Von: Ivd
Rom – Giorgia Meloni teilte in einem Interview mit der Financial Times mit, dass sie die Kritik von US-Vizepräsident JD Vance an Europa durchaus verstehe. Europa habe sich verloren und versuche der Bevölkerung eine Ideologie aufzuzwingen. Vance hatte sich bei der Münchner Sicherheitskonferenz über mangelnde Meinungsfreiheit in Europa beklagt. Zu den Zöllen sagte sie, dass es sie auch schon unter der Biden-Administration gegeben habe und man nun besonnen reagieren müsse. Sie finde es kindisch, sich nun zwischen Europa und den USA entscheiden zu müssen. Das Interview erschien kurz nach der Sicherheitskonferenz in Paris, in der Italien wiederholt die Entsendung von Friedenstruppen ablehnte.
„Ich sage das seit Jahren: Europa hat sich ein wenig verloren. Trumps Kritik an Europa richtete sich nicht gegen die Bevölkerung, sondern gegen die politische Führung und gegen die Vorstellung, dass man der Bevölkerung eine Ideologie aufzwingen kann“, so die Ministerpräsidentin in dem Interview. Meloni lehnt die Vorstellung entschieden ab, dass Italien zwischen den USA und Europa wählen müsse. Eine solche Entscheidung sei „kindisch“ und „oberflächlich“. „Ich bin Konservative, Trump ist ein republikanischer Anführer. Ich stehe ihm sicher näher als vielen anderen.“ Trotz dieser Nähe hatte Trump Italien in der Vergangenheit wegen der geringen Verteidigungsausgaben von nur 1,5 Prozent des BIP als „Schmarotzer“ bezeichnet.
Zölle seien keine Erfindung Trumps
Besonders in wirtschaftspolitischen Fragen sieht Meloni Parallelen zwischen den protektionistischen Maßnahmen der Trump-Administration und jenen unter US-Präsident Joe Biden. „Glaubt ihr wirklich, dass der Protektionismus in den USA von Donald Trump erfunden wurde?“, fragte sie rhetorisch. Sie warnte davor, vorschnelle Gegenmaßnahmen auf die von US-Präsident Trump angekündigten Zölle auf Autos und Teile zu ergreifen, und rief zu einer besonnenen Reaktion Europas auf: „Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir einfach instinktiv antworten. Bleiben wir ruhig, Leute. Denken wir nach.“
Erneute Absage für Friedenstruppen in der Ukraine
Das Interview kam zu einer Zeit, in der Europa sich Einigkeit gegen russische Aggressionen zur Mission gemacht hat, nachdem die USA die Unterstützungen einstellen möchte. Zur Entsendung von Friedenstruppen in Ukraine zur Absicherung eines Waffenstillstands erteilte die Meloni bereits im Vorfeld der Friedenskonferenz in Paris eine Absage. Sie befürchte, dass dies als Aggression aufgefasst werden könne. Ihre Regierung bevorzuge stattdessen eine engere Kooperation mit internationalen Partnern, um langfristige Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu entwickeln. Außenminister Antonio Tajani und auch Meloni schlugen vor, stattdessen den NATO-Vertrag zur kollektiven Verteidigung auf die Ukraine zu erweitern, ohne die Ukraine selbst aufzunehmen.
Großbritannien und Frankreich hingegen kündigten an, dass sie die Entsendung einer gemeinsamen Friedensmission prüfen wollen. Jedoch betonte der französische Präsident Macron, dass der Vorschlag nicht einstimmig beschlossen worden sei. Meloni kritisierte diese Uneinigkeit. Der scheidende deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz teilte unterdessen mit, es sei nicht der Zeitpunkt, da man noch nicht wisse, ob und in welcher Form es eine solche Truppe überhaupt geben werde. Er wolle die Ukraine weiter mit Waffen stärken, um eine mögliche Verhandlungsposition zu verbessern.
Italien zwischen den Fronten
Melonis vorsichtige Haltung in der Ukraine-Frage und ihre diplomatische Positionierung zwischen den USA und Europa spiegeln das schwierige Spannungsfeld wider, in dem sich Italien derzeit bewegt. Während Rom enge wirtschaftliche Beziehungen zu Washington pflegt, steht es innerhalb der EU zunehmend als Gegengewicht zu den militärischen Ambitionen von Frankreich und Großbritannien. Die Entscheidung, sich nicht an einer möglichen UN-Friedenstruppe in der Ukraine zu beteiligen, könnte die europäische Sicherheitsarchitektur nachhaltig beeinflussen und Italiens Rolle in der internationalen Diplomatie weiter prägen.
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