Von: ka
Cerignola/Apulien – Kurz vor einem Bahnhof in der Nähe von Cerignola in Süditalien spielten sich am Dienstagabend Szenen ab, die geradewegs aus einem Westernfilm stammen könnten.
Kurz nach 22.00 Uhr überfiel ein aus wenigstens zehn Banditen bestehendes Raubkommando ungefähr vier Kilometer vor dem Bahnhof „Campagna“ in der ländlichen Umgebung von Cerignola einen aus Bari kommenden Güterzug. Um den Güterzug zum Anhalten zu zwingen, stellten die Räuber einen vor einigen Tagen in Manfredonia als gestohlen gemeldeten Ford Fiesta auf die Bahngleise und zündeten ihn an. Die Sicherheitssysteme von Trenitalia brachten den Zug mit seinen Güterwaggons sofort zum Stehen und meldeten die Blockade der Gleise auch allen anderen Zügen, die auf der Strecke zwischen Cerignola und Foggia unterwegs waren.
Als der Güterzug stillstand, traten die Banditen auf den Plan und versuchten, die einzelnen Güterwaggons aufzubrechen. Allerdings gelang es ihnen, nur die letzten zwei Waggons des Zuges zu öffnen. Beide hatten aber keine Güter geladen und waren leer, sodass die Bahnräuber gezwungen waren, ohne Beute das Weite zu suchen. Laut ersten Erkenntnissen der Ermittler hatten es die Räuber wahrscheinlich auf Solarmodule abgesehen, die in einigen Waggons geladen waren. Anscheinend wussten sie aber nicht, wo sich die wertvolle Fracht genau befand.
Der Eisenbahnverkehr konnte erst wieder gegen Mitternacht aufgenommen werden. Vorher musste die Feuerwehr das brennende Wrack des Fiesta von den Gleisen entfernen und die Techniker des italienischen Eisenbahnnetzes kontrollieren, ob der Zustand der Gleise den Sicherheitsbestimmungen entspricht. Die Gesellschaft RFI – Rete Ferroviaria Italiana („Italienisches Eisenbahnnetz“, Anmerkung der Redaktion) – zeigte sich zufrieden, zumal die Sicherheitsanlage dafür gesorgt hatte, den betroffenen Güterzug sofort zu stoppen und auch alle anderen zwischen Foggia und Cerignola verkehrenden Züge zu warnen.
Aber ein bitterer Nachgeschmack bleibt. Auch wenn der spektakuläre Raubüberfall fehlgeschlagen ist, so treibt dennoch allein schon das schiere Vorhandensein einer vielköpfigen mit einer ausgefeilten Logistik versehenen Räuberbande Sorgenfalten in die Gesichter der Ermittler. Erst vor wenigen Wochen war in der Umgebung ein Fernbus mitten auf der Autobahn überfallen worden, wobei alle Fahrgäste gezwungen wurden, den Banditen ihre Wertsachen auszuhändigen. War in diesem Fall dieselbe Bande am Werk?
Die Eisenbahnpolizei und die Carabinieri, die die Ermittlung übernommen haben, stehen vor einer schwierigen Aufgabe.