Von: luk
Bozen – Zu Beginn der Sitzung des Landtags am heutigen Mittwochvormittag stellte die Verantwortliche der Antidiskriminierungsstelle, Priska Garbin, ihren Tätigkeitsbericht 2023 vor. Dies ist im Landesgesetz Nr. 11 vom 9. Oktober 2020, mit dem die Stelle eingerichtet wurde, vorgesehen.
Demnach verzeichnete die bei der Volksanwaltschaft angesiedelte Antidiskriminierungsstelle im Berichtsjahr 2023 rund 229 Kontakte, 165-mal wurden Menschen zu Diskriminierungsfragen beraten, (rechtlich) unterstützt und allgemein über Gleichbehandlung informiert. 49 Personen haben Diskriminierungsfälle gemeldet.
Im Bericht wird unterstrichen, dass alle Menschen ein Recht auf ein Leben ohne Diskriminierung haben: “Dieses Recht ist unverzichtbar, unteilbar und unveräußerlich.” Die gesetzlichen Grundlagen dafür fänden sich in der italienischen Verfassung, unterschiedlichen Staats- und Landesgesetzen und den internationalen Bestimmungen.
Darauf aufbauend sei die Antidiskriminierungsstelle gegründet worden und habe vor zwei Jahren ihre Tätigkeit aufgenommen; unterstützt werde sie von einem Beirat, der sich aus Vertreter verschiedener von Diskriminierung betroffener Gruppen zusammensetzt. „Die Beratung und Unterstützung von Personen, welche Diskriminierung erleben, bildet das Herzstück der Arbeit der Antidiskriminierungsstelle“, betonte Garbin. Die häufigsten Anfragen hätten im Berichtsjahr den Bereich Menschen mit Behinderung betroffen, wobei vor allem die architektonischen Barrieren ein vorherrschendes Thema seien. An zweiter Stelle stünden Anfragen bezüglich Rassismus und Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit. Während es für diese Bereiche aufgrund der staatlichen und im Falle Behinderung auch der Landesgesetzgebung einen klaren Rechtsschutz gebe, wiesen alle anderen Diskriminierungsgründe Rechtsschutzlücken auf.
„Ein Grund für die Zersplitterung des Gleichbehandlungsschutzes ist auch jener, dass es in Italien kein umfassendes Gleichbehandlungsgesetz nach deutschem Vorbild gibt, auf welches sich die Antidiskriminierungsstelle in ihren Interventionen berufen kann“, führt Garbin im Tätigkeitsbericht aus. Dies erschwere nicht nur die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle, „sondern bringt auch in der Beratung viel Unverständnis mit sich, wenn Menschen zum Beispiel aufgrund ihrer sexuellen Identität beim Zugang zu Wohnraum benachteiligt werden, es aber keinen entsprechenden Rechtsschutz gibt. Deshalb die Forderung nach einem umfassenden Gleichbehandlungsgesetz.“
Während im ersten Jahr der Tätigkeit der Antidiskriminierungsstelle (2022) der Aufbau der Einrichtung viel Zeit in Anspruch genommen habe, habe man sich im Berichtsjahr vermehrt der Präventions- und Sensibilisierungsarbeit widmen können. „Wir waren in Schulklassen, haben einen Fotowettbewerb zum Thema Stereotypen organisiert, einen Workshop in der Kinderstadt des VKE (Verein für Kinderspielplätze und Erholung) veranstaltet, einen ganztägigen Workshop für Busfahrer und Busfahrerinnen innerhalb des Sasa-Unternehmens und waren auf vielen Veranstaltungen präsent“, heißt es im Tätigkeitsbericht.
