Von: ka
Neapel/Mailand – Die Hoffnungen der italienischen Behörden, dass die vielen Warnungen, mit Feuerwerkskörpern vorsichtig umzugehen, endlich fruchten würden, haben sich leider nicht erfüllt.
Verglichen mit der Silvesternacht vor einem Jahr wurde von den Krankenhäusern und Ordnungskräften heuer sogar eine größere Zahl von Verletzten und Verstümmelten gemeldet. Schlimm ist, dass nicht „nur“ zwei Todesopfer beklagt werden müssen, sondern auch, dass aus gleich mehreren italienischen Städten regelrechte Straßenschlachten samt Angriffen auf die Ordnungskräfte gemeldet wurden.
Der Ort, an dem die meisten Unfälle geschahen, war auch heuer wiederum die süditalienische Metropole Neapel, in deren Nähe, in Afragola, sich auch ein Todesfall ereignete. Eine Frau, die 55-jährige Concetta Russo, die in ihrem Haus mit Freunden und Verwandten feierte, wurde kurz vor dem Jahreswechsel von einer Kugel getroffen, die von der Pistole ihres Neffen stammte. Für sie kam jede Hilfe zu spät. Trotz der Bemühungen der Ärzte, ihr Leben zu retten, erlag sie im Krankenhaus Cardarelli von Neapel ihrer schweren Kopfverletzung.
Der Neffe des Opfers, der 46-jährige Gaetano Santaniello, der mehrere Stunden nach der Tat von den Carabinieri festgenommen wurde, ist geständig. Gaetano Santaniello, der keinen regulären Waffenschein besitzt, habe seiner Aussage zufolge die als gestohlen gemeldete Pistole – eine Beretta Modello 84F – eigens für die Silvesterfeier illegal auf dem Schwarzmarkt erworben. Der 46-Jährige beteuert, dass es nicht seine Absicht gewesen sei, Concetta Russo zu töten, und er vor der Feier alle Patronen aus dem Magazin entfernt, dabei aber die noch im Lauf verbliebene Patrone offensichtlich übersehen habe. Einer Rekonstruktion des Tathergangs zufolge habe sich der Schuss gelöst, als er die Waffe seinen Verwandten zeigen wollte. Santaniello sitzt nun wegen Totschlags, illegalen Besitzes und Führens einer Schusswaffe sowie wegen Hehlerei im Gefängnis.
Anderen Opfern, die von verirrten Kugeln getroffen wurden, die zumeist von illegalen Schusswaffen stammten, blieb nur durch viel Glück das traurige Schicksal der 55-jährigen Mutter zweier Söhne aus Afragola erspart. Ein 26-jähriger Mann, der in Caserta im Bereich der Schläfe von einer Kugel verletzt wurde, sowie eine 49-jährige Frau aus Neapel, die im Bauchbereich eine Kugel abbekam, als sie auf dem Balkon ihrer Wohnung dem Feuerwerk beiwohnte, sollen laut letzten Meldungen nicht mehr in Lebensgefahr schweben.
Ein schlimmer Vorfall ereignete sich auch in Cagliari auf Sardinien. Nachdem es zwischen drei Männern zu einem Streit gekommen war, zog einer von ihnen ein Messer und stach es einem 22-Jährigen in die Bauchgegend. Der junge Mann wurde mit einer schweren Stichverletzung ins Krankenhaus eingeliefert, er soll aber außer Lebensgefahr sein.
Weniger Glück hatte Ezekiel Mendoza Gutierrez. Der 31-jährige Italiener dominikanischer Herkunft wurde nach einer Silvesterparty am frühen Neujahrsmorgen im Laufe einer Auseinandersetzung von einem Unbekannten mit einer zerbrochenen Glasflasche am Hals tödlich verletzt. Ezekiel Mendoza Gutierrez verblutete innerhalb weniger Minuten. Der mutmaßliche Täter, der ebenfalls dominikanischer Abstammung sein soll, wurde noch am Vormittag des Neujahrstags am Grenzübergang von Tarvisio verhaftet.
Insgesamt wurden in der Silvesternacht 274 Verletzte gemeldet, wobei die meisten Verletzungen – 262 an der Zahl – auf unsachgemäßen und leichtsinnigen Umgang mit Feuerwerkskörpern zurückzuführen waren. In ganz Italien – darunter auch in Trient, wo ein 27-jähriger Mann aus Moldawien durch die Explosion eines Böllers eine Hand verlor – mussten mehreren Personen, die sich bei Explosionen von Feuerwerkskörpern schwere Verletzungen zugezogen hatten, entweder mehrere Finger oder gar die ganze Hand amputiert werden.
Besonderes Pech hatte ein 22-jähriger Mann in der Ortschaft Copertino in Apulien. Dem jungen Mann, dem ein großer Knallkörper mitten zwischen den Beinen explodiert war, mussten im Krankenhaus aufgrund der erlittenen schweren Verletzungen die äußeren Genitalien entfernt werden.
Nachdem es vor einem Jahr zu Gewalttaten und sexuellen Übergriffen gekommen war, blieb es zumindest im Zentrum von Mailand heuer eher ruhig. Dank des massiven Polizeiaufgebots – insgesamt wurden mehr als 1.500 Personen kontrolliert – hatte die Polizei die Lage unter Kontrolle.
Im Stadtteil San Siro, wo Bewohner mitten auf der Straße Feuer anzündeten und in der Folge ein Polizeifahrzeug mit Steinen bewarfen, kam es hingegen zu einer regelrechten Straßenschlacht. Um Ruhe und Ordnung wieder herzustellen, mussten die Beamten hart durchgreifen.
Auch in mehreren anderen italienischen Städten arteten die Silvesterfeierlichkeiten in regelrechte Straßenschlachten aus. Im Verlauf dieser „wilden Feiern“ wurden von Balkonen aus große Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen direkt auf die Straße geworfen und mutwillig Autos mit Feuerwerkskörpern in Brand gesetzt. Diese „Heldentaten“ wurden von den Übeltätern gefilmt und später ins Netz gestellt, wo sie mit ihrer „geilen Party“ nicht selten prahlten. Am Neujahrsmorgen glichen in manchen Vierteln die Straßen einem Schlachtfeld.
In Italien ist das Entsetzen groß. In der italienischen Öffentlichkeit sind rege Diskussionen im Gange, wie diesen Ausschweifungen wirkungsvoll begegnet werden könnte. Auch in den Krankenhäusern herrscht Ratlosigkeit. Es kann nicht sein – so ein namentlich nicht genannter Arzt – dass das Sanitätspersonal jedes Jahr dazu gezwungen ist, dieselben von Verbrennungen und Explosionen herrührenden Verletzungen zu versorgen.