Von: idr
Rom – Vor gut einer Woche ist das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche gestorben, einer bedeutenden Institution in Italien. Allerdings war sein Einfluss nicht direkt politisch und eher kulturell verortet. Doch was wäre, wenn genau das passiert? Wie wäre Italien etwa auf den Tod von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni vorbereitet? Hätte Italien einen Ministerpräsidenten Namens Salvini oder gäbe es Neuwahlen? Die Antworten erfahrt ihr in diesem Artikel.
Meloni tot: Was nun?
Nach italienischem Verfassungsrecht wird das Amt der Ministerpräsidentin im Todesfall nicht automatisch auf einen Stellvertreter übertragen. Das heißt, die beiden stellvertretenden Ministerpräsidenten Matteo Salvini (Lega) und Antonia Tajani (Forza Italia) würden vorerst nicht die Regierungsgeschäfte führen. Stattdessen würde Staatspräsident Sergio Mattarella geschäftsführend das Amt übernehmen und dafür sorgen, dass sich die Regierung nach dem plötzlichen Wegfall ihres Oberhaupts stabilisiert. Formell müsste die gesamte Regierung geschlossen zurücktreten.
Wenn die Situation stabil ist, wäre es Mattarellas Aufgabe, eine Person mit der Bildung einer neuen Regierung zu beauftragen. Traditionell wäre das ein hochrangiges Mitglied der bisherigen Regierungskoalition, also zum Beispiel Salvini oder Tajani. Es wäre allerdings auch möglich, dass Mattarella eine neutrale Person oder einen parteiunabhängigen Technokraten bittet, eine Übergangsregierung zu bilden. Bis eine neue Regierung von Mattarella ausgewählt wurde, bleibt die alte Regierung ohne Spitze geschäftsführend im Amt. Sie kann in dieser Zeit allerdings nur noch die Geschäfte fortführen und keine Gesetze neu einführen oder andere grundlegende Änderungen beschließen.
Was, wenn auch die „zweite Reihe“ ausfällt?
Sollten in einem unwahrscheinlichen Extremszenario auch zentrale Regierungsfiguren wie Tajani, Salvini oder Verteidigungsminister Guido Crosetto gleichzeitig ausfallen, würde Italien angesichts des aufkommenden Machtvakuums auf eine politische Krise zusteuern. Der Staatspräsident hätte dann zwei Optionen: Entweder er beauftragt eine neue Übergangsregierung, möglicherweise geführt von einer neutralen Person, oder er löst das Parlament auf und ruft Neuwahlen aus. Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass mindestens ein Jahr seit der letzten Wahl vergangen ist.
Sollten gleichzeitig Meloni und auch Mattarella ausfallen, würde Senatspräsident Ignazio La Russa das Amt des Staatsoberhaupts übernehmen. Der Senatspräsident fungiert dann als kommissarischer Staatspräsident, bis ein neuer Staatspräsident mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt wurde. Die Wahl muss innerhalb von 15 Tagen nach dem Ableben eingeleitet werden. Melonis Position würde vorübergehend einer der Vizepremiers übernehmen, bis ein neuer Staatspräsident weitere Schritte einleitet.
Wäre Italien regierungsunfähig?
Ein solches Szenario ist extrem unwahrscheinlich. Seit der Gründung der Italienischen Republik im Jahr 1946 kam es weder zu einem Ableben des Ministerpräsidenten noch zum Tod eines Staatspräsidenten während ihrer Amtszeiten. 1978 wurde der Ex-Ministerpräsident Aldo Moro von der Roten Brigade entführt und getötet. Allerdings war er zu diesem Zeitpunkt schon zwei Jahre nicht mehr im Amt. Erfahrungsgemäß kann die Bildung einer neuen Regierung in Italien allerdings auch ohne Staatskrise Wochen bis Monate dauern. Man erinnere sich an die komplizierten Koalitionsverhandlungen 2018 nach den Parlamentswahlen oder die zähen Gespräche um die Regierung Draghi 2021.
Welche Auswirkungen hätte das für Italien?
Käme es dennoch zu einer solchen Situation, wären die Folgen für Italien vermutlich verheerend:
Finanzpolitisch: Die Märkte könnten aufgrund der Unsicherheit abstürzen. Italienische Staatsanleihen hätten plötzlich einen riesigen Risikoaufschlag, was bedeutet, dass Italien plötzlich viel höhere Zinsen zahlen müsste, um sich neues Geld zu leihen. Ergo: keine Investitionen. Weiterhin würde internationales Kapital fluchtartig das Land verlassen.
Staatsverschuldung: Italien hat mit einer Staatsverschuldung von 140 Prozent bereits heute eine der höchsten Schuldenquoten weltweit. Steigen die Zinsen, wäre Italien schnell nicht mehr in der Lage, den steigenden Anteil an Schuldentilgungen zu decken und müsste neue Schulden aufnehmen. Das würde wiederum zu noch höheren Zinsen, noch weniger Investitionen und einer noch schwächeren Wirtschaft führen.
Euroraum: Neben Italien wäre auch der gesamte Eurowährungsraum von der Staatskrise betroffen. Zwar würde die EZB versuchen, Anleihen zu kaufen und den Staat zu retten, allerdings hat sie nur begrenzt die Möglichkeit dazu. Es wären Zustände denkbar wie zur Euro-Schuldenkrise im Jahr 2010. Die drittgrößte Volkswirtschaft in der EU könnte plötzlich ihren Forderungen und Verpflichtungen nicht mehr nachkommen.
Innenpolitisch: Die politischen Ränder könnten die Krise nutzen, um zu versuchen, das Ruder an sich zu reißen. Die sowieso schon aufgeladene Situation im Land könnte von antidemokratischen Kräften genutzt werden, um auf die Manövrierunfähigkeit der Demokratie aufmerksam zu machen und einen Systemputsch anzetteln. Aufgrund der schwachen Wirtschaft würden Arbeitsplätze wegbrechen und auch die Preise explodieren. Feindlich Akteure von außerhalb könnten die Vulnerabilität nutzen und die EU möglicherweise angreifen.
Fazit: Heikel und deshalb gut vorbereitet
Italien ist verfassungstechnisch gut gerüstet, um selbst extreme politische Ausnahmesituationen aufzufangen. Doch der Verlust einer Ministerpräsidentin mitten in der Legislaturperiode wäre ein tiefer Einschnitt für das Land und all seine Verbündeten.
Die Stabilität Italiens hängt dabei nicht nur von der Verfassung, sondern auch von der politischen Reife seiner Institutionen ab. Gerade in Zeiten globaler Krisen wäre ein kluger und schneller Umgang mit einer solchen Situation entscheidend.
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