar, dass er an diesem Abend und die darauffolgende Nacht seine Wohnung nie verlassen habe, aber die Größe der gefilmten Person und ihr typischer Gang – Dassilva hinkte nach einem Unfall mit seinem Scooter – erlauben es den Ermittlern, den Unbekannten als den 35-Jährigen aus Senegal zu identifizieren. Laut den Ermittlern soll er das Haus verlassen haben, um sich der Tatwaffe, die nie gefunden wurde, zu entledigen.
Die Feststellung, dass der Mann bis wenige Minuten vor der Tat mit Netflix verbunden war und den Dienst und sein Telefon erst wieder nach einer dreiviertelstündigen „Pause“ um 22.38 Uhr nutzte, ist in den Augen der Ermittler ein weiteres belastendes Indiz. Den Anschuldigungen zufolge habe Dassilva Pierina Paganelli vor der Tür zum Stiegenhaus aufgelauert und sie mit 29 Messerstichen ermordet. Um ein Sexualdelikt vorzutäuschen, habe er seinem Opfer anschließend den Rock und die Unterwäsche ausgezogen.
Ein mitgeschnittenes Gespräch zwischen Dassilva und Bianchi, in dem er ihr versicherte, dass sich an ihrer Beziehung auch nach dem Mord nichts ändere, deuten die Ermittler als weiteren Hinweis für die Täterschaft des 35-Jährigen.
Die Ermittlungen zum Mord in diesem komplizierten Beziehungsviereck sorgten in Italien monatelang für Aufsehen.