Von: mk
Bozen – Der Landtag hat sich heute mit dem Beschlussantrag Nr. 731/17: „Nein zu einem ‚Abschiebezentrum‘ in Südtirol (eingebracht von den Abg. Leitner, Mair, Blaas, Stocker S., Tinkhauser und Oberhofer am 23.1.2017)“ befasst. Der Landtag möge sich entschieden gegen die Errichtung eines Abschiebezentrums (Cie) in Südtirol aussprechen und die Landesregierung zu einer entsprechenden Haltung gegenüber der italienischen Regierung verpflichten. Gleichzeitig fordert der Landtag von der italienischen Regierung, dass sie endlich die Außengrenzen wirkungsvoll schützt, Illegale erst gar nicht ins Land lässt bzw. umgehend zurückschickt.
Pius Leitner (Freiheitliche) erinnerte an die Aufregung, als Pläne für ein Abschiebezentren bei Aichholz (Roverè della Luna) bekannt wurden. Das Unterland habe sonst schon Belastungen genug, auch durch die Einwanderung. “So sehr Strukturen zur Unterbringung von illegalen Ausländern — um solche handelt es sich bei Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die keine Papiere haben oder sich nicht registrieren lassen — sinnvoll sind, so unsinnig ist ein Abschiebezentrum in Südtirol. Eine solche Einrichtung sollte in der Nähe eines Flughafens und abseits von Siedlungsgebieten errichtet werden. Unzumutbar ist auch die Vorgangsweise der italienischen Regierung, die wieder einmal ohne Anhörung des Landes vollendete Tatsachen schaffen möchte.” Der Landeshauptmann habe zu diesem Projekt noch keine Entwarnung geben können. (Leitner protestierte auch gegen dessen Abwesenheit bei der Debatte, worauf Präsident Bizzo darauf hinwies, dass die zuständige Landesrätin anwesend sei.) Die Menschen in Südtirol seien besorgt und wünschten sich klare Informationen und Positionen.
Eine solche Struktur sei eher südlich der Europaregion sinnvoll, meinte auch Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit). In der Millionenstadt Hamburg gebe es ein Abschiebezentrum für 20 Personen, für Trentino-Südtirol plane man ein Zentrum für 80 Personen.
Andreas Pöder (BürgerUnion) bezeichnete das Zentrum als Augenauswischerei. Hier kämen Personen unter, die gar nicht abgeschoben werden könnten, z.B. aus Nigeria, das keine Ausreisedokumente ausstelle. Die Abschiebezentren seien auch aus humanitärer Sicht nicht erstrebenswert.
Hans Heiss (Grüne) bezeichnete die alten Abschiebezentren als negative Erfahrung, sie hatten auch keine große Wirkung. Die Regierung sei sich derzeit selber unschlüssig über die Errichtung neuer Zentren. Er sehe keine Gefahr im Verzug.
Sven Knoll (STF) fragte, wen der Landtag noch vertrete. Die Bürger, und noch deutlicher die Unterlandler, seien sicher eindeutig gegen ein solches Abschiebezentrum in Südtirol. Knoll wehrte sich auch gegen die neue Bezeichnung “Hungerflüchtlinge”, das sei ein Hohn auf jene, die wirklich Hunger litten. Es gehe hier hauptsächlich um Menschen, die illegal ins Land gekommen seien, die teilweise unter falscher Identität hier seien. Ein solches Abschiebezentrum nahe der Grenze sei eine Einladung, den Weg über die Grenze zu suchen.
Für eine Abschiebung brauche es Abkommen mit den Herkunftsländern, aber die gebe es nicht, erklärte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). Die Abschiebezentren seien für Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung, derzeit gebe es vier in Italien. Die Freiheitlichen forderten die Abschiebung “bei Sicht”, die Grünen seien für eine andere, eine europäische Lösung. Das Asylrecht sei kein generelles Einwanderungsrecht, ohne Abschiebung von Einwanderung ohne Berechtigung werde das Asylrecht ad absurdum geführt, erklärte Paul Köllensperger (5 Sterne Bewegung), daher werde er gegen den Antrag stimmen. Es sei ihm aber bewusst dass eine Abschiebung mangels Abkommen mit den Herkunftsländern nicht funktioniere. Es wäre konsequenter, wenn Asylanträge in den Herkunftsländern behandelt würden.