„Die Erfahrung dabei zeigt“, so Garbin, „obwohl eine vielfältige Gesellschaft mittlerweile Alltag ist, gibt es wenig gesellschaftliche Auseinandersetzung darüber, wie das Zusammenleben in allen Lebensbereichen gelingen soll. Ein Bewusstsein für die mit Vielfalt verbundenen sozialen Dynamiken, Machtverhältnissen und der Kehrseite davon erlebten Diskriminierungen ist oft nicht gegeben. Gerade dies ist aber die Grundlage für eine stabile und demokratische Gesellschaft, in der sozialer Zusammenhalt und Menschenrechte gewahrt und gelebt werden und welche den vielfältig komplexen Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist.“ In diesem Sinne gebe es noch viel zu tun.
Anschließend hatten die Abgeordneten die Möglichkeit, Fragen zu stellen, dabei wurden u.a. folgende Themenbereiche angesprochen: Die Altersdiskriminierung im Zuge der Digitalisierung anhand des Beispiels Sprachgruppenerhebung (Süd-Tiroler Freiheit), die Diskriminierung bei Wohnungsvermietungen, die es differenziert zu betrachten gelte – etwa wenn jemand etwa an junge Familien vermieten möchte (Süd-Tiroler Freiheit), die Verbrennung der LGBT-Flagge durch ein Mitglied des Landtages (PD – Demokratische Partei), “diffuse Krankheitsbilder”, die als Long-Covid bezeichnet würden, und ob diese auch Covid-19-Geimpfte beträfen (Vita), die Altersdiskriminierung und die Notwendigkeit der Einführung des gesetzlich bereits vorgesehenen Seniorenanwaltes sowie die Frage nach möglichen Lösungsansätzen bei der Überwindung architektonischer Barrieren (SVP), die ausbleibende Meldung in Fällen von Homo-Transphobie (Grüne), die Notwendigkeit von Klagen, wenn Problematiken über einen längeren Zeitraum trotz mehrmaliger Hinweise nicht gelöst würden (Team K), die zahlreichen architektonischen Barrieren in Bozen, die zum Teil leicht behoben werden können, und das Cyberbulling, das man selbst in bestimmten Bereichen anders sehe als die Antidiskriminierungsstelle (Fratelli d’Italia), die Diskriminierung gegenüber “unseren Müttern und Vätern”, die nur einmal jährlich gefeiert würden, während der Pride Month über einen ganzen Monat gehe (JWA Wirth Anderlan) sowie die im Tätigkeitsbericht aufgelisteten Daten bezüglich Kontakten u.a. und die deutlichen Sprünge zwischen den Zahlen 2022 und 2023 (Freie Fraktion).
Garbin, Verantwortliche der Antidiskriminierungsstelle, erklärte u.a., dass die Digitalisierung ein riesiges Thema sei. Bei einer Anzeige “Vermietung Wohnung an Einheimische” könne man nicht differenzieren, es gebe entsprechende gesetzliche Regelungen. Zur Verbrennung der Regenbogenfahne: Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, dürfe aber kein Alibi für Beleidigungen etc. sein – in der Verfassung sei festgehalten, dass jeder Mensch seine Würde habe. Bei der chronischen Müdigkeit der Personen, die sich an sie gewandt hätten, sei der Impfstatus kein Thema gewesen. Bei der Hilfestellung an Personen mit Behinderung, die in einen Bus ein- oder aussteigen müssten, gelte es eine Regelung zu finden; derzeit dürften die Busfahrer nicht helfen – manche täten es dennoch; andere Fahrgäste sollten helfen. Derzeit habe die Antidiskriminierungsstelle kein Klagerecht, sie könne vermitteln und eine Lösung suchen – dass es ein Klagerecht brauche, sei klar. Bei den architektonischen Barrieren bräuchte es einen Paradigmenwechsel, derzeit würden Menschen mit Behinderung häufig nicht mitgedacht. Die Sprünge bei den Daten sollten nicht prozentuell betrachtet werden, sondern in absoluten Zahlen; doch die Anzahl der Fälle habe zugenommen, dies, weil die Stelle mittlerweile bekannter sei.