Von: ka
Sanremo – Für den 61-jährigen ehemaligen Stadtpolizisten Alberto Muraglia geht ein jahrelanger Albtraum zu Ende. Nachdem ihn zuerst der Voruntersuchungsrichter von Imperia und vor einem Jahr das Berufungsgericht freigesprochen hatten, urteilte das Arbeitsgericht in zweiter Instanz, dass der Stadtpolizist von Sanremo in den Dienst zurückkehren kann und Anspruch auf Schadensersatz hat.
Alle Gerichte kamen zum Schluss, dass der „Stadtpolizist in Unterhosen“ zu Unrecht entlassen und des Betrugs angeklagt worden war. Für den 61-Jährigen, der auch 86 Tage in Hausarrest saß, nimmt der jahrelange Rechtsstreit ein glückliches Ende, aber wer gibt dem Stadtpolizisten, der bereits vor dem eigentlichen Beginn der Arbeit für die Gemeinde tätig war, die verlorene Lebenszeit zurück?
Für Alberto Muraglia endet ein Albtraum. Nach zwei Urteilen, die den Stadtpolizisten vom schweren Vorwurf des Betrugs zum Schaden der Gemeinde und des Staates freigesprochen hatten, verfügte der Arbeitsrichter des Berufungsgerichts von Genua auch seine Wiedereinstellung samt der Erstattung aller seiner seit seiner Entlassung angereiften Monatsgehälter.
„Glauben Sie mir, 86 Tage als Unschuldiger im Hausarrest und acht lange Jahre, in denen ich mich vor Gerichten gegen schwere Vorwürfe verteidigen musste, das würde ich nicht einmal meinen schlimmsten Feinden wünschen“, blickt der von der Justiz vollkommen rehabilitierte Stadtpolizist Alberto Muraglia auf die vergangenen acht Jahre zurück. „Der Albtraum ist vorbei. Endlich kann ich wieder meine geliebte Uniform tragen, denn es ist bewiesen, dass ich ein vorbildlicher Polizist und kein Betrüger war“, so der 61-Jährige gegenüber dem Corriere della Sera.
Der Leidensweg von Alberto Muraglia hatte im Jahr 2015 begonnen. Als „Stadtpolizist in Unterhosen“ war der heute 61-Jährige vor acht Jahren gegen seinen Willen zum Symbolbild der „Schlaumeier der Stempelkarte“ geworden. Das Bild des nur mit der Unterwäsche bekleideten Stadtpolizisten von Sanremo war damals um die halbe Welt gegangen. Im Zuge der gegen das gewohnheitsmäßige unentschuldigte Fernbleiben vom Arbeitsplatz – in Italien „Assenteismo“, zu Deutsch Absentismus genannt – gerichteten Polizeiaktion „Stachanov“ der Finanzpolizei waren im Jahr 2015 insgesamt 43 Bedienstete der Stadtgemeinde von Sanremo festgenommen und überwiegend in den Hausarrest überstellt worden. In der Folge hatten 32 Angestellte ihren Arbeitsplatz verloren.
Unter den Gekündigten hatte sich damals auch der „Stadtpolizist in Unterhosen“, Alberto Muraglia, befunden. Alberto Muraglia, der für die Kontrolle des Obst- und Gemüsemarktes verantwortlich gewesen war, war im Rahmen der Aktion der Finanzpolizei verhaftet und in den Hausarrest überstellt worden. Die Videoaufnahmen hatten Alberto Muraglia dabei gezeigt, wie er nur mit der Unterwäsche bekleidet die Stempelkarte durch das Lesegerät gezogen hatte.
„Es war schockierend. Weil das Bild von mir in Unterhosen auf allen Kanälen zu sehen war, hörte ich auf, fernzusehen“, erinnert sich Muraglia an diese für ihn schlimme Zeit. Da er in der Dienstwohnung der Gemeinde gelebt hatte, hatte er fast von einem Tag auf den anderen nicht nur seine Arbeit, sondern auch sein Zuhause verloren. „Ich habe drei Kinder, von denen eines damals im Teenageralter war. Ich musste für meine Familie sorgen. Ich krempelte die Ärmel hoch und eröffnete eine Reparaturwerkstatt“, so der 61-Jährige.
