Von: ka
Rom/Kiew – Die massiv gesteigerten Bomben- und Raketengriffe auf die Ukraine veranlassen den Experten Mario Scamarella dazu, mit Blick auf das kommende Jahr über die mögliche Strategie Putins und die Verteidigungsmöglichkeiten der Ukraine nachzudenken.
Laut Mario Scamarella wird Russland die Zahl und Intensität der Luftangriffe auf das überfallene Land erhöhen, um die US-Verteidigungssysteme zu testen und die Bevölkerung zu zermürben. Die vielleicht einzige Möglichkeit, der langsamen Zerschlagung der Infrastrukturen der Ukraine wirkungsvoll zu begegnen, besteht darin, die ukrainischen Streitkräfte ausreichend mit modernen Flugabwehrraketensystemen zu beliefern.
Nach dem massiven russischen Bombenangriff auf Kiew, der ukrainischen Antwort auf Belgorod und Moskaus folgenden Racheakt auf Charkiw sind die Aussichten für die kommenden Wochen düster. Was das überfallene Land besonders beunruhigt, ist die zunehmende Zahl und Intensität der Raketenangriffe und der Einsatz von Hyperschallraketen, die zu unvorhersehbaren Flugbahnen fähig sind. Auch der Berater für Sondereinsätze bei der ukrainischen Staatsagentur für nationales Notfallmanagement, Mario Scaramella, blickt nachdenklich auf die kommenden Winterwochen.
„Besorgniserregend ist nicht nur die Wahl sensibler Ziele wie Gaspipelines und Krankenhäuser, sondern vor allem der Einsatz von Hyperschallraketen des Typs Kinschal, die von künstlicher Intelligenz gesteuert und von Jagdbombern aus abgeschossen werden. Diese Raketen erreichen ihr Ziel mit unvorstellbar hoher Geschwindigkeit und treffen genau das, was von ihnen als ihr Ziel identifiziert wurde. Ihre Algorithmen akzeptieren auch Zivilisten als Ziele. Die Patriot-Raketenabwehrsysteme, die von den Amerikanern zur Verteidigung Kiews geliefert wurden, schaffen es manchmal, diese ‚Monster‘ abzufangen, aber es ist immer ein russisches Roulette“, erklärt Mario Scaramella gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur Adnkronos.
Nach Ansicht des angesehenen Experten stellt der Einsatz dieser Hyperschallraketen für die westlichen Länder eine Bedrohung dar. Zugleich sind diese Raketen für Moskau eine Möglichkeit, die US-Luftabwehrsysteme zu testen. „Die Verletzung des polnischen Luftraums durch eine russische Rakete ist ein Zeichen, dass Putin dem Westen den Fehdehandschuh hinwirft“, fügt der Experte, der die ukrainischen Streitkräfte berät, hinzu.
„Früher konnten wir relativ beruhigt mit dem Zug von Polen nach Kiew reisen. Nun hingegen sind nicht nur Schienenstränge und Bahnhöfe, sondern auch Hotels, Krankenhäuser, Schulen und Einkaufszentren Ziel russischer Bomben- und Raketenangriffe“, so Scaramella. Durch diese abscheuliche Strategie dürfte sich die Zahl der zivilen Todesopfer weiter steigern.
Es scheint also, als habe der russische Präsident beschlossen, zwar die gleiche Strategie wie im Winter des vergangenen Jahres anzuwenden – das heißt, die ukrainische Infrastruktur mit Bomben und Raketen zu treffen – aber die Liste der Ziele über rein strategische Ziele wie etwa das Energienetz hinaus zu erweitern. „In Einklang mit der Ansprache von Putin, der am 1. Januar sein 24-jähriges Jubiläum seiner Herrschaft feiert, werden in den kommenden Tagen weitere schwere Angriffe auf die Ukraine erwartet“, meint der Experte.
Zum einen wolle Putin seine Muskeln spielen lassen und seinem Volk beweisen, dass die russische Armee nach dem ukrainischen Angriff auf Belgorod, der Dutzende von Menschenleben forderte, die Lage immer noch unter Kontrolle habe. Zum anderen habe die Aufrechterhaltung des Drucks auf die Luftabwehrsysteme Kiews für die Truppen Moskaus auch praktische Vorteile. „Angesichts der stetig schwindenden westlichen Unterstützung und der Pattsituation im US-Kongress bedeutet die Erzwingung einer Aufstockung des ukrainischen Flugabwehrwaffenarsenals, dass der Schutzschild, der die Städte und strategischen Einrichtungen des Landes schützt, beginnt, echte Lücken aufzuweisen, was dazu führt, dass sie der Gefahr der Zerstörung ausgesetzt werden“, zeichnet Scaramella ein wenig hoffnungsvolles Bild der Lage.
„Sein Ziel ist es, die Ukraine durch vermehrte Raketenangriffe zu zermürben“, so das Fazit von Mario Scaramella. Die vielleicht einzige Möglichkeit, der langsamen Zerschlagung der Infrastrukturen der Ukraine wirkungsvoll zu begegnen, bestehe darin, die ukrainischen Streitkräfte ausreichend mit modernen Flugabwehrraketen zu versorgen.