Paar verurteilt – Familie mit Kindern über ein Jahr lang verfolgt

Wegweisend: Drei Jahre Kerkerhaft für Stalking im Mehrfamilienhaus

Donnerstag, 22. März 2018 | 07:57 Uhr

Von: ka

Monza – In einem Streitfall in einem Mehrfamilienhaus in Monza, einer Stadt in der Nähe von Mailand in der Lombardei, fällte ein Gericht ein strenges Urteil. Ein Paar, das eine junge Familie mit Kindern über ein Jahr lang auf jegliche Art und Weise verfolgt hatte, wurde zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt.

Das Stalking begann im Jahr 2013, als unglücklicherweise einige Krümel Cracker aus der Wohnung der Familie mit Kindern auf die Terrasse des verurteilten Paars fielen. Ab diesem Zeitpunkt machte das Paar, ein 49-jähriger Mann und eine 45-jährige Frau, der Familie das Leben zur Hölle. Mit der Zeit eskalierte das Stalking, dem die Familie vonseiten des Paars ausgesetzt wurde, immer mehr.

Twitter/Monza

Zuerst wurde die junge Familie vom Paar mit übelsten Schimpfworten bedacht, wobei der 49-Jährige und die 45-Jährige nicht einmal vor den kleinen Kindern haltmachten. Die Kinder wurden vom Paar unter anderem „Flittchen“ und „Besessene, die man die Stiege runterstoßen sollte“ genannt. Außerdem rief das Paar immer wieder den Aufzug, sodass ihn die Familie nicht nutzen konnte. Die Verfolgung der Familie durch das Paar nahm mit der Zeit immer kriminellere Formen an. Es wurde die Wohnungstür der Familie mit obszönen Schmierereien verschandelt oder das Türschloss mit Sekundenkleber verschlossen. Am Ende wurde mitten in der Nacht der Stromversorgungskabel der Wohnung der Familie durchschnitten. Eine Überwachungskamera, die von der Familie im Stiegenhaus aufgestellt worden war, nahm den Nachbarn mit der Schere in der Hand auf, wie er sich vor dem Eingangsbereich der Wohnung der Familie bewegte. Als der Nachbar die Überwachungskamera bemerkte, regte er sich darüber auf und meinte, dass sie seine Privatsphäre stören würde.

Das Zusammenleben im Mehrfamilienhaus wurde immer schwieriger. Wegen der „Empfindlichkeit“ der Nachbarn ging die Familie sogar so weit, am Wochenende die Wohnung nicht mehr zu verlassen oder darauf zu verzichten, Freunde und Verwandte zu sich einzuladen. Der ständigen Vorfälle überdrüssig geworden, beschloss die Familie ein Jahr später, die Wohnung zu verkaufen und Wohnsitz zu wechseln. Zuvor aber zeigte die Familie das Paar bei der Quästur an.

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Die Einzelrichterin in Strafsachen des Gerichts von Monza, Angela Colella, hob im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hervor, dass die Familie in keinem der Fälle unangemessen auf die Bedrohungen und Belästigungen des Paars reagiert hätte, sondern – wie Zeugen und Nachbarn bestätigten – eher zu nachgiebig gewesen sei. Die Wohnsitzänderung, so die Richterin weiter, sei allein auf „das vom Paar durch ihre unverständlichen und andauernden Schikanen verursachte Klima der Angst zurückzuführen“. Laut Ansicht des Gerichts von Monza erfüllen die Handlungen des Paars gegenüber der Familie den Tatbestand des Stalkings, der laut italienischem Strafgesetzbuch mit einer Haftstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren geahndet wird.

Wegen der Schwere der Vorfälle, welche über einen längeren Zeitraum begangen worden waren, setzte die Richterin das Strafmaß auf drei Jahre fest. Sollte das Strafmaß so auch in den nächsten Instanzen beibehalten werden, müssen der 49-Jährige und die 45-Jährige die Strafe in einer Haftanstalt verbüßen. Laut Gesetz können nur Haftstrafen von bis zu zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Zudem ließ die Richterin – abgesehen von der Unbescholtenheit der Angeklagten – keine mildernden Umstände gelten.

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Des Weiteren sprach die Richterin der Familie, welche sich dem Verfahren als Zivilpartei angeschlossen hatte, einen vorläufigen Schadenersatz von 15.000 Euro zu. Der endgültige Schadenersatz, der in diesem Fall weit höher ausfallen dürfte, muss erst noch in einem getrennten Gerichtsverfahren festgestellt werden.

Das strenge Urteil der Richterin löste weit über Justizkreise hinaus rege Diskussionen aus. Die meisten Wortmeldungen begrüßten die Entscheidung der Richterin in einem Fall von massivem Stalking und strafbaren Handlungen, die sich auch gegen Kinder richteten, ein klares Zeichen gesetzt zu haben.

Wie auch immer man zum Urteil steht, eines ist sicher: Ein ausgearteter Kondominiumsstreit kann teuer zu stehen kommen.