Von: ka
Bologna – Dass die Einführung von Tempo-30 im Stadtverkehr, die erst vor Kurzem von Bolognas Stadtvätern beschlossen wurde, bei den Autonutzern auf wenig Gegenliebe stoßen würde, ist wahrlich keine Überraschung, aber dass sie selbst von den Stadtpolizisten kritisch gesehen wird, befremdet dann doch.
Gegenüber der Ausgabe von Bologna des Corriere della Sera lässt eine lieber anonym bleibende Stadtpolizistin ihrem Ärger freien Lauf. „Wir werden gezwungen, nutzlose und hysterische Kontrollen durchzuführen. Die manchmal unklare Beschilderung führt dazu, dass die Bürger verwirrt sind. Da jeder weiß, wo wir stehen, ist es dennoch schwierig, ein Bußgeld zu erhalten“, so die Stadtpolizistin.
Nach dem Beschluss der Gemeindeväter von Bologna, fast die gesamte Stadt in eine Tempo-30-Zone zu verwandeln, wird in ganz Italien heiß über Nutzen und Schaden der einschneidenden Maßnahme diskutiert. Während die meisten Autolenker Tempo-30-Zonen ablehnen, glauben Fußgänger – insbesondere Eltern schulpflichtiger Kinder – und Radfahrer, dass sich durch sie die Verkehrssicherheit erhöhen werde.
Von der Straße aus gesehen – oder zumindest aus der Perspektive derjenigen, die die neuen Vorschriften durchsetzen müssen – verliert Tempo-30 jedoch etwas von seiner zugeschriebenen rettenden Kraft. Nach den ersten Tagen intensiver Kontrollen zieht eine Stadtpolizistin, die lieber anonym bleiben möchte, ein ernüchterndes Fazit. Ihrer Ansicht nach lege die Einführung von Tempo-30 offen, was „in den letzten 15 bis 20 Jahren in Sachen Verkehrssicherheit in Bologna nicht getan wurde“.
Dem Journalisten des Corriere della Sera gewährt die Polizistin einen Einblick in ihre tägliche Arbeit. „Wir sind jeden Tag mit sechs Patrouillen im Einsatz. Da es an Personal mangelt, können wir die Anzahl der Patrouillenfahrten nicht erhöhen. Die zehn neuen Kollegen, die heuer hinzukommen sollen, reichen nicht einmal aus, um diejenigen zu ersetzen, die in den Ruhestand treten“, antwortet die Stadtpolizistin auf die Frage, wie die Kontrollen laufen.
„Eigentlich waren die Geschwindigkeitskontrollen vor Tempo-30 nicht besonders umfangreich. Wir stehen mehr oder weniger auf denselben Straßen. Ehrlich gesagt, fällt es mir schwer, in den nun getätigten Kontrollen einen Sinn zu erkennen. Weil jemand unsere Standorte weitergibt, wissen die Leute übrigens im Voraus, wo wir uns hinstellen“, erklärt die Polizistin. Die Beamtin wisse ihrer Aussage zufolge aber nicht, wer der „Maulwurf“ sei.
Auf die Frage des Journalisten, wie sie die Einführung von Tempo-30 beurteile, hat die Uniformierte eine unmissverständliche Antwort. „Sie macht mich ratlos. Eine Sache ist es, die Altstadt in eine Tempo-30-Zone zu verwandeln. In der historischen Altstadt gibt es ohnehin eine Vielzahl von Straßen, auf denen kaum 20 Kilometer pro Stunde erreicht werden können. Um den Fußgängern und Radfahrern eine größere Sicherheit zu gewährleisten, hätte es auch in der Nähe der Schulen genügt, die entsprechenden Straßen mit einigen Geschwindigkeitsschwellen zu versehen“, so die Polizistin.
„Auch weil es sich um eine Maßnahme handelt, die nicht flächendeckend angewendet wird, sind viele Autolenker verwirrt. Außerdem ist die Beschilderung nicht immer eindeutig. Manche Straßen, auf denen zunächst Tempo-40 gilt, werden nach einer Bodenschwelle zu einer Tempo-30-Straße. Noch komplizierter wird es, wenn diese dann eine weitere Straße kreuzt, wo eine zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde herrscht. Ich lächle, wenn ich den Bürgermeister sagen höre, dass man nicht auf den Tacho schauen muss, sondern sehen soll, ob wir mit dem Telelaser auf der Straße stehen“, so die Beamtin.
„In den letzten 15 bis 20 Jahren hat die Stadtpolitik unter Sicherheit vor allem den Kampf gegen die Kleinkriminalität verstanden, dabei aber vergessen, die Verkehrssicherheit ins Auge zu fassen. Weil sie uns für andere Dienstleistungen herangezogen haben, hat es immer weniger Geschwindigkeitskontrollen gegeben. Jetzt auf einmal werden wir gezwungen, nutzlose und hysterische Kontrollen durchzuführen“, erklärt die Polizistin, die die Einführung von Tempo-30 sehr kritisch sieht.
Die Beamtin bemängelt auch, dass die Stadtpolizei in den vergangenen Jahren oft als Hilfsorgan für andere Polizeikräfte eingesetzt worden sei. Dies sei geschehen, obwohl die Stadtpolizisten für solche Einsätze nicht ausreichend geschult sind. Um elektrische Roller und Fahrräder verfolgen zu können, mangle es der Stadtpolizei von Bologna zudem an elektrischen Fahrrädern, was laut der Polizistin dazu führe, dass solche Übeltäter nur selten erwischt werden.
Die Frage, warum in den ersten Tagen nur wenige Geldbußen verhängt wurden, beantwortet die Polizistin, indem sie auf die Art der Kontrollen verweist. „Jeder weiß, wo wir stehen. Da 200 Meter vor dem Telelaser ein sogenannter Infovelox (eine elektronische Geschwindigkeitsanzeige, Anmerkung der Redaktion) aufgestellt ist, gelingt es vielen Autolenkern, ihr Fahrzeug rechtzeitig abzubremsen. Es ist daher schwierig, sich ein Bußgeld einzuhandeln“, so die Beamtin.
Die Stadtpolizistin wirft auch einen Blick in die Zukunft. „Ich denke, der Bürgermeister wird irgendwann einige Tempo-30-Bereiche überprüfen und dann mehrere Maßnahmen zurücknehmen. Meiner Ansicht nach wäre es besser gewesen, mit der Einführung dieser Zonen zumindest bis zum Bau der Straßenbahnen zu warten“, meint die Stadtpolizistin.
Mit wirksamen Kontrollen der bisher geltenden Geschwindigkeitsbeschränkungen, die von vielen weiteren Maßnahmen begleitet werden könnten, so scheint es, wäre der Verkehrssicherheit wahrscheinlich mehr gedient als mit der publikumswirksamen Einführung von großen Tempo-30-Zonen.