Von: mho
Rom – Die Lage zwischen Innenminister Salvini und der italienischen Justiz spitzt sich zu – und ruft Erinnerungen an die Ära Berlusconi wach. Seine Partei “Lega” (damals noch “Lega Nord”) ist wegen der Veruntreuung von 49 Millionen Euro öffentlichen Wahlkampfgeldern in den Jahren 2008 bis 2010 verurteilt worden und muss diese nun zurückzahlen. Salvini geht zum Gegenangriff über und spricht von einem “beispiellosen politischen Prozess”, die Staatsanwaltschaft und Richterschaft antwortet, sie “lasse sich nicht einschüchtern”.
Salvini wirft die Verurteilung wegen Veruntreuung in einen Topf mit den gegen seine Person laufenden Ermittlungen wegen Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch, in Zusammenhang mit seiner Anweisung, dem Rettungsschiff “Diciotti” in Sizilien mit hunderten Migranten an Bord das Anlegen und ärztliche Versorgung zu verweigern.
Salvini öffnete die von den Carabinieri übergebene Anzeige live auf seiner Facebookseite. “Hier ist die Erklärung, dass ein Staatsorgan gegen ein anderes Staatsorgan ermittelt, mit dem sehr kleinen Unterschied, dass dieses Staatsorgan gewählt wurde, das andere wurde von niemandem gewählt”, sagte Salvini in die Kamera.
Diese Aussage wiederum missfiel dem nationalen Richterverband ANM. “Dies stellt eine deutliche Verzerrung der Verfassungsgrundsätze dar, die der Justiz die Aufgabe und Pflicht zur Durchführung von Ermittlungen und Überprüfungen gegenüber alle Personen überträgt, auch gegenüber denjenigen, die Wahl- oder institutionelle Ämter ausüben”, so der ANM in einer Aussendung.
Auch der verbündete Justizminister des Regierungspartners M5S, Alfonso Bonafede, schaltete sich in die Kontroverse ein: “Der Minister kann glauben, dass ein Richter falsch liegt, aber deshalb wieder rechte und linke Togas heraufzubeschwören, ist nicht mehr zeitgemäß”, kommentierte Bonafede. “Ich glaube nicht, dass Salvini sich an die Zeit zurücksehnt, als die Lega mit Berlusconi regierte. Wer sich Veränderung auf die Fahnen schreibt, kann nicht daran denken, Italien in die Zweite Republik zurückzuwerfen.”
Auch M5S-Chef Luigi di Maio befindet sich aufgrund der juristischen Schwierigkeiten der Lega in einem politischen Dilemma, da der Movimento Cinque Stelle sich seit jeher als scharfer Kritiker von parlamentarischer Immunität und allgemeiner Wächter der Legalität in Italien profilierte, vor allem in Hinblick auf den langjährigen Premier Silvio Berlusconi. “In Bezug auf das Schiff ‘Diciotti” wussten wir, dass die Entscheidungen harte Entscheidungen waren, aber wir haben sie gemeinsam mit der Lega getroffen. Die Anschuldigungen Salvinis gegen die Richter hingegen können wir nicht unterstützen”, so der Vizepremier Luigi Di Maio.
Ministerpräsident Giuseppe Conte mahnte dazu an, in der politischen Auseinandersetzung den Ton zu zügeln, während Staatspräsident Sergio Mattarella laut Medienberichten die Situation aufmersam verfolgen würde.
Renzi: “Salvini versucht sich zum Opfer zu machen”
Auch Ex-Premier Matteo Renzi antwortete auf die Vorwürfe Salvinis: “Wie immer bringt er mich ins Spiel und versucht, das Opfer zu sein, aber die Idee, dass diejenigen Personen, die zum Parlamentarier gewählt wurden oder in der Regierung sitzen, ohne Weiteres gegen das Gesetz verstoßen können, ist weit gefehlt”, so Renzi und warnt vor Salvinis politischer Strategie. “Und Vorsicht: Salvini wirft alles auf die Einwanderungsfrage, um diese Sache politisch zu überleben. Er weiß, dass die Lega 49 Millionen Dollar zurückzahlen muss. Er weiß, dass es ein Urteil gibt. Und er weiß, dass die Italiener denen, die ihnen ihr Geld stehlen, nicht verzeihen. Also versucht er, sich zum Märtyrer zu machen und geht in Konfrontation mit den Richtern.”