Von: mk
Bozen – Der Landtag befasst sich heute mit dem Hilfspaket von 100 Millionen Euro, um Teuerungen für Bürger und Unternehmen abzufedern. Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf mit Einsparungen, Umbuchungen und Mehreinnahmen vorgelegt.
Landesgesetzentwurf Nr. 117/22: Änderungen zum Haushaltsvoranschlag der Autonomen Provinz Bozen 2022-2024 (vorgelegt von der Landesregierung auf Vorschlag von LH Arno Kompatscher). Es handle sich um Umbuchungen, rund 400, die z.T. angesichts der Situation auch drastischer ausfielen, wie LH Arno Kompatscher erklärte. Man habe die Ressorts aufgefordert, Sparpotenzial zu finden, zudem seien auch Mehreinnahmen zu verbuchen. 2,1 Mio. können wegen der Verschiebung der Volkszählung eingespart werden, 4,4 Mio. nicht benötigte Mittel beim Landtag, 7,2 Mio. bei der Sanierung des Staatshaushalts, die zu hoch veranschlagt gewesen sei, 5 Mio. bei der Umweltagentur, 18,2 Mio. beim Bibliothekszentrum, dessen Bau erst nächstes Jahr beginnen werde. Die Gemeinden hätten Investitionsmittel um 15,2 Mio. nicht abgerufen. Zusätzliche Steuereinnahmen würden 43 Mio. Euro ausmachen, eine ähnliche Größenordnung wie in den vergangenen Jahren. Insgesamt mache das Genannte 93,8 Mio. aus. Bei den Ausgaben nannte Kompatscher die Kosten für die Präsidentschaft der EUSALP, das Biotop in Kaltern, die Villa Elsa in Bruneck, eine Vergütung für die Lehrkräfte wegen des ausstehenden Kollektivvertrags, Mittel für die Bekämpfung des Borkenkäfers, die Umfahrung von Meran, Rückerstattungen nicht geschuldeter Gebühren, den Fonds für zweifelhafte Forderungen (für den Fall, dass man eine Schuld nicht eintreiben kann). Die genannten Ausgaben umfassen rund zehn Mio. Euro. Dann blieben noch 83 Mio., zu denen noch Mittel aus dem Reservefonds dazukämen.
Das Hilfspaket sei mit 100 Mio. Euro dotiert. Damit wolle die Landesregierung eine Reihe von Maßnahmen finanzieren, darunter Direktzahlungen an Familien, auch jene ohne Kinder oder Alleinstehende, die bisher keine Unterstützung erhielten. Gemäß Vorschlag der Sozialpartner sei die Einkommensgrenze bei 40.000 Euro (ISEE), rund 40 Prozent der Bevölkerung. Von jenen Personen, die bereits das Kindergeld erhalten hätten, habe man bereits die Daten; sie bräuchten kein Gesuch stellen. Rund 65 Mio. würden für diese Maßnahme verwendet. Bis zu 20 Mio. gingen an die Gemeinden für die gestiegenen Kosten. Bis zu 7 Mio. gingen an die Bezirksgemeinschaften und Altersheime, ebenfalls für die höheren Kosten. Unterstützende Maßnahmen könne es auch für die Unternehmen geben, aber nicht als Transferleistungen. Möglich wären z.B. Bürgschaften; derzeit seien die Ratenzahlungen laut Banken noch stabil, aber das könne sich rasch ändern. Dafür brauche es aber noch die Genehmigung des europäischen Bankensystems, die in Aussicht gestellt worden sei. Die Energieunternehmen seien aufgefordert worden, alles Mögliche zu tun, um den Kunden bessere Bedingungen zu bieten. Das sei zugesagt worden, und die Ermäßigungen machten mehr als 100 Mio. Euro aus.
Der Gesetzentwurf enthalte auch Bestimmungen außerhalb des Haushalts, so eine Änderung des Führungskräftegesetzes, um eine Anfechtung aus Rom zu vermeiden, wobei es um kleinere Korrekturen gehe, denn an der Substanz habe Rom nichts auszusetzen. Es gebe auch eine Bestimmung zur Facharztausbildung nach österreichischem Modell, die durch einen Notenwechsel möglich geworden sei und für die sich vor allem Martha Stocker eingesetzt habe. Der Vorteil liege im größeren Praxisbezug und in der Anstellung während der Ausbildung. Italien peile jetzt auch etwas in dieser Richtung an. Die Aufenthaltsabgabe werde von 2,5 auf 5 Euro angehoben, weitere Änderungen zu dieser Abgabe seien nicht geplant. Das Landeskleinkinderheim werde dem Sozialbetrieb Bozen übertragen. Die Zuständigkeit für die Finanzierung des Radwegenetzes gehe von den Gemeinden an das Mobilitätsressort über, praktisch ändere sich für die Gemeinden aber wenig.
