Von: ka
Turin – Der Streit um den Nachlass der im Alter von 71 Jahren verstorbenen Maria Giuseppina Rista, die von allen nur Pinuccia genannt wurde und von der niemand ahnte, dass sie über ein so großes Vermögen verfügte, sorgt in ganz Italien für Aufsehen.
Nicht weniger als fünf Erben streiten sich um ihren Nachlass, der sich zwischen Immobilien und Girokonten auf über fünf Millionen Euro belaufen soll. Traurig ist, dass die Frau, die in einem alten Haus im Turiner Stadtteil Vanchiglietta lebte, ihre letzten Lebensmonate völlig allein und unter katastrophalen hygienischen Bedingungen verbringen musste.

Ein Erbstreit in Turin bietet alle Zutaten, die jedem Sherlock-Holmes-Film zur Ehre gereichen würden. Ein Vermögen von rund fünf Millionen Euro auf Girokonten und in Immobilien, zwei Testamente, vier Erben in spe, ein aufgebrochenes Schloss, ein gestohlener Terminkalender, Bankbewegungen „post mortem“ und eine unmögliche Liebe, die sich nur auf den Seiten eines Tagebuchs niedergeschlagen hat, sind die Hauptzutaten des Krimis, der sich um das Millionenerbe von Maria Giuseppina „Pinuccia“ Rista dreht, die am 13. April 2021 auf dem Höhepunkt der Corvid-Pandemie in einem Krankenhaus in Turin starb.
Pinuccia, die selbst keine Kinder hatte, war die Tochter wohlhabender Turiner Kaufleute. Die alte Dame, die sehr misstrauisch war und fast niemanden in ihr Haus ließ, litt unter zahlreichen gesundheitlichen Problemen. Um die Verwaltung ihres umfangreichen Vermögens kümmerte sie sich jedoch stets selbst. Sie führte genau Buch über alle Einnahmen und Ausgaben und notierte alle Zahlen handschriftlich in Tagebüchern. Obwohl sie eineinhalb Millionen Euro auf der Bank hatte, war sie selbst bei kleinen Ausgaben sehr sparsam, berichtet der Corriere di Torino.
Pinuccias Bankdirektor erfuhr erst im September von ihrem Tod, als er die Eröffnung eines Onlinekontos auf den Namen Giuseppina Rista und die Überweisung von 12.000 Euro an einen rumänischen Karosseriebauer bemerkte. Die Tatsache, dass Pinuccia nicht mit dem Internet vertraut war und kein Auto besaß, machte ihn sofort stutzig. Als er die neue Telefonnummer auf der Karte wählte, meldete sich eine junge Frau und sagte, sie sei „die Pflegerin der Dame, die gerade nicht sprechen kann“.
Der Bankdirektor erstattete sofort Anzeige. Die anschließenden polizeilichen Ermittlungen führten zu einem Strafverfahren gegen den 56-jährigen Autohändler E. aus Turin. E., den Pinuccia in einem Terminkalender niedergeschriebenen Testament als ihren Universalerben eingesetzt hatte, muss sich demnächst zusammen mit drei Rumänen wegen Übervorteilen einer Arglosen, Betrugs und Annahme einer falschen Identität erneut vor Gericht verantworten.
Laut der Staatsanwaltschaft soll er die Rentnerin dazu überredet haben, das Testament zu verfassen, das zwar von einem kalligrafischen Sachverständigen als echt anerkannt wurde, aber nach dem erstinstanzlichen Urteil des Zivilgerichts wegen des fehlenden Datums ungültig ist. Darüber hinaus soll er am 22. September 2021 mithilfe der drei Rumänen unter Verwendung ihres Personalausweises und einer gefälschten Unterschrift ein Onlinekonto auf den Namen der Verstorbenen eröffnet und eine Überweisung von mehr als 15.000 Euro zugunsten eines rumänischen Karosseriebauers getätigt haben.

