Motorradfahrer absichtlich von Straße gedrängt?

Verstörend: Banaler Verkehrsstreit mündet in Tragödie

Mittwoch, 18. Oktober 2023 | 08:12 Uhr

Von: ka

Montello – Ein banaler Verkehrsstreit, der tragischerweise in eine Tragödie mündete, beschäftigt derzeit ein Gericht in der norditalienischen Stadt Bergamo.

Der 50-jährige Arbeiter Vittorio Belotti wird beschuldigt, am 30. Oktober letzten Jahres im Laufe eines Streits den 55-jährigen Walter Monguzzi mit seinem Kleinwagen von der Straße gedrängt und so seinen Sturz mit dem Motorrad verursacht zu haben. Tragischerweise wurde der gestürzte und auf der Straße liegende Lenker des Motorrads von einem entgegenkommenden Auto überfahren, wodurch der 55-Jährige verstarb. Der geflüchtete Vittorio Belotti, der zum Zeitpunkt des Unfalls unter dem Einfluss von Kokain stand, wurde nur eine Stunde nach dem tödlichen Unfall festgenommen.

Der vorsitzende Richter des Schwurgerichts, Giovanni Petillo, kommt mit dem Gerichtsmediziner Luca Tajana direkt zur Sache. „Können wir sagen, dass er nicht gestorben wäre, wenn er nicht vom Auto überfahren worden wäre?“, wendet sich Giovanni Petillo an Luca Tajana. „Wahrscheinlich nicht, er wäre noch am Leben“, so die eindeutige Antwort von Luca Tajana. Beim Auto, von dem der Richter spricht, handelt es sich um den entgegenkommenden BMW, der den 55-jährigen Walter Monguzzi überfuhr, als er nach dem Zusammenstoß mit dem von Vittorio Belotti gelenkten Panda auf der Straße lag.

Vittorio Belotti steht wegen vorsätzlicher Tötung vor Gericht. Laut der Anklage habe der 50-jährige Arbeiter mit seinem Panda nicht weniger als dreimal ein BMW-Motorrad, das von Walter Monguzzi gesteuert wurde, bedrängt, bis dieser zu Sturz gekommen sei. Die Verteidiger des 50-Jährigen vertreten vor Gericht hingegen die These, dass Monguzzi beim Versuch, gegen die Fahrertür des Panda zu treten, das Gleichgewicht verloren habe und in der Folge zu Sturz gekommen sei.

Tatsache ist, dass der 50-jährige Angeklagte seine Fahrt fortsetzte, ohne sich um den gestürzten Motorradfahrer zu kümmern. Gesichert ist auch, dass der Lenker eines entgegenkommenden BMWs vergeblich versuchte, dem auf der Straße liegenden Motorradfahrer auszuweichen. Aus der Sicht der Staatsanwaltschaft hätte der BMW den Motorradfahrer nie überfahren, wenn Belottis Panda ihn nicht gerammt hätte.

Carabinieri Bergamo

Zeugen scheinen die Ansicht der Anklage zu bestätigen. An der Ampel vor der Geraden in Montello bei Bergamo hielten hinter Monguzzi und Belotti nebeneinander eine Vespa und ein weiteres Motorrad, auf dem ein Ehepaar saß, sowie dahinter ein zweiter Panda an. Als die Ampel auf Grün schaltete, überholte das Paar alle anderen Verkehrsteilnehmer. Als das Ehepaar den Unfall bemerkte, verfolgte es Bellotti, um das Nummernschild des Autos zu fotografieren. Laut ihrer gerichtlichen Aussage sah die Frau im zweiten Panda, wie Belotti auf der Geraden dreimal seinen Panda nach links steuerte, obwohl Monguzzis BMW-Motorrad neben ihm fuhr. Beim dritten Manöver – so die Frau – kam das Motorrad zu Sturz. Dem Lenker der Vespa zufolge trat Monguzzi nach dem Panda.

Dem Gericht liegt auch ein technisches Gutachten mit Fotos der Schäden an den Fahrzeugen vor. „Der Schaden an der vorderen linken Seite des Panda oberhalb des Rades passt zum Schaden an der rechten hinteren Seite des Gepäckträgers des Motorrads“, so der Bericht der Carabinieri. Bedauerlicherweise weist das Video der Überwachungskamera einige Lücken auf. Ausgerechnet der Sturz wurde aufgrund technischer Verbindungsprobleme nicht aufgezeichnet. Gleichzeitig zeigen die Aufnahmen anderer Kameras aber auch, dass es entgegen früheren Vermutungen zwischen Monguzzi und Belotti vor dem Unfall zu keinem Streit gekommen sei.

Vittorio Belotti konnte aufgrund des Bildes des Nummernschilds und der Aussage des Ehepaars bereits eine Stunde nach dem tödlichen Unfall ausfindig gemacht und verhaftet werden. Eine Laboranalyse ergab, dass er zum Zeitpunkt des Unfalls unter dem Einfluss von Drogen stand. Die Anklage glaubt, dass das Kokain, das der 50-Jährige konsumiert hatte, Vittorio Belotti dazu veranlasst habe, vom Unfallort zu flüchten. Abgehörte Gespräche im Gefängnis, in das der 50-jährige Mann nach seiner Verhaftung überstellt wurde, scheinen zu bestätigen, dass Vittorio Belotti entgegen seiner Behauptung, nur sehr selten Drogen zu sich genommen zu haben, regelmäßiger Drogenkonsument gewesen sei. Seinen Zellengenossen erzählte er, dass auf dem Sitz seines Panda ein Säckchen mit fünf Dosen Kokain gelegen sei.

Unter Tränen sagte die Tochter von Walter Monguzzi aus, dass sich ihr Vater im Straßenverkehr nie aggressiv verhalten habe und dass er auch laut seinen Freunden und Kollegen „nur ein klassischer Genussfahrer“ gewesen sei. Den unfalltechnischen Expertisen zufolge kann dem Fahrer des BMW keine Mitschuld angelastet werden. Laut dem Gutachten hatte er kaum mehr als eine Sekunde Zeit, um das Unfallgeschehen zu erfassen und dem gestürzten Motorradfahrer auszuweichen.

Die Verteidigung des 50-Jährigen wird zwar versuchen, dem Unfallopfer eine Mitschuld anzulasten, aber ob sie davon auch das Gericht zu überzeugen vermag, gilt Justizbeobachtern zufolge als zweifelhaft. Wahrscheinlicher ist es, dass Vittorio Belotti wegen aus nichtigen Gründen verübten Mordes im Straßenverkehr zu einer Haftstrafe verurteilt werden wird. Das Urteil soll noch in diesem Jahr ergehen.