Von: Ivd
Neapel – Die Erde unter dem Großraum Neapel bebt. Mehr als 6.500 Erdbeben wurden allein im Jahr 2024 in der Region registriert – so viele wie seit 40 Jahren nicht mehr. Die Sorge vor einem Ausbruch des Supervulkans unter den Phlegräischen Felder ist groß, denn er gilt als der gefährlichste Vulkan Europas. Ein Ausbruch könnte weite Teile des Kontinents in eine dicke Staubschicht hüllen. Die Anzeichen dafür verdichten sich.
Die Phlegräischen Felder erstrecken sich über eine Fläche von über 100 Quadratkilometer. Auf dem Gebiet liegen zahlreiche Vulkankrater, sogenannte Calderen, von früheren Vulkanausbrüchen. Aufgrund ihrer großen Anzahl ist es nur sehr schwer möglich vorherzusagen, wo und wann ein neuerlicher Ausbruch stattfindet könnte. In den letzten 15.000 Jahren gab es 60 davon. Dabei hatte sich die afrikanische unter die eurasische Erdplatte geschoben, was Lava durch die Erdschichten nach oben gedrückt hat.
Size does matter
Handelt es sich um einen kleineren Ausbruch, sind vor allem die Gebiete um den Vulkan gefährdet. In seinem Einzugsgebiet liegen unter anderem die Großstädte Pozzuoli in der roten Zone – hier besteht akute Lebensgefahr durch austretende Lava und Gase – und Neapel in der gelben Zone – hier besteht die Gefahr vor allem durch herabfallende Asche. Beide Zonen müssten im Fall eines Ausbruchs umgehend evakuiert werden. Rund eine Million Mensch müssten ihre Heimat spontan verlassen.
Handelt es sich jedoch um einen großen Ausbruch, hätte das katastrophale Folgen für weite Teile Europas. Beim schwersten Ausbruch vor 39.000 Jahren wurden so große Mengen Aschemengen in die Atmosphäre geschleudert, dass Zentral- und Osteuropa unter einer einen Meter dicken Staubschicht begraben war und die globale Temperatur um mehrere Grad sank. Der Ausbruch entsprach einem Vulkanexplosivitätsindex von sechs bis sieben. Der Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 nach Christus, der zum Untergang des Reichs Pompeji führte, erreichte dagegen nur Stufe fünf.
Boden hob sich 80 mal so schnell
Der anfängliche Vorteil eines großen Ausbruchs besteht darin, dass er sich rechtzeitig ankündigt. Die Phlegräischen Felder gelten als der am besten überwachte Vulkan der Welt. Jede noch so kleine Änderung der Temperaturen der austretenden Gase und der Bodenhebung werde von einer Vielzahl von Messgeräten erfasst und von Forschenden des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie (INGV) ausgewertet. Bei seinem letzten schweren Ausbruch vor 15.000 Jahren hob sich die Erde vorher innerhalb eines Monats um zehn Meter.
Die permanente Hebung der Erde ist völlig normal. In der Phase von 2005 bis 2023 hob sich die Erde im Schnitt um etwa 15 Zentimeter jährlich. Im September 2023 kam es jedoch in Pozzuoli vermehrt zu Erdbeben und die Erde unter der Stadt hob sich innerhalb von nur drei Tagen um zehn Millimeter. Normalerweise hätte sich die Erde in diesem Zeitraum aber nur um 0,125 Millimeter heben dürfen, also ist sie um das 80-Fache schneller gestiegen als gewöhnlich. Ab April 2024 intensivierten sich die Erbeben nochmal – unter anderem das schwerste seit 40 Jahren.
Besorgnis bei Experten
Forschende sind daher besorgt. Die erhöhte seismische Aktivität könnte auf einen kurz bevorstehenden Ausbruch hindeuten. Allerdings schließen die Forscher einen schweren Ausbruch vorerst aus, da die Anzeichen noch nicht vorhanden sind. Allerdings müssen sich die Forschenden des INGV der Frage widmen, wann sie die Reißleine für den Fall eines kleineren Ausbruchs ziehen. Diese sind deutlich schwerer vorherzusagen und aktuell ist die Erde sehr aktiv.
Wie die Forschenden sich auch entscheiden werden: Ein Ausbruch würde die beliebte Urlaubsregion stark erschüttern. Für die Menschen in Neapel und Umgebung bleibt nur die Hoffnung, dass die Wissenschaftler den entscheidenden Moment rechtzeitig erkennen – und dass genügend Zeit bleibt, um eine der dicht besiedelten Regionen Europas vor einer Katastrophe zu bewahren.
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