Der 56-Jährige, der Pinuccia während eines Krankenhausaufenthalts kennengelernt hatte und sie gelegentlich besuchte, um ihr „Gesellschaft zu leisten“, erfuhr nach eigener Aussage „zufällig“ von Nachbarn von Pinuccias Tod. Laut seiner Darstellung betrat E. Pinuccias Haus mit einem Schlüsselbund, den ihm die Verstorbene gegeben hatte. Angeblich auf der Suche nach einem Foto, das er auf ihr Grab legen wollte, fand er ein altes Tagebuch, das sein Leben verändern sollte.
Auf einer Seite des Tagebuchs, auf der die alte Dame die Covid-Toten des Dezembers 2020 notiert hatte, stand ein handgeschriebenes Testament: „Ich hoffe, es trifft mich nicht, denn ich bin allein. Wenn ich sterbe, hinterlasse ich alles E., dem einzigen Menschen, der mir immer geholfen hat“. Auf einer anderen Seite entdeckt er dagegen ein Liebesgeständnis: „Jungfrau, hilf mir mit E., denn ich liebe ihn so sehr. Mach, dass er mich auch liebt.“
Der Autohändler maß dem Fund zunächst keine große Bedeutung bei, doch als ihm klar wurde, dass er ein Vermögen in den Händen hielt, wandte er sich an einen Notar und machte das Testament öffentlich. Da der Verwalter einer Eigentumswohnung, der der verstorbenen Rentnerin eine Zahlungsaufforderung geschickt und dadurch von ihrem Tod erfahren hatte, die Bestellung eines Nachlassverwalters durchsetzte, kam der Autohändler nicht an Pinuccias Erbe heran. Zu seinem Pech ordnete das Gericht die Beschlagnahmung des Nachlasses an.

Seine Darstellung überzeugte die Ermittler jedoch nicht. Als der vom Gericht eingesetzte Nachlassverwalter am 27. September 2021 das Haus betrat, stellte er fest, dass das Vorhängeschloss an der Tür und das Türschloss aufgebrochen waren. Jemand war bereits im Haus gewesen, hatte alles durchwühlt und sogar das Bett verschoben. Dazu wäre die 71-Jährige, die sehr schwach war und kaum noch gehen konnte, nicht imstande gewesen.
Wenig überraschend erhoben in der Zwischenzeit weitere Erben in spe Anspruch auf das Vermögen der Frau. Eine Mieterin von Pinuccia behauptete, im Briefkasten ihres Geschäfts eine Seite aus dem Tagebuch vom 13. März 2021 gefunden zu haben, in dem die 71-Jährige ihr ein ganzes Haus im Stadtteil Precollina mit zwölf Wohnungen vermacht hatte. Das kalligrafische Gutachten bestätigte die Echtheit auch dieser Seite des von der Mieterin veröffentlichten und bisher noch nicht angefochtenen Testaments.
Zwei Cousins vierten Grades und eine Nichte der Erblasserin traten in den Erbstreit ein, um wenigstens einen Teil des Millionenvermögens zu erhalten. Die Frau, die in der Nähe von Cuneo lebt, wandte sich schriftlich an das Gericht und bat darum, in dieser Angelegenheit gehört zu werden. Sie gab an, dass Pinuccia ihr im letzten Telefongespräch vor ihrem Tod versprochen habe, ihr die Wohnung über der Wohnung ihrer Familie zu vermachen.

Sie erzählte der Polizei auch, dass sie E., den sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte, am 7. November 2021 zusammen mit zwei weiteren Personen auf dem Treppenabsatz ihres Hauses getroffen habe. Er habe eine Werkzeugkiste bei sich gehabt, sei auf der Suche nach einer Wohnung gewesen, die Frau Rista gehört hat, und habe sich als ihr Erbe vorgestellt.
Das Gericht wird Licht in den verworrenen Erbstreit bringen, denn in wenigen Wochen beginnt der Strafprozess gegen E. und die drei Mitangeklagten. Zivilrechtlich hat das erstinstanzliche Urteil den beiden entfernten Cousins von Maria Giuseppina Rista Recht gegeben, doch bis klar ist, wer das Erbe erhält, wird es noch lange dauern. Gemeinsam ist ihnen nur, dass keiner von ihnen etwas vom Millionenvermögen der alten Dame ahnte. „Wusstest du, dass Pinuccia so viel Geld hatte?“, scheinen ihre fragenden Mienen zu sagen.
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