Der Stadtpolizist hatte gegen seine Entlassung aber sofort Berufung eingelegt. „Unsere Wohnung befindet sich mitten auf dem Obstmarkt. Wir haben eine Erklärung für alle beanstandeten Vorfälle“, hatte bereits vor acht Jahren seine Ehefrau zu Protokoll gegeben.
„Laut der Anklage sei ich nach dem Einstempeln wieder ins Bett zurückgekehrt. Ich hingegen war bereits vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn im Dienst. Mein Büro lag nur 15 Meter von meiner Wohnung entfernt. Um zu überprüfen, ob falschgeparkte Autos, die die termingerechte Öffnung des Marktes behindern könnten, zu entfernen seien, war ich schon am frühen Sonntagmorgen gegen 5.00 Uhr in Zivilkleidung unterwegs. Falls dies der Fall war, rief ich den Abschleppwagen und kehrte dann wieder in meine Wohnung zurück, um meine Uniform anzuziehen. Um keine Zeit zu verlieren, stempelte ich einige Mal in meiner Unterwäsche ein. Während der Prozesse konnte ich meine Arbeit mit Unterlagen belegen. Auch Kollegen sagten zu meinen Gunsten aus“, erklärt Alberto Muraglia.
„Wie für viele Fabrikarbeiter, aber auch für die Stadtpolizisten beginnt die Arbeitszeit ab dem Zeitpunkt, an dem sie den Arbeitsplatz erreichen und sich in die Umkleideräume begeben, um die Arbeitskleidung anzuziehen. Muraglia war sowohl Stadtpolizist als auch Aufseher des Obst- und Gemüsemarktes. Um 5.30 Uhr öffnete er noch bürgerlich bekleidet die Tore des Marktes. Anschließend kehrte er in seine Wohnung zurück, nahm die Uniform und zog die Stempelkarte durch das Lesegerät. Im Laufe eines Jahres wurde mein Mandant nur viermal dabei gefilmt, wie er nur mit der Unterwäsche bekleidet die Stempelkarte benutzt. Aber aus den obengenannten Gründen war alles rechtens. Das von den Ermittlern verbreitete Video war vollkommen aus seinem Sinnzusammenhang gerissen“, so der Rechtsbeistand des Stadtpolizisten, Luigi Zoboli.
„In strafrechtlicher Hinsicht war Alberto Muraglia, dem Betrug zum Schaden des Staates und die missbräuchliche Nutzung seiner Stempelkarte vorgeworfen worden waren, zuerst vom Voruntersuchungsrichter von Imperia und vor einem Jahr auch vom Berufungsgericht freigesprochen worden. Nun verfügte der Arbeitsrichter des Berufungsgerichts von Genua auch seine Wiedereinstellung samt der Erstattung aller seiner seit seiner Entlassung angereiften Bezüge. Abzüglich der Einnahmen aus seiner Tätigkeit in seiner Werkstatt dürfte meinem Mandanten ein Schadenersatz von rund 250.000 Euro zustehen“, fährt Luigi Zoboli fort.
„Abgesehen davon, dass ich nie ein ‚Schlaumeier der Stempelkarte‘ gewesen war, konnte ich während der Verhandlung beweisen, dass mir 120 Überstunden nicht angerechnet worden waren. Endlich, nach acht langen Jahren wurde mir meine Würde zurückgegeben“, freut sich Alberto Muraglia über seine Rückkehr in den Dienst.
In den meisten anderen behandelten Fällen bestätigten die Gerichte die umfangreiche Ermittlungsarbeit der Finanzpolizei, indem sie die bereits im Jahr 2016 erfolgten Entlassungen für zulässig erklärten. Für Alberto Muraglia hingegen nimmt der jahrelange Rechtsstreit ein glückliches Ende, aber wer gibt dem Stadtpolizisten, der bereits vor dem eigentlichen Beginn der Arbeit für die Gemeinde tätig war, die verlorene Lebenszeit zurück?