Abbas empfing Überraschungsgast Blinken

Abbas fordert bei Treffen mit Blinken sofortige Waffenruhe

Sonntag, 05. November 2023 | 16:13 Uhr

Von: APA/dpa

Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas hat am Sonntag bei einem überraschenden Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken in Ramallah eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen gefordert. Abbas habe sich außerdem dafür ausgesprochen, mehr Hilfsgüter und auch Treibstoff in den Küstenstreifen zu lassen, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa. Abbas sprach von einem “Genozid” Israels an den Einwohnern des Gazastreifens.

Israel weist diese Vorwürfe zurück und betont, es greife nur Ziele der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas an. Israels Ziel ist es, nach dem Massaker am 7. Oktober die militärischen Fähigkeiten der Hamas komplett zu zerstören.

Abbas äußerte die Bereitschaft, “volle Verantwortung” für den Gazastreifen zu übernehmen, aber nur als Teil eines “Pakets” mit einer umfassenden politischen Lösung auch für das Westjordanland und Ost-Jerusalem. Die Palästinenser beanspruchen diese Gebiete für einen eigenen Staat.

Blinken sagte nach Angaben des US-Außenministeriums, die USA fühlten sich zu Maßnahmen verpflichtet, die zu gleichen Teilen Würde und Sicherheit sowohl für Palästinenser als auch für Israelis bringen. Die USA hielten zudem daran fest, auf humanitäre Hilfe und die Wiederherstellung der Grundversorgung in Gaza hinzuarbeiten. Palästinenser dürften nicht mehr gezwungen werden, ihr Zuhause zu verlassen. Außerdem hätten er und Abbas auch Schritte besprochen, die zu Ruhe und Stabilität im Westjordanland führen sollen, hieß es weiter.

Blinken hat sich dafür ausgesprochen, dass die palästinensische Autonomiebehörde von Abbas wieder die Kontrolle im Gazastreifen übernimmt. Diese Vision wird aber von den meisten Mitgliedern der gegenwärtigen Regierung in Israel als Gefahr für den jüdischen Staat angesehen und daher abgelehnt. Die Hamas hatte 2007 gewaltsam die alleinige Kontrolle des Gazastreifens an sich gerissen und die Fatah von Abbas von dort vertrieben.

Abbas warnte auch vor einer Vertreibung von Palästinensern aus dem Gazastreifen, dem Westjordanland oder Jerusalem. Frieden und Sicherheit könne es nur durch eine Beendigung der israelischen Besatzung geben.

Blinken setzt sich für eine vorübergehende humanitäre Feuerpause ein, lehnt aber einen Waffenstillstand ab. Dieser würde nur dazu führen, dass die Hamas an der Macht bleiben und das Massaker vom 7. Oktober wiederholen könnte, erklärte er am Samstag in Amman.

Blinken reiste im Anschluss weiter nach Zypern und traf Präsident Nikos Christodoulidis in Larnaka. Wie der zypriotische Regierungssprecher Konstantinos Letymbiotis auf X (ehemals Twitter) weiter mitteilte, ging es um eine Initiative Zyperns, einen humanitären Seekorridor für die Lieferung von humanitärer Hilfe aus Zypern mit Endziel Gaza einzurichten. Ein weiterer Gesprächspunkt seien mögliche Evakuierungen von Menschen aus dem Nahen Osten über Flughäfen und Häfen Zyperns gewesen. Zypern war bereits während anderer Krisen im Nahen Osten als nächstgelegener sicherer Ort Drehscheibe für Evakuierungsaktionen geworden.

Am Sonntagabend wollte Blinken in der Türkei eintreffen, für Montag sind in Ankara Gespräche mit seinem türkischen Kollegen Hakan Fidan geplant. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wird nach eigenen Angaben beim kurzfristig angesetzten Besuch des US-Außenministers in Ankara jedoch abwesend sein. Er werde wie geplant seine Reise innerhalb der Türkei fortsetzen und am Montag in dem entlegenen Ort Ayder im Nordosten sein, sagte Erdogan am Sonntag in einer Rede in der Schwarzmeerstadt Rize. In Ayder wolle er den “urbanen Wandel” der Region begutachten. Blinkens Umfeld hatte sich vor Erdogans Äußerungen optimistisch zu einem möglichen Treffen mit dem türkischen Präsidenten geäußert.