Von: apa
Stephanie Venier hat eine von Stürzen überschattete Abfahrt in Cortina d’Ampezzo am Freitag für sich entschieden. Nachdem US-Star Mikaela Shiffrin vom Rettungshubschrauber abtransportiert wurde, herrschte Bangen, ehe der US-Skiverband mitteilte, dass die Weltcup-Dominatorin Entwarnung gegeben habe. Eine zunächst befürchtete Kreuzband-Verletzung trat nicht ein. An der selben Stelle wie Shiffrin erwischte es auch Olympiasiegerin Corinne Suter, die einen Kreuzbandriss erlitt.
Venier siegte dank eines Husarenritts im Schlussabschnitt mit 0,37 Sekunden Vorsprung auf die Schweizerin Lara Gut-Behrami. Christina Ager wurde zeitgleich mit der Italienerin Sofia Goggia und der Kanadierin Valerie Grenier (je +0,71) Dritte und schaffte es damit erstmals aufs Weltcup-Podest. Venier jubelte fast exakt fünf Jahre nach ihrem davor einzigen Weltcup-Sieg, damals siegte die Tirolerin in der Abfahrt von Garmisch-Partenkirchen (27. Jänner 2019).
“Ich hatte ein gutes Gefühl, aber dass es für den ersten Platz reicht, damit habe ich nicht gerechnet”, sagte Venier im ORF. Die Abfahrts-Zweite von Zauchensee war schon im Training am Mittwoch als Zweite gut dabei. “Zauchensee hat mir brutal viel Selbstvertrauen gegeben. Das sieht man auch beim Fahren”, meinte die 30-Jährige. Venier sorgte auch für das Ende einer langen Durststrecke von Österreichs Abfahrerinnen. Als zuvor letzte Athletin hatte Nicole Schmidhofer vor etwas mehr als vier Jahren in Lake Louise in der schnellsten Disziplin gewonnen. Am Samstag steht in Cortina die zweite Abfahrt (10.30 Uhr) auf dem Programm, am Sonntag folgt noch ein Super-G (10.30/jeweils live ORF 1).
Auf der Tofana war das zweite Training am Donnerstag aufgrund der warmen Temperaturen und Starkwind ausgefallen. Die schnelle Strecke überraschte bei strahlendem Sonnenschein dann die ersten Läuferinnen. Auch die mit Nummer sechs gestartete Cornelia Hütter hatte im Mittelteil Probleme und verlor nach einem Sprung die Linie. “Das Tempo von oben bis unten ist höher, es geht zur Sache. Aber Abfahrtssport ist Risikosport. Das ist so bei uns”, meinte die Steirerin, die am Ende Achte wurde. Mirjam Puchner kam als Neunte ebenfalls in die Top zehn.
Die als achte Läuferin am Start stehende Shiffrin war in diesem Winter zum vierten Mal in einem Speed-Rennen dabei. Die US-Amerikanerin verlor noch vor der zweiten Zwischenzeit nach einer Bodenwelle das Gleichgewicht, kam zu Fall und schlug im Fangnetz ein. Sie wurde mehrere Minuten behandelt und humpelte dann, teilweise gestützt von Betreuern, mit schmerzverzerrtem Gesicht von der Piste. Anschließend wurde sie vom Rettungshubschrauber zu genaueren Untersuchungen abtransportiert.
Das Rennen war lange unterbrochen. US Ski veröffentlichte später einen WhatsApp-Screenshot von Shiffrin an ihre Teamkolleginnen. “Es ist alles okay”, schrieb die Weltcup-Gesamtführende darin. Im Krankenhaus von Cortina wurde laut einer Verbandsmitteilung in einer ersten Diagnose festgestellt, dass das vordere und hintere Kreuzband intakt seien. Laut ORF-Angaben muss Shiffrin mit einer Innenbandverletzung ein bis zwei Wochen pausieren.
Sie habe aktuell ziemliche Schmerzen, schrieb Shiffrin am Freitagabend auf Instagram. Sie werde mehr Informationen teilen, sobald sie mehr wisse. “Ich werde den Rest des Wochenendes nicht mehr Skifahren und auch nicht in Kronplatz. Darüber hinaus ist es im Moment sehr schwer zu sagen.” Damit verpasst die Gesamtweltcupführende zumindest drei Rennen.
Federica Brignone beendete ihren Lauf ebenfalls im Schnee, ehe es auch Suter erwischte. Die Schweizerin brach ihre Abfahrt nach einer Landung nach einem weiten Sprung vorzeitig ab, fasste sich ans Knie und schrie vor Schmerz. Auch sie musste mit dem Helikopter abtransportiert werden. Ein Riss des vorderen Kreuzbandes sowie eine Meniskusverletzung bedeuten das vorzeitige Saisonende.
Von den ersten elf Läuferinnen fielen vier aus, Ester Ledecka war nicht am Start. Gut-Behrami fuhr danach taktisch überlegt, wählte die richtige Linie und schrieb Bestzeit an. Die als Favoritin ins Rennen gegangene Goggia fuhr eher zurückhaltend und reihte sich als Zweite ein. Venier kam mit der Nummer 18 dran. Die Tirolerin hatte zunächst Rückstand auf die Führende, distanzierte Gut-Behrami im Unterteil dann aber um gut sechs Zehntelsekunden und schob sich dadurch noch ganz nach oben.
“Es ist eines der schönsten Gefühle, wenn du im Ziel bist und den Einser aufleuchten siehst”, so die Siegerin. Das lange Warten nach den Ausritten von Shiffrin und Suter habe sie nicht wirklich irritiert, so Venier. “Es war nicht so einfach, aber ich habe mir jeden Sturz angeschaut, musste wissen, wie es passiert ist. Dass es Fehler waren, die ich nicht machen sollte. Ich war gut darauf vorbereitet.” Über ihre aktuelle Form meinte die Tirolerin: “Man sieht, dass es sich bezahlt macht, wenn man dran bleibt.” Vor allem im Kopf sei sie nun gefestigter und könne mit mehr Sicherheit an den Start gehen.
Ager wusste ebenfalls zu überzeugen und teilte sich den Podiumsplatz gerne. “Ist doch schön, da freuen sich fünf statt drei”, meinte die Tirolerin. Sie habe “einfach einen Lauf ohne groben Schnitzer gezeigt. Ich habe immer gesagt, ich brauche die Geduld und ich muss einfach weiter machen. Irgendwann kommt dann der Tag, an dem es funktioniert.” Ager sah die zwei Jahre ältere Venier auch ein bisschen als Vorbild. “Sie hatte eine lange Durststrecke hinter sich, hat immer weitergemacht – und jetzt funktioniert es.”