Von: mk
Bozen – Auf weniger Schwerverkehr über den Brenner und mehr Gütertransport auf Schiene haben sich hochrangige Vertreter aus Italien, Österreich und Deutschland geeinigt.
„Wir geben nicht nach und arbeiten weiter für eine unmittelbare Verlagerung des Verkehrs auf der Brennerachse – es geht um die Gesundheit der Menschen, den Schutz der sensiblen Bergwelt und die Lebensqualität im Allgemeinen“, unterstrich Landeshauptmann Arno Kompatscher beim Verkehrsgipfel in Bozen. Mehr als 2,2 Millionen Lkws rollen jährlich über den Brenner – Tendenz steigend mit plus 14 Prozent. „Angesichts der zunehmenden Belastung für die Menschen und die Umwelt sehen alle ein, dass es so nicht weitergehen kann und es auch schnelle Lösungen braucht – wir wollen eine Mauterhöhung, einheitliche Tarife für Treibstoff im Schwerverkehr, ein Transitverbot auf den Staatsstraßen und mehr Warenverkehr auf der Schiene“, brachte Kompatscher die wichtigsten Forderungen des Landes Südtirol auf den Punkt.
An dem von Pat Cox, dem für den EU-Korridor zwischen Skandinavien und dem Mittelmeer zuständigen Koordinator, einberufenen zweiten Brenner Meeting am 12. Juni im Noi Techpark in Bozen haben Verkehrsminister Norbert Hofer(Österreich) und hochrangige Vertreter der Verkehrsministerien der Staaten Deutschland und Italien wie der deutsche Staatssekretär Steffen Bilger und die bayrische Verkehrsministerin Ilse Aigner, der Generaldirektor für Bahntransport und Bahninfrastrukturen des italienischen Infrastruktur- und Transportministeriums Enrico Pujia sowie die Landeshauptleute der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino, Arno Kompatscher, Günther Platter (Tirol), Ugo Rossi (Trentino) und die Verkehrsassessorin der Region Veneto Elisa De Berti teilgenommen. Im Mittelpunkt standen dabei Maßnahmen für die Reduzierung des Verkehrs auf der Brennerachse.
Als Erfolg und wichtigen Meilenstein werteten Cox und Kompatscher die gemeinsame Unterzeichnung des Memorandums zur Umsetzung gemeinsamer verkehrspolitische r und infrastruktureller Maßnahmen zur Realisierung des TEN-V Kernnetzkorridors Skandinavien-Mittelmeer (Text im Anhang). „Nach vielen langen Verhandlungen mit den Vertretern der Staaten und Länder können wir nun endlich diesen weiteren wichtigen und gemeinsamen Schritt auf dem Weg zu einem nachhaltigen Verkehrskorridor über und unter dem Brenner setzen“, zeigte sich Pat Cox erfreut. In diesem Zusammenhang lobte Cox besonders den Einsatz des Südtiroler Landeshauptmannes für eine Lösung auf italienischer Seite. “Die Tatsache, dass auch der neue italienische Verkehrsminister das Memorandum bereits unterzeichnet hat, stimmt mich zuversichtlich, dass der bisher eingeschlagene Weg weiterhin verfolgt wird”, so Kompatscher. Cox bedauerte allerdings, dass der Tiroler Landeshauptmann das Memorandum nicht unterzeichnet hatte. Unterzeichnet hat Platter hingegen das auf Initiative von Landeshauptmann Kompatscher gemeinsam eingebrachte Zusatzprotokoll mit konkreten Maßnahmen vor allem zur Korridormaut, zur Verkehrsverlagerung, zu den Dieselpreisen, zur Lkw-Obergrenze und zum Transitverbot auf den Staatsstraßen. Kompatscher zeigte sich auch erfreut, über die Unterschrift des Zusatzprotokolls durch Minister Hofer. „Der heutige Tag ist ein Erfolg für den Ausbau des Verkehrs auf der Schiene und für die Konkretisierung der entsprechenden Begleitmaßnahmen, denn daran wollen wir künftig weiter arbeiten“, betonte Kompatscher. „Wir wollen das Leben für die Menschen, die hier leben besser machen, Europa besser machen, dieses Ziel ändert sich nicht – Erfolg werden wir nur gemeinsam haben“, hob Cox hervor.
