Kiew attestiert dem Papst Nähe zum Kreml

Ukraine-Absage an Vatikan: Papst “prorussisch”

Freitag, 08. September 2023 | 17:40 Uhr

Von: APA/dpa/AFP

Der Vatikan hat bei seinen Bemühungen um einen Dialog zwischen den beiden Kriegsparteien Ukraine und Russland einen schweren Dämpfer bekommen. Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak lehnte eine Vermittlung der katholischen Kirche am Freitag im Nachrichtensender 24 mit der Begründung ab, Papst Franziskus sei “prorussisch”. Der Vatikan versucht seit Monaten mit einem Sonderberater, Gespräche zwischen Kiew und Moskau in Gang zu bringen.

Podoljak bezog sich auf Äußerungen des Papstes von Ende August. Damals hatte das Oberhaupt der katholischen Kirche in einem Video-Gespräch mit jungen Menschen in Russland von der “großen Mutter Russland” gesprochen. Konkret sagte der Pontifex laut Kathpress: “Vergesst niemals das Erbe. Ihr seid Erben des großen Russlands: des großen Russlands der Heiligen, der Könige, des großen Russlands von Peter dem Großen, von Katharina II.” Dieses Reich habe eine große Kultur und “viel Menschlichkeit” besessen. “Ihr seid Erben der großen Mutter Russland, macht weiter damit”.

Dazu meinte der Vertraute von Präsident Wolodymyr Selenskyj nun: “Es macht keinen Sinn von einem Vermittler unter dem Namen römischer Papst zu reden, wenn er eine für alle offensichtliche prorussische Position einnimmt.” Dies wirke sich “äußerst negativ” auf den Krieg aus. Podoljak fügte hinzu: “Wir erhalten vom Vatikan keine gerechten Bewertungen dieses Kriegs und des Verhaltensmodells.”

Als Sonderbeauftragter des Vatikans kümmert sich seit Monaten Kardinal Matteo Zuppi um Vermittlung zwischen Moskau und Kiew. Der Italiener war schon in beiden Hauptstädten zu Besuch. Der Papst selbst mahnt in öffentlichen Auftritten immer wieder Frieden an und erinnert regelmäßig an das Leid der Ukrainer. Russland als Aggressor nennt er bei solchen Gelegenheiten aber nicht direkt. Dies kostete den Argentinier in der Ukraine schon früh Sympathien.

Selenskyj erklärte am Freitag auf einer Konferenz in Kiew, dass die Überlegenheit Russlands in der Luft die Gegenoffensive seines Landes stoppe. “Wenn wir nicht am Himmel sind und Russland schon, dann stoppen sie uns vom Himmel aus. Sie stoppen unsere Gegenoffensive”, sagte Selenskyj.

Waffenlieferungen vom Westen an Kiew und neue Sanktionen gegen Russland würden “komplizierter und langsamer”, kritisierte Selenskyj. “Wenn Partner uns fragen: ‘Was ist der nächste Schritt der Gegenoffensive?’, ist meine Antwort, dass unsere Schritte heute wahrscheinlich schneller sind als die neuen Sanktionspakete” gegen Russland. Kiew hat sich wiederholt kritisch über die Geschwindigkeit von Maßnahmen geäußert, die die russischen Kriegsanstrengungen bremsen sollen.

Der ukrainische Präsident betonte erneut, die ukrainische Armee würde schneller vorrücken, wenn der Westen schneller Munition mit größerer Reichweite liefern würde, mit der die russischen Verteidigungsanlagen, Nachschublager und Logistik getroffen werden könnten. “Eine bestimmte Waffe hat eine bestimmte Wirkung”, sagte Selenskyj. “Je stärker und je größer die Reichweite ist, desto schneller wird die Gegenoffensive sein.”

Der Westen ist bei entsprechenden Lieferungen zögerlich. Er befürchtet, Kiew könnte damit trotz anderslautender Versprechungen russisches Territorium angreifen, was zu einer Eskalation des Krieges führen könnte.

Die Ukraine beklagt sich außerdem darüber, die Verhandlungen über die Lieferung von F-16-Kampfjets liefen langsam. Zuletzt hatten Dänemark, die Niederlande und Norwegen der Ukraine jedoch eine Lieferung dieser Kampfflugzeuge zugesagt, ihr Einsatz wird insbesondere wegen der nötigen Ausbildung allerdings noch Zeit in Anspruch nehmen.

Die Ukraine hatte Anfang Juni eine groß angelegte Gegenoffensive gestartet, um die von Russland besetzten Gebiete zurückzuerobern. Beim Vorrücken gegen die russischen Einheiten stoßen die ukrainischen Kräfte auf weite Gebiete, in denen Panzerfallen und Minen deponiert wurden.