Zu Beginn der Generaldebatte fragte Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) im Zusammenhang mit der 100-Millionen-Beihilfe, ob es neben der Obergrenze von 40.000 Euro für die ISEE auch eine Staffelung der Beihilfe gebe und wie die Überschneidung mit anderen Beihilfen, wie z.B. dem kommunalen Strombonus, berücksichtigt werde. Die Familienbeihilfe war eine universelle Maßnahme. Worin besteht der Unterschied zwischen einer automatischen Beihilfe und einer Beihilfe auf Antrag?
Brigitte Foppa (Grüne) fragte, ob es einen Pauschalbetrag für die Einmalzahlung gebe und ob jeder, der einen Antrag stelle, die Zahlung erhalte, oder ob das Prinzip “wer zuerst kommt, mahlt zuerst” gelte.
LH Arno Kompatscher erklärte, dass eine Summe von 5-600 Euro geschätzt werde, es könnten aber mehr werden, da rund 100.000 Personen anspruchsberechtigt seien.
Anschließend wurden auf Antrag von Grünen und SVP die Arbeiten für Beratungen unterbrochen.
Stellungnahmen von Staffler, Leiter Reber, Locher, Köllensperger, Unterholzner und Knoll
Hanspeter Staffler (Grüne) verwies auf die Umwandlung der Gesetzesvorlage mit den Haushaltsänderungen in ein Hilfspaket: Es scheine so, aber die Änderung von Artikel 4-Okties sei gerade verteilt worden und müsse diskutiert werden. Schon im Gesetzgebungsausschuss war gesagt worden, dass nicht nur Familien, sondern allen Bedürftigen geholfen werden sollte. Von den 100 Millionen, die zur Verfügung gestellt wurden, gingen etwa 55 Millionen an Familien und Bedürftige; die bereits vom System erfassten Familien würden direkt, wie die anderen erreicht werden sollten, war nicht klar. Auch die Gemeinden hätten höhere Kosten und bekämen Hilfe: Die Grünen hätten bereits vorgeschlagen, diese Kosten mit einer Umstellung auf moderne Technologien aufzufangen. Staffler kritisierte, dass das Hilfspaket in einen Fonds gesteckt werde anstatt auf die entsprechenden Haushaltskapitel verteilt. Das tue man sonst ja auch nicht. Die Genehmigung des Haushalts sei ein Vorrecht des Landtags, aber über den Fonds könne die Landesregierung nach Belieben verfügen. Staffler kritisierte auch, dass das Führungskräftegesetz über einen Artikel im Haushalt geändert werde; das Thema verdiene ein eigenes Gesetzgebungsverfahren.
Andreas Leiter Reber (Die Freiheitlichen) erinnerte daran, dass seine Fraktion seit Monaten auf die Situation in Südtirol hinweise und darauf, dass die Lebenshaltungskosten in Südtirol viel höher seien als in anderen Regionen und die staatlichen Maßnahmen daher nicht ausreichten. Die Soforthilfe sei wichtig und notwendig, aber keine nachhaltige Lösung: Es gelte, alle Spielräume im Bereich der Energieautonomie auszuschöpfen. Er stimme auch den Einwänden Stafflers zu: Der Landtag müsse jetzt zu 100 Mio. ja oder nein sagen, könne aber die einzelnen Maßnahmen nicht begutachten. Zu den Unterstützungen für die öffentlichen Einrichtungen wie etwa die Altersheime müsse man Doppelgleisigkeiten mit den staatlichen Förderungen vermeiden.
Der Gesetzentwurf enthalte viele nützliche Maßnahmen, erklärte Franz Locher (SVP), nicht zuletzt jene zur Unterstützung der Gemeinden und ihrer Dienste, deren Kosten nicht auf die Bürger abgewälzt werden dürften. 100 Mio. würden nicht reichen, um die Teuerungen aufzufangen, man müsse daher die Wurzel des Übels anpacken. Die Gemeinden hätten bereits einiges dazu getan mit der Fernwärme. Heimische Produkte seien von der Teuerung noch relativ wenig betroffen, aber viele Betriebe seien bei ihrer Produktion auf Strom angewiesen und könnten das nicht ändern. Die Landesregierung könnte auch noch weitere Mittel finden; Locher wies in diesem Zusammenhang auf den NOI Techpark hin, der nicht sein Lieblingskind sei.