Die Vertreter der am meisten betroffenen Alpentransittäler haben beim Brenner Meeting ihre prioritären verkehrspolitischen Forderungen nochmals klar unterstrichen und ein noch rascheres Handeln auf übergeordneter Ebene eingefordert. „Jeder verlagerte Lkw bringt eine Entlastung“, betonte der österreichische Verkehrsminister Hofer. Die Delegation aus Deutschland mit Bilger und Aigner an der Spitze beschrieb den Verkehrsgipfel als wichtiges „Verkehrs-Update“ für mehr Güterverkehr auf der Schiene sowie die Aktualisierung des Brenneraktionsplans und sprachen sich für eine Verdopplung der Lkw-Maut und eine Halbierung der Trassenpreise für den Schienentransport aus. Die Belastungsgrenze sei längst überschritten: für die Bevölkerung, als auch für die Natur, aber auch für die Infrastruktur, unterstrich Platter. De Berti und Pujia betonten, dass es sich beim Memorandum um eine historische Unterzeichnung handle, die wichtig für die Politik Italiens in punkto Ausbau des Schienenverkehrs sei.
„Um Umwegverkehr einzudämmen und die Verkehrssituation auf der Brennerachse zu verbessern, müssen schrittweise höhere Tarife für den Schwerverkehr auf der Brennerautobahn auf dem Abschnitt Brenner–Modena eingeführt werden“, betonte Kompatscher. Zudem gelte es, auf der Basis der Ergebnisse des EU-Projektes BrennerLEC (Lower Emissions Corridor) eine dynamische Steuerung der Reisegeschwindigkeit auf der Brennerachse umzusetzen, so der Landeshauptmann. Südtirol drängt laut Kompatscher zudem auf ein Transitverbot für das sekundäre Straßennetz, also auf den Staatsstraßen, so wie es im Bundesland Tirol bereits in Kraft ist. “Werden hier keine staatlichen Maßnahmen gesetzt, werden wir auf Landesebene Mittel und Wege finden”, gab sich der Südtiroler Landeshauptmann kämpferisch. Als notwendigen Schritt für weniger Umwegverkehr bezeichnete der Landeshauptmann auch die Verringerung bzw. Abschaffung des Dieselprivilegs für den Schwerverkehr auf der Brennerachse. Im Fokus stehe dabei das Schaffen einer einheitlichen Kostenstruktur für den Transitschwerverkehr auf den alpenquerenden Übergängen.
Großen Konsens von allen Teilnehmern am Brenner Meeting gab es zur Förderung des Schienenverkehrs und der Umsetzung entsprechender Maßnahmen. Für den Warentransport auf Schiene gibt es bereits wirtschaftliche Anreize. Südtirol und das Trentino haben bereits Maßnahmen für einen neuen Verladeterminal für eine effizientere, schnellere und billigere Abwicklung des Kombiverkehrs ergriffen. Damit der Schienengüterverkehr attraktiver und wettbewerbsfähiger wird, müssen Ladestationen modernisiert, lärmarme Fahrzeuge eingesetzt und der Kombiverkehr bevorteilt werden. Darüber hinaus will man die Einnahmen aus der Mauterhöhung für die Förderung des Schienenverkehrs verwenden. „Der Warentransport auf der Schiene muss endlich wettbewerbsfähig und attraktiv werden“, betonte Kompatscher.
Zentrales Anliegen, vor allem der EVTZ „Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino“, bleibt weiterhin die Änderung des Modal Split, also des Verhältnisses zwischen Straßengüterverkehr und Schienengüterverkehr. Der Modal Split soll bis 2027 ausgeglichen und bis 2035 umgekehrt werden. Derzeit erfolgt der Warentransport auf der Brennerachse nur zu 29 Prozent auf Schiene und noch zu 71 Prozent auf der Straße.
Cox verwies darauf, dass die Arbeit bereits morgen in Innsbruck bei der Brennerkorridor-Plattform weitergehe.