Berufskammern der Gesundheitsberufe üben heftige Kritik

20 unsichtbare Gesundheitsberufe: Signale in die falsche Richtung

Dienstag, 19. September 2023 | 22:54 Uhr

Von: ka

Bozen – Wir freuen uns sehr über den jüngsten Beschluss der Südtiroler Landesregierung, das Taschengeld für das Praktikum der Claudiana-Studenten zu erhöhen. Dies ist eine wichtige und aus unserer Sicht unbedingt notwendige Maßnahme zur Stärkung und Erhöhung der Attraktivität der Gesundheitsberufe.

Die Entscheidung allerdings, das Taschengeld ausschließlich für Studierende des Studiengangs Krankenpflege zu erhöhen – auch wenn es sich wie angekündigt um ein Pilotprojekt handelt- zeigt einmal mehr eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Gesundheitsberufe.

Auch wenn wir das Bestreben des Landeshauptmanns und Gesundheitslandesrates Arno Kompatscher verstehen, das Angebot des Universitären Ausbildungszentrums für Gesundheitsberufe Claudiana in Bozen, attraktiv und wettbewerbsfähig gegenüber dem nationalen und ausländischen Markt zu gestalten, fragen wir uns, warum diese Behandlung nur den angehenden Krankenpflegern und Krankenpflegerinnen vorbehalten wurde?

Berufskammer Hebammen/Sara Zanetti

Der Fachkräftemangel und die fehlende Attraktivität der Gesundheitsberufe für die Maturanten betrifft ALLE Gesundheitsberufe auf die gleiche massive, erschreckende Weise – der Rückgang der Studienanwärter ist sowohl auf nationaler Ebene als auch hier in Südtirol seit mindestens 10 Jahren evident!

Für das heurige akademische Jahr 2023/24 haben sich so wenig Studenten zum Aufnahmetest im italienischen Staatsgebiet gemeldet wie seit Einführung der Studiengänge Ende der 90er-Jahre nicht! Wir sind also auf einem absoluten Tiefpunkt, zu einem Zeitpunkt wo wir nahezu überall Personalmangel haben und in 10 Jahren ca. 30% des aktuellen Gesundheitspersonals ins Rentenalter kommt.

Es ist eine Tatsache, dass der Personalmangel auch das gesamte Südtiroler Gesundheitssystem betrifft, und man fragt sich daher, warum die verschiedenen dort tätigen Berufsgruppen so ungleich behandelt werden: Sind nicht alle Gesundheitsberufe gleichermaßen grundlegend für die Aufrechterhaltung des Südtiroler Gesundheitssystems und dessen Leistungsfähigkeit?

Ohne die tägliche Zusammenarbeit auf den Stationen und im Territorium, in der Diagnostik, der Rehabilitation, der Pflege und Betreuung, in der Prävention und Geburtshilfe würde das gesamte Gesundheitssystem der Provinz zusammenbrechen.

Wir sind der Meinung, dass alle 30 Gesundheitsberufe, sowohl während der Ausbildung als auch bei der Arbeit, die gleiche Würde, Berücksichtigung und Anerkennung genießen sollten.

Leider war dies in letzter Zeit leider sehr oft nicht der Fall.

Entscheidungen wie diese sind gefährlich, weil sie zu Unzufriedenheit führen und nicht die Zusammenarbeit fördern, die notwendig ist, um einen interprofessionellen Dienst zu erbringen, der unerlässlich ist, um ein gutes Verhältnis zwischen denjenigen aufrechtzuerhalten, die sich um das wertvollste gemeinsame Gut kümmern: die Gesundheit!

Berufskammer Gesundheitsberuf
Physiotherapeuten/Carla Naletto

Wir hoffen, dass so schnell wie möglich angemessene Maßnahmen ergriffen werden, um alle Gesundheitsberufe auf eine gleichberechtigte Basis zu stellen. Wir hoffen auch, dass die Berufskammern bei Entscheidungen, die unsere Berufe betreffen, in einen grundlegenden und konstruktiven Dialog zwischen Politik und Berufsangehörigen einbezogen werden.

Wir, die Südtiroler Berufskammern der Gesundheitsberufe für Hebammen (OPO BZ), Physiotherapie (OFI BZ) und den rehabilitativen, präventiven und sanitätstechnischen Gesundheitsberufen (MRT STRPG BZ) fordern daher die Anpassung des Taschengeldes für ALLE Studiengänge, den sofortigen Ausbau des Angebotes an der Claudiana und Einbeziehung unserer Kammern bei der Planung und Gestaltung des Sozial- und Gesundheitsplans für die nächsten Jahre.

Schließlich sind es unsere 2500 Berufskollegen aus 20 verschiedenen Berufen welche gemeinsam mit den anderen 10 Gesundheitsberufen das gesamte Sozial- und Gesundheitswesen tragen!

In Italien gibt es 30 verschiedene Gesundheitsberufe, die ein universitäres Studium absolvieren.

Durch die Staatsprüfung wird die Berufsbefähigung erworben; zur Berufsausübung ist die Einschreibung in das Berufsalbum der zuständigen Berufskammer notwendig.

Berufskammer Medizinische Röntgentechniker und
Gesundheitsberufe Sanitätstechnik, Rehabilitation
und Prävention/Irene Rigott

Die Berufskammern:

fördern und gewähren die Unabhängigkeit, Autonomie und Verantwortung der Berufe und deren Ausübung bzw. deren fachlich-berufliche Qualität und soziale Funktion sowie Achtung der Menschenrechte und der ethischen Grundsätze in der Berufsausübung im Einklang mit dem jeweiligen Ethikkodex, um die Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung zu schützen;
überprüfen die Erfüllung der Qualifikationsanforderungen für die Berufsausübung und führen die Berufsverzeichnisse / Berufsalben;
beteiligen sich an den Verfahren zur Planung des Bedarfs an Fachkräften, an Fortbildungsmaßnahmen und an den Berufsbefähigungsprüfungen; arbeiten mit den lokalen und zentralen Behörden bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Maßnahmen zusammen, die sich auf die Berufskammer beziehen können, und tragen mit öffentlichen und privaten Gesundheits- und Ausbildungseinrichtungen zur Förderung, Organisation und Bewertung von Ausbildungsmaßnahmen und Fortbildungskursen für die kontinuierliche berufliche Entwicklung aller Eingeschriebenen bei, indem sie die Aufrechterhaltung der beruflichen Anforderungen fördern;
fördern und unterstützen alle Initiativen, die darauf abzielen, den kulturellen Fortschritt der Eingeschriebenen zu erleichtern, auch in Bezug auf die universitäre Ausbildung für den Zugang zum Beruf.

Liste der 30 Gesundheitsberufe in Italien

Hebamme
Medizinische Röntgentechniker
Gehörmesstechniker
Biomedizinische Labortechniker
Neurophysipathologietechniker
Orthopädietechniker
Hörakustiker / Hörprothesentechniker
Kardiotechniker und Herzperfusionisten
Zahnhygieniker
Ernährungstherapeuten
Podologen
Physiotherapeuten
Logopäden
Orthoptisten und Ophtalmologiassistenten
Therapeuten der Neuro-Psychomotorik des Entwicklungsalters
Techniker der psychiatrischen Rehabilitation
Ergotherapeuten
Berufserzieher
Techniker der Vorbeugung im Bereich Umwelt und Arbeitsplatz
Sanitästassistenten
Krankenpfleger
Kinderkrankenpfleger
Apotheker
Arzt
Zahnarzt
Tierarzt
Biologe
Physiker
Chemiker
Psychologe

Bezirk: Bozen