Von: ka
Cisterna di Latina – Der unfassbare Doppelmord in Cisterna di Latina, bei dem die 46-jährige Nicoletta Zomparelli und ihre jüngere Tochter, die 19-jährige Renée Amato, durch die Hand des Ex-Freundes der älteren Tochter ums Leben gekommen sind, schockt die italienische Öffentlichkeit.
Besonders verstörend sind die erschütternden Details des Ablaufs des Verbrechens, die nach und nach ans Licht kommen. Laut den Aussagen der 22-jährigen Desyrée Amato, die den Amoklauf von Christian Sodano überlebte, habe er sie verfolgt, aber nicht auf sie geschossen. „Erschieß’ du mich!“, soll er Desyrée angefleht haben. Unendlich lange Minuten später konnte sie endgültig flüchten und bei einem Tankwart Schutz suchen.
Desyrée Amato tut sich schwer, den Ermittlern den Tathergang der unfassbaren Bluttat zu schildern, bei der ihre Mutter und ihre Schwester gewaltsam ums Leben kamen. Während die 22-Jährige mit den Tränen ringt, versucht sie sich an das, was an diesem grauenhaften Dienstagnachmittag geschah, zu erinnern.
Desyrée Amato und der 27-jährige Christian Sodano waren vor einigen Monaten eine Beziehung eingegangen, aber zwischen dem jungen Maresciallo der Finanzwache, der in Ostia seinen Dienst versah, und der jungen Frau, die im Immobilienbüro ihrer Familie arbeitete, war es in den letzten Wochen immer wieder zu Streitigkeiten gekommen.
„In den letzten zwei Monaten lief unsere Beziehung nicht mehr gut“, erinnert sich Desyrée Amato. Nach der Rückkehr von einer Kuba-Reise, an der vor zwei Wochen sie, der 27-Jährige, ihre Eltern und Freunde der Familie Amato teilgenommen hatten, fasste Desyrée endgültig den Entschluss, Christian Sodano zu verlassen.
Am Tag vor der Bluttat, am Montag, teilte die junge Frau dem jungen Maresciallo der Finanzwache ihren Entschluss mit. „Es ist besser, wenn wir uns trennen“, so die unmissverständliche Botschaft von Desyrée. Christian Sodano geriet sofort in Rage. „Ich tue dir und deinen Eltern etwas an. Dann bringe ich mich um!“, antwortete der 27-Jährige, dem solche Drohungen nicht fremd gewesen sein sollen.
Durch diese Worte verängstigt, versuchte die 22-Jährige, ihn zur Vernunft zu bringen, woraufhin er sich in der Tat wieder beruhigte und sich entschuldigte. Da sie und ihre Familie Angst hatten, dass er sich etwas antun könnte, ließen sie ihn in der Einfamilienvilla auf dem Wohnzimmersofa übernachten.
Tags darauf, am Dienstagnachmittag gegen 17.00 Uhr, brach zwischen den beiden aber erneut Streit aus. „Ich sagte ihm, dass ich ihm den Ring, den er mir geschenkt hatte, zurückgeben werde“, erzählt die junge Frau. Nach dieser Geste, die mehr als tausend Worte bedeutet, wurde Christian Sodano endgültig bewusst, dass es mit Desyrée vorbei war und für ihn keine Chance mehr bestand, an glücklichere Tage verliebter Zweisamkeit anzuknüpfen.
Was dann passierte, war der Amoklauf eines Besessenen, der völlig die Kontrolle über sich verloren hatte. Der 27-Jährige holte seine Dienstpistole mit 17 Schuss im Magazin, die er zwar mitgenommen, aber zunächst im Auto liegengelassen hatte, und kehrte mit der geladenen und entsicherten Waffe ins Haus zurück. Dann ging es sehr schnell. Als Desyrée sah, wie der 27-Jährige mit der Pistole in der Hand auf sie zukam, fing sie an, aus voller Kraft zu schreien. Von den Schreien der jungen Frau aufgeschreckt, eilten ihre Schwester Renée und ihre Mutter Nicoletta Zomparelli ihr zur Hilfe. Während die 22-Jährige ins Bad flüchten konnte, wurden Desyrées jüngere Schwester und die Mutter nacheinander mit vier Schüssen niedergestreckt. „Er erschoss zuerst Renée, dann Mama“, so Desyrée unter Tränen.
Nach dem Mord an den beiden Frauen trat er so lange gegen die Tür des Badezimmers, in das sich Desyrée Amato eingeschlossen hatte, bis er sie aufbrach. Desyrée schloss die Augen und wartete auf ihr Ende, doch Christian Sodano hielt unerwartet inne. Laut der späteren Aussage der 22-Jährigen setzte sich der 27-Jährige auf den Boden und begann zu weinen. Desyrée nutzte diesen kurzen Moment des Zögerns, indem sie aus dem Badezimmer hinausrannte und an Nicoletta und Renée, die in einer großen Blutlache im Flur lagen, vorbei ins Zimmer ihrer Schwester floh.
Dort wurde sie erneut von ihrem Ex-Freund eingeholt, aber Christian Sodano verzichtete aus unerfindlichen Gründen ein zweites Mal, Desyrée Amato zu töten. Nachdem er die Waffe auf das Bett gelegt hatte, richtete er an die 22-Jährige eine verstörende Bitte. „Erschieß’ du mich!“, fragte er Desyrée, die vor Angst zitterte.
„Daraufhin bin ich wieder geflohen. Ich bin durch das Fenster in den Garten gesprungen. Ich habe versucht, mit meinem Auto zu entkommen, aber dazu haben mir die Fernbedienung des Tors und die Schlüssel gefehlt“, so die junge Frau gegenüber den Ermittlern.
Als Christian Sodano in den Hof kam, versteckte sich Desyrée im Holzschuppen. „Komm raus, ich tue dir nichts!“, schrie der 27-Jährige in den Nachthimmel, während er nach ihr suchte. Die zutiefst verängstigte junge Frau kroch durch ein Loch im Zaun ins Freie und rannte durch ein Rebgut zu einer nahen Tankstelle. Sie hörte noch zwei Schüsse und die quietschenden Reifen eines losfahrenden Autos, dann war es still.
Letzten Erkenntnissen zufolge soll der Täter auf die am Boden liegenden Frauen weitere Kugeln abgefeuert haben. „Renée lebte noch, sie bewegte sich. Damit sie nicht leiden musste, feuerte ich zwei weitere Schüsse auf sie ab!“, so die verstörende Aussage des jungen Mannes während seines Geständnisses gegenüber den Carabinieri.
Warum Christian Sodano ausgerechnet sie verschont hat, ist für Desyrée ein Rätsel. Nach dem Albtraum steht die junge Frau vor einem schweren Neubeginn. Ob sie das Erlebte je verarbeiten und über den schmerzhaften Verlust ihrer Mutter und ihrer Schwester je hinwegkommen wird, steht in den Sternen.
Nach dem Mord an Nicoletta Zomparelli und Renée Amato, die sterben mussten, weil sie Desyrée schützen wollten, herrscht weit über die Kleinstadt Cisterna di Latina hinaus tiefe Fassungslosigkeit. Im Gedenken an Nicoletta Zomparelli und Renée Amato findet in Cisterna di Latina am Freitagabend ein Trauerfackelumzug statt.