Von: ka
Turin – Eine richterliche Entscheidung, die eine wegen Stalking angezeigte Ehefrau freisprach, sorgt in Italien für lebhafte Diskussionen. Das Pikante an der Sache ist, dass das Verfahren die Liebhaberin des Ehemannes der Frau angestrengt hatte. Aber der Reihe nach.
Eine Ehefrau musste eines Tages feststellen, dass ihr Mann den gemeinsamen Sohn weniger aus väterlicher Pflicht täglich zum Kinderhort gebracht hatte, sondern vielmehr, weil er mit einer der Kindergärtnerinnen ein Verhältnis begonnen hatte. Unvorsichtigerweise hatte die Kindergärtnerin dem Mann zu Silvester eine Glückwunsch-SMS mit eindeutigem Inhalt geschickt, sodass die Untreue des Ehemannes ans Licht kam. Wie nicht anders zu erwarten, war die Ehefrau außer sich. Ihre erste Entscheidung war, den Mann aus dem Haus zu werfen Er musste den Jahreswechsel in einem Hotel verbringen und hatte dabei genug Gelegenheit, über seine zerstörte Familie nachzudenken.
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Aber die Rache seiner Frau war noch lange nicht gestillt. Am ersten Öffnungstag nach den Ferien brachte sie zuerst ihren Sohn zum Hort. Daraufhin verlangte sie mit der Verantwortlichen des Kinderhortes zu sprechen, der sie die ganze Geschichte schilderte. Die Konsequenz war, dass die Kindergärtnerin, die nur auf Probe angestellt war, entlassen wurde. Aber die gehörnte Ehefrau hatte noch immer nicht genug. Über zwei Wochen hinweg „verfolgte“ sie weiterhin die Liebhaberin ihres Mannes und traf sie „zufälligerweise“ immer wieder, sodass die Kindergärtnerin, die ihretwegen die Arbeit verloren hatte, es mit der Angst zu tun bekam. Einmal fuhr die Ehefrau die Rivalin an: „Gehe ruhig noch spazieren. Aber sei sicher, dass ich früher oder später alles deinem Mann erzählen werde. Aber nicht jetzt. Das werde ich dann tun, wann du es am wenigsten erwarten wirst.“ Andere Male hingegen beleidigte sie die Liebhaberin schwer, indem sie sie eine „p…..a“(N…e, Anmerkung der Redaktion) hieß.
Nach zwei Wochen hatte die schwer angeschlagene und verängstigte Liebhaberin genug und zeigte die Ehefrau wegen Stalkings an. Laut Anzeige hatte das Verhalten der betrogenen Ehefrau bei der Liebhaberin Angstgefühle und Beklommenheit ausgelöst. Mittlerweile lebte die Liebhaberin – so die ihre Anwältin – mit der Angst, die Ehefrau zu treffen.
Der Staatsanwalt Francesco Pelosi sah das aber ganz anders. Nach einer Überprüfung der Sachlage entschied er, für den Fall der betrogenen Ehefrau die Archivierung zu beantragen. Laut seiner Begründung, sei alles, was in den letzten zwei Wochen stattgefunden habe, noch innerhalb der Grenzen einer „normalen“ Reaktion auf den Schock des entdeckten Ehebetrugs gewesen. Die Wut, die Beschimpfungen und die Androhung, in Zukunft alles ihrem Mann zu erzählen, seien aufgrund ihres gebrochenen Herzens verständlich. Es handelt sich dabei – so der Generalstaatsanwalt – um ein zeitlich eng begrenztes Benehmen. Anders läge der Fall, wenn die Ehefrau mit diesem Verhalten fortfahren würde.
Aber die Kindergärtnerin gab sich nicht geschlagen und ficht den Antrag auf Archivierung an.
Das Empfinden und die Gefühle der Ehefrau – so die Anwältin der Liebhaberin, Anna Ronfani – mögen zwar gerechtfertigt sein, ihr Benehmen sei es aber sicherlich nicht. „Für den Strafbestand des Stalkings genügen zwei Vorfälle, die die Eigenschaften der Bedrohung, Gewalt und Belästigung aufweisen. In 15 Tagen ist es zu einer ganzen Reihe von Vorfällen dieser Art gekommen, die die Lebensgewohnheiten meiner Klientin verändert haben. Es gibt Grenzen, die nicht verletzt werden dürfen und die das Gesetz nicht verändern soll, wenn man nicht jeglicher Reaktion Tür und Tor öffnen will“, so die Anwältin weiter.
Nun muss die Voruntersuchungsrichterin Arianna Busato entscheiden, wo die Grenze zwischen verständlicher Wut und Straftat liegt.
Aber wo würden diese Grenze unsere Leser setzen?