Mit diesem Fonds werde die Kontrollfunktion des Landtags ausgehebelt, urteilte Paul Köllensperger (Team K), dies sei eine Missachtung des Landtags. Aus dem Haushaltsgesetz sei ein Omnibus geworden, der aber nicht auf die zuständigen Fachausschüsse aufgeteilt worden sei. Das sei das Gegenteil von Transparenz. Der Winter stehe bevor, die große Überraschung werde die Familien wahrscheinlich zu Weihnachten erreichen, und die Landesregierung betreibe Gutscheinpolitik. Das sei zu wenig, der Energiepreis werde nicht mehr auf das vorher gewohnte Niveau sinken. Es werde Gehaltserhöhungen von zehn Prozent brauchen, um das aufzufangen. Und man müsse alles tun, damit der in Südtirol produzierte Strom günstig weitergegeben werden könne. Der Staat erwarte sich Mehreinnahmen von 60 Mrd. bei der Mehrwertsteuer, etwas davon werde auf Südtirol abfallen. Das Land müsse auch danach trachten, dass die Mehreinnahmen aus dem Südtiroler Strom nicht an den Staat abgeführt werden müssen. Von der Heimholung des Stroms sei bei den Bürgern bisher wenig angekommen.
Der Landeshauptmann habe gesagt, Die Alperia gebe den Strom günstiger her, als sie ihn einkaufe. Josef Unterholzner (Enzian) fragte, warum die Alperia überhaupt Strom einkaufe. Dieses Dumpinggeschäft werde nicht lange gehen, die Alperia werde bald keine Dividenden mehr zu verteilen haben. Die börsennotierten Energiekonzerne würden Milliarden scheffeln, so wie die Pharmakonzerne durch Corona. Das Hilfspaket sei ok, aber langfristig werde man so die Probleme nicht lösen. Kein Südtiroler habe bisher etwas von der Heimholung des Stroms gespürt, keiner verstehe, warum die Strompreise in Südtirol so gestiegen seien, während die Produktionskosten gleichgeblieben seien. Wenn man teuren Strom von auswärts kaufe, zahlten das die Kunden. Unterholzner fragte, was der Art. 13 des Autonomiestatuts, der eine Regelung der Energiepreise erlaube, wert sei. Die Bürger unterstütze man am besten, wenn man ihnen das Geld nicht aus der Brieftasche ziehe. Vielen Unternehmen würde die Energie ausgehen, auch wegen der vielen Auflagen. Er sei diesbezüglich froh, dass er 2016 sein Unternehmen abgegeben und die Führung anderen überlassen habe.
Viele Menschen in ganz Europa stünden derzeit unter Druck, da ihr Einkommen nicht mehr reiche, bemerkte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Das große Problem werde jetzt im Winter kommen. Er teile die Kritik der Vorredner am Gesetzgebungsverfahren, das dem Landtag die Kontrolle über das Hilfspaket entziehe. Aber das interessiere die Menschen draußen wenig, sie bräuchten jetzt dringend Hilfe. Nur werde es mit den 100 Mio. nicht getan sein. Es sei auch nicht richtig, wenn durch den Dividendenverzicht nur Alperia-Kunden profitieren. Damit die Südtiroler halbwegs über den Winter kämen, werde es 300 Mio. brauchen. Bei den langfristigen Maßnahmen werde man sich überlegen müssen, wie man den Strompreis niedrig halten könne. Bereits jetzt sehe man ein großes Preisgefälle zwischen europäischen Ländern. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Wasserkraft nördlich und südlich des Brenners unterschiedliche Preise erziele. Nicht nachvollziehbar sei auch, dass der Strompreis vom teuersten Kraftwerk bestimmt werde. Auch wenn Südtirol noch mehr nachhaltige Energie – z.B. Windkraft, Sonne – produziere, nütze es wenig, wenn das Land nicht den Preis bestimmen könne. Früher habe man den Preis nach den regionalen Produktionskosten richten können, die kleinen Genossenschaften täten das auch heute noch. Autonomie heiße für ihn, dass man alle Möglichkeiten ausschöpfe, um das Beste für die Menschen im Lande zu erreichen.
Die Arbeiten werden um 14.30 Uhr wieder aufgenommen.