Gewalttätigkeiten bei Reportage über „Diplomfabrik“ – VIDEO

Unglaublich: Verdächtiger greift Journalisten an

Mittwoch, 15. November 2023 | 07:12 Uhr

Von: ka

San Nicandro Garganico – Dass Journalismus manchmal auch ein gefährlicher Beruf ist, zeigt ein Vorfall, der sich in San Nicandro Garganico in Apulien abgespielt hat. Beim Versuch, eine Reportage über eine Privatschule zu drehen, der die „leichtfertige Vergabe“ von Abschlussdiplomen vorgeworfen wird, wurden der Journalist Stefano Maria Sandrucci und ein Kameramann der Fernsehsendung „Mi manda Rai tre“ von einem der Verdächtigen, Vincenzo Marinacci, mit einem Stock angegriffen.

Vincenzo Marinacci und seinem Vater Nicandro Marinacci wird zur Last gelegt, den Prüfungskandidaten ihrer Schule gegen die Zahlung hoher Geldsummen illegal zu einem Diplom als Sozial- und Gesundheitsfachkraft OSS verholfen zu haben. Um sich vor dem gewalttätigen mutmaßlichen Betrüger in Sicherheit zu bringen, mussten der Journalist und der Kameramann zuerst hinter einem Auto und dann in der Kaserne der Finanzwache Zuflucht suchen.

Instagram/Federico Ruffo

Wie der RAI-Reporter Federico Ruffo auf seiner Instagram-Seite berichtet, wollte Stefano Maria Sandrucci Vincenzo Marinacci, gegen den wegen Betruges ermittelt wird, nur einige Fragen stellen und ihm Gelegenheit dazu geben, sich zu den Vorwürfen der zuständigen Staatsanwaltschaft von Foggia zu äußern.

Vincenzo Marinacci hingegen wollte weder die Fragen beantworten noch zu den Anschuldigungen, dass die von ihm und seinem Vater betriebene Privatschule wenig mehr als eine „Diplomfabrik“ gewesen sei, Stellung beziehen. Als er in seinen Wagen stieg, griff er lieber zu einem Baseballschläger und versuchte mit diesem, dem Journalisten einen Hieb zu versetzen.

„Soll ich ihn dir über den Scheitel ziehen? Verschwindet! Ihr müsst aufhören zu filmen, denn sonst sorge ich dafür, dass ihr von hier nicht mehr wegkommt!“, so die unmissverständliche Drohung des Verdächtigen. „Wie im Video zu sehen ist, griff der Verdächtige zu einem Baseballschläger und versuchte Sandrucci am Kopf zu treffen. Nur schnellen Reflexen und dem Glück war es zu verdanken, dass unser Reporter nicht am Kopf getroffen wurde. Er wich dem Schlag aus und suchte dann auf der anderen Straßenseite Schutz. Doch der Angreifer gab sich damit nicht zufrieden, beschimpfte und bedrohte Sandrucci weiterhin und wandte sich dann dem Kameramann zu, der hinter einem Auto in Deckung gegangen war. Unsere Kollegen flüchteten daraufhin in die nahe gelegene Kaserne der Finanzpolizei. Die Beamten nahmen die Aussagen des Kameramannes und des Reporters zu Protokoll und hielten Vincenzo Marinacci, der inzwischen in Begleitung seines Vaters in der Kaserne eingetroffen war, auf Distanz“, berichtet Federico Ruffo auf Instagram.

Instagram/Federico Ruffo

Der Hintergrund des Angriffs sind die Ermittlungen gegen die Privatschule der Marinacci. Im Januar dieses Jahres führten Untersuchungen der Finanzwache zur Verhaftung von drei Personen, zu denen auch der ehemalige Abgeordnete von Forza Italia und ehemalige Bürgermeister von San Nicandro Garganico, Nicandro Marinacci, und sein Sohn Vincenzo gehörten. Allen drei Verhafteten werden Betrug, Urkundenfälschung sowie Fälschung und illegale Nutzung von Siegeln der Europäischen Union, der Republik Italien, der Region Kampanien und anderer öffentlicher Einrichtungen zur Last gelegt.

Im privaten Ausbildungsinstitut der Familie Marinacci mit Sitz in San Nicandro Garganico seien gegen Bezahlung gefälschte Lehrgänge zur Erlangung von Diplomen für Sozial- und Gesundheitsfachkräfte OSS organisiert worden. Für die gefälschten Diplome und Zeugnisse, die zur Ausübung dieses Berufs berechtigen, sollen die „Prüfungskandidaten“ an das Marinacci-Institut bis zu 25.000 Euro überwiesen haben.

Da den meisten Kandidaten und Schülern, die über eine E-learning Plattform an den „Kursen“ teilnahmen, vollkommen bewusst gewesen sei, dass sie gefälschte Diplome erwerben, wurden 33 weitere Personen ins Ermittlungsregister eingetragen. Um die zumeist über Videoschaltung vorgenommenen „Prüfungen“ bestehen zu können, soll sich der Sekretär des Studienzentrums „Manzoni” der Marinacci in San Nicandro Garganico, Roberto Melchionda, mit einer Maske verkleidet als „Schüler“ ausgegeben waren. Der Staatsanwaltschaft von Foggia zufolge sei das nunmehr geschlossene Studienzentrum der Marinacci nicht anderes als eine sogenannte „Diplomfabrik“ gewesen. Roberto Melchionda wurde zusammen mit den beiden Marinaccis festgenommen. Während über Roberto Melchionda und Vincenzo Marinacci der Hausarrest verhängt wurde, musste Nicandro Marinacci, der als Haupttäter gilt, einige Zeit im Gefängnis verbringen.

Laut durchgesickerten Informationen soll das die Beschuldigten belastende Beweismaterial erdrückend sein. Der Angriff auf das Kamerateam dürften die Chancen der Angeklagten, im kommenden Prozess die Richter milde zu stimmen, nicht gerade verbessern. Der vom Angriff betroffene Reporter und sein Kameramann kündigten eine Anzeige an.