Heftige Polemiken um Abzocke in italienischen Restaurants

„Zwei Euro extra für den leeren Teller eines Mädchens“

Donnerstag, 10. August 2023 | 07:07 Uhr

Von: ka

Finale Ligure/Como/Rom – Das Gebaren eines Restaurantinhabers einer Mutter, die ihre dreijährige Tochter von ihrem Nudelgericht kosten lassen wollte, für den zusätzlichen leeren Extrateller zwei Euro zu berechnen, sorgt im sommerlichen Italien für heftige Polemiken.

Die römische Sterneköchin Cristina Bowerman geht mit solchen Praktiken hart ins Gericht. Die Unsitte gewisser italienischer Gastronomen, für solch kleine Services zusätzlich ein, zwei oder drei Euro zu verlangen, schade dem guten Ruf der italienischen Küche und Gastronomie. Statt dem guten Essen – so Cristina Bowerman – bleibe beim Gast der schlechte Eindruck der Abzocke hängen, was im Netz eine Flut von negativen Rezensionen auslöse.

Instagram/Selvaggia Lucarelli

Nach den zwei Euro, die von Touristen in einer Bar in Como verlangt wurden, nur weil sie darum gebeten hatten, ein Stück Toast in zwei Hälften schneiden zu lassen, sorgt nun eine Dienstleistung, die ebenfalls zwei Euro kostete und die auf dem Kassenzettel eines Restaurants in Finale Ligure auftauchte, für heftige Polemiken. Einer Mutter, die ihre dreijährige Tochter von ihren Trofie mit Pesto kosten lassen wollte, wurden für den zusätzlichen leeren Extrateller zwei Euro Extragebühr berechnet.

APA/APA/Nell & Marc Jones/Nell & Marc Jones

Die bekannte Journalistin und Kolumnistin Selvaggia Lucarelli, die in der Vergangenheit bereits mehrere fragwürdige Praktiken von Gastronomiebetrieben und Konditoreien kritisiert hatte, veröffentlichte den Kassazettel mit dem merkwürdigen Aufpreis auf ihrem Instagram-Profil. „Ligurien, ein Teller Trofie mit Pesto für 18 Euro. Die Mutter bittet um einen kleinen Teller, damit das dreijährige Mädchen, das bereits gegessen hat, auch von dem Gericht kosten kann. Obwohl sie bereits für das Gedeck bezahlt hat, werden ihr dafür zwei Euro berechnet“, erzählt Selvaggia Lucarelli auf Instagram.

Was folgte, war ein Sturm der Entrüstung. Über die Inhaber des Lokals ergoss sich ein wahrer Shitstorm. Viele Kommentatoren gingen mit der Praxis, solche „Aufpreise“ zu verlangen, hart ins Gericht. In den in den sozialen Netzwerken geposteten Einträgen wurden die Inhaber der Abzockerei bezichtigt und als herzlose „Hungerleider“ bezeichnet. Einige Poster gingen sogar so weit, die Touristen zum Boykott des Lokals aufzurufen. Einige Nutzer nahmen den Vorfall auch zum Anlass, lustige Memes zu gestalten.

Facebook/Claudio Guaraldi

Der Sohn der Lokalinhaber wehrt sich. „Wir sind ein kleines Lokal mit nur fünf Tischen. Es kommt oft vor, dass sich drei oder mehr Leute an einen Tisch setzen, um sich die Tellergerichte zu teilen“, so der Sohn, der beteuert, dass der Aufpreis für einen leeren Zusatzteller klar auf der Speisekarte angegeben sei. „Meine Mutter steht jeden Tag um 6.00 Uhr morgens auf, um sich um die Küche zu kümmern. Es hätte uns mehr leidgetan, wenn sie geschrieben hätten, dass sie schlecht gegessen haben. Das hätte uns missfallen“, antwortet der Sohn auf die Frage des Journalisten, ob ihm und seinen Eltern der Shitstorm nahegehe.

Seine Mutter, Ida Germano, fügt hinzu, dass sie dem Ehepaar vier leere Teller gebracht habe. „Die Kunden wissen, dass es für uns eine zusätzliche Arbeit ist“, so die 76-jährige Besitzerin der Osteria del Cavolo in Finale Ligure. Ida Germano erwägt, gegen die Flut von negativen Rezensionen ihres Lokals rechtliche Schritte zu ergreifen.

APA/APA/AFP/ANDREA PATTARO

Die römische Sterneköchin Cristina Bowerman kann solchen Gedanken wenig abgewinnen. Nach ihrer Ansicht hat die Inhaberin Unrecht. Nicht etwa, weil sie als Geschäftsfrau nicht die Freiheit besitze, für ihre Leistungen jenen Preis zu verlangen, den sie für richtig hält, sondern weil die fragwürdige Praxis, für solch kleine Services zusätzlich ein, zwei oder drei Euro zu verlangen, dem Ansehen der italienischen Gastronomie Schaden zufüge.

APA/APA (AFP)/ANDREAS SOLARO

„Die italienische Gastronomie hat gerade erst die pandemiebedingte Krise überwunden. Ruinieren wir nicht alles wegen zwei Euro für einen leeren Teller“, meint Cristina Bowerman.

Instagram/cristinabowermanchef

Die römische Sterneköchin kritisiert, dass viele italienische Gastronomen trotz ihrer Netzaffinität selbst nach Jahren noch immer nicht verstünden, wie negativ sich solche kleinen „Schlaumeiereien“ auf das Image eines Lokals auswirken. Diese kleinen Abzockereien – so Cristina Bowerman – würden sich negativ auf eine ganze Stadt, eine Region oder sogar ein ganzes Land abfärben. Auch ein Gruß aus der Küche koste dem Lokalinhaber Geld, er wird dem Gast aber nicht berechnet, merkt die bekannte Sterneköchin an.

SNews/ka

„Die italienische Gastronomie, vom Norden bis zum Süden, besitzt einen immensen Wert. Nicht nur wegen der objektiven Güte ihrer Küche, sondern auch wegen ihrer unglaublichen Anziehungskraft als eine der wichtigsten Triebfedern unseres Tourismus – die Erlebnisgastronomie und der Weintourismus – ist dieser wahre Schatz, den Italien besitzt, kaum mit Worten zu beschreiben. Wir sollten ihn nicht mit Unsitten vergeuden, die im Internet höhere Wellen schlagen als das tägliche Werk vieler ehrlicher und talentierter Gastronomen, die für ein Kind nicht nur umsonst einen Teller zum Tisch bringen, sondern ihre Gäste sogar mit einer kleinen Aufmerksamkeit überraschen“, findet Cristina Bowerman unmissverständliche Worte.