Angestellter hoher Schadenersatz zugesprochen

Wegen Partyfotos gefeuert: Arbeitgeber und „Freundinnen“ verurteilt

Donnerstag, 07. September 2023 | 08:05 Uhr

Von: ka

Lucca – In der toskanischen Stadt Lucca fällte ein Arbeitsgericht ein Urteil, das von vielen italienischen Rechtsexperten als bahnbrechend erachtet wird. Sowohl die beiden Arbeitskolleginnen, die von einer Angestellten gewagte Partyfotos geschossen und verbreitet hatten, als auch der Arbeitgeber, der die Frau wegen derselben Fotos entlassen hatte, wurden nicht nur zu Schadenersatz, sondern auch zur Zahlung aller Rechts- und Prozessspesen verurteilt.

Trotz der Aufforderung der Frau, die pikanten Fotos sofort zu löschen, hatten ihre beiden Arbeitskolleginnen die Fotos an ihren Vorgesetzten weitergereicht, woraufhin ihr Arbeitgeber gegen sie ein Disziplinarverfahren eingeleitet hatte. Die Rache der Frau war aber fürchterlich. Das von der Angestellten angestrengte mehrjährige Straf-, Zivil- und Arbeitsgerichtsverfahren endete für den Arbeitgeber sowie für ihre beiden „Freundinnen“ mit Verurteilungen und hohen Schadenersatzzahlungen.

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Die Geschichte der folgenreichen Büroparty begann im Jahr 2016. Eine Frau erschien zum Fest, das von einigen ihrer Arbeitskollegen in den Büroräumen einer Firma organisiert worden war, verkleidet als Krankenschwester. Inmitten der ausgelassenen Partyatmosphäre, zwischen Getränken und Gelächter, schossen einige ihrer Kolleginnen von ihr einige Fotos, die sie angeblich in einer „gewagten“ Pose zeigen sollen. In Feierstimmung und gut gelaunt ließ sich die Frau ablichten, bat ihre beiden Kolleginnen daraufhin aber sofort, die Bilder nicht in Umlauf zu bringen und sie umgehend zu löschen.

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Trotz der unmissverständlichen Aufforderung dachten ihre beiden Kolleginnen aber nicht daran, sie von ihren Smartphones zu löschen, sondern verbreiteten sie unter ihre Arbeitskollegen. Es dauerte nicht lange, bis die angeblich pikanten Bilder auf dem Schreibtisch des Vorgesetzten der Frau und auf jenen ihres Chefs landeten.

In der Folge leitete das Unternehmen gegen die Frau ein Disziplinarverfahren ein. Nachdem die Unternehmensleitung festgestellt hatte, dass die ausgelassene Feier in den Büroräumen der Firma stattgefunden hatte und sie zum Schluss gekommen war, dass diese Aufnahmen nicht mit einem Arbeitsumfeld vereinbar waren, erhielt die Frau die Kündigung.

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Allerdings hatten sie die Rechnung ohne die kämpferische Frau gemacht. Nach ihrer Entlassung strengte die Angestellte gegen ihren früheren Arbeitgeber sowie gegen ihre beiden „Freundinnen“ ein Straf-, ein Zivil- und ein Arbeitsgerichtsverfahren an. Im Laufe der letzten sieben Jahre kam es vor verschiedenen Gerichten zu mehreren Prozessen. Während das von der Frau eingeleitete Strafverfahren nach der Abweisung durch den Voruntersuchungsrichter als abgeschlossen gilt, endete das Verfahren vor dem Arbeitsgericht in Lucca, das auf den Einspruch der Angestellten gegen ihre Entlassung zurückgeht, mit einem Sieg der Frau. Der Richter erklärte die Entlassung der Frau für unrechtmäßig und sprach ihr eine vorläufige Entschädigung in der Höhe von rund 25 Monatsgehältern zu. Obwohl der Richter verfügte, dass die Frau zu ihrem früheren Arbeitsplatz zurückkehren könne, verzichtete die Frau darauf, erneut für ihren früheren Arbeitgeber zu arbeiten.

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Auch das Zivilverfahren endete mit einem Erfolg des Opfers und mit einem Schuldspruch der beiden „Freundinnen“. Das Gericht, das die Veröffentlichung der Bilder als unrechtmäßig ansah, befand, dass die Frau durch die Weiterleitung und Verbreitung der Fotos einen „Imageschaden“ sowie „psychologische Schäden“ erlitten hatte. Während der Frau für diese Nachteile eine Entschädigung von 6.000 Euro zugesprochen wurde, wurden die beiden Kolleginnen gleich wie ihr Arbeitgeber im Nachbarverfahren zur Begleichung aller Prozess- und Gerichtskosten verurteilt.

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Im Laufe der verschiedenen Gerichtsverfahren stellte sich heraus, dass eine der beiden angeklagten Kolleginnen diejenige gewesen war, die die Fotos geschossen und sie an das Personalbüro der Firma weitergeleitet hatte. Die andere hingegen hatte, nachdem sie in den Besitz der Fotos gekommen war, diese dem Büroleiter übergeben. Während des Prozesses kam auch heraus, dass das Opfer ihre ehemaligen Kolleginnen wiederholt dazu aufgefordert hatte, die belastenden Fotos zu löschen. Dieser Bitte waren sie aber nie nachgekommen.

Vielmehr hatten die beiden „Freundinnen“ die angeblich pikanten Fotos dazu missbraucht, ihre Kollegin bei ihren Vorgesetzten anzuschwärzen. Dies erweist sich nun als schwerer Fehler, der ihnen teuer zu stehen kommt. Zwischen der Entschädigung und den Verfahrens- und Anwaltskosten für mehrere Verfahren, die jene der Gegenpartei miteinschließen, dürfte sich der Betrag, den die beiden Frauen jetzt begleichen müssen, im höheren fünfstelligen Bereich bewegen.

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Italienische Rechtsexperten bezeichnen das Urteil des Gerichts von Lucca als bahnbrechend. Der Richterspruch – so diese Stimmen – stärkt die Rechte von Betroffenen und unterstreicht das Verbot der Weiterleitung von Bildern und Videos ohne das Einverständnis der Abgebildeten. Jene schrecklichen Fälle, bei denen Sexting und Rachepornos zu Tragödien führten, dürften die italienische Gerichtsbarkeit für diese Problematiken sensibilisiert und in der Folge dazu bewogen haben, auch bei weit weniger krassen Fällen von Fotomissbrauch entsprechende Urteile zu fällen.