Ein Abschiebezentrum an der Provinzgrenze sei nicht sinnvoll, meinte Oswald Schiefer (SVP), aber in diesem Fall handle es sich um eine Zeitungsente, die allein darauf gründe, dass die Kaserne derzeit ungenutzt sei. Er vertraue hier auf das Verhandlungsgeschick des Landeshauptmanns, der aus Rom die Zusage habe, dass in Trentino-Südtirol kein solches Abschiebezentrum errichtet werde. Dem Antrag könne er nicht zustimmen, weil da ein ganz anderer Gedanke dahinterstecke.
Laut Regierung solle mindestens eins in jeder Region entstehen, erklärte Ulli Mair (F). Manche Regionen wie die Lombardei wollten diese Zentren sogar, auch als Vorbeugung gegen Kriminalität. Es sei schade, dass das Land in dieser Sache keine Zuständigkeiten habe. Sie fragte die Grünen, wie man Menschen, die nicht hier sein dürften, aber die man nicht abschieben könne, vor die Tür setze. Ideal wären Zentren in den Herkunftsländern, wo man die Asylanträge prüfen könne.
In Europa würden sich manche Staaten nicht an Absprachen halten, die sie selber getroffen hätten, erklärte LR Martha Stocker, das betreffe nicht nur Italien. Wenn man das Asylrecht ernst nehme, müsse man sich auch um die Frage der Rückführung jener kümmern, die kein Anrecht hätten. In die Abschiebezentren sollten nach Plan nur jene, die abschiebbar oder aber straffällig geworden seien. Innenminister Minniti habe sich klar dazu bekannt, dass man die EU-Außengrenzen stärker sichern wolle, wie es auch ein Begehrensantrag aus dem Landtag gefordert habe. Sollte es tatsächlich zu einem Abschiebezentrum in unserer Region kommen, dann nur in Absprache mit dem Präsidenten der Region, so der Minister. Daher sei der Antrag nicht notwendig.
Der Staat habe entschieden, in allen Regionen ein Abschiebezentrum zu errichten, antwortete Pius Leitner, der der Mehrheit Scheinheiligkeit vorwarf. Auch die Süd-Tiroler Freiheit sei inkonsequent, denn vor kurzer Zeit habe sie noch von der Notwendigkeit mehrerer kleiner Abschiebezentren in Südtirol gesprochen. Heute würden alle Einwanderer als Flüchtlinge bezeichnet, auch diese Konfusion sei für eine Lösung hinderlich. Manche europäischen Staaten würden sich gegen die sog. europäische Lösung wehren, weil sie sich von der EU nichts diktieren lassen wollten. Es scheine, als wäre nur der Widerstand einzelner Staaten wirksam gegen die EU-Flüchtlingspolitik.
Sven Knoll präzisierte, dass die STF den Umstand zur Kenntnis genommen habe, dass die meisten nicht den Flüchtlingsstatus hätten, und dass man dann lieber für Landes- als für staatliche Abschiebezentren ausgesprochen habe. Der erste Teil des Antrags wurde mit elf Ja, 19 Nein und drei Enthaltungen, der zweite Teil mit zwölf Ja, 20 Nein und einer Enthaltung abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 221/14: Reform des Südtiroler Gesundheitswesens (eingebracht vom Abg. Köllensperger am 22.09.2014). Wie Paul Köllensperger (5 Sterne Bewegung) erklärte, geht es darin um die Abschaffung der vier Gesundheitsbezirke, die Errichtung eines Notfalldepartments für das Territorium, ein Ticket für nicht dringliche Fälle in der Notaufnahme, die Förderung von Gemeinschaftspraxen, um mehr Hausbesuche, um die Möglichkeit für Hausärzte, Blutabnahmen und Atmungstests zu machen, um wohnortnahe Facharztvisiten, um die Einführung der Figur des Ausbildungsarztes (befristet und mit konkurrenzfähiger Entlohnung), das als Pilotprojekt mit Rom zu vereinbaren sei, schließlich um die Finanzierung eines Auslandsjahrs an Universitätskliniken für Ausbildungsärzte. Es seien vor allem Maßnahmen, um die Krankenhäuser zu entlasten und das Territorium zu stärken, erklärte Köllensperger, zudem könnte man die Ausbildung in Südtirol attraktiver machen, das staatliche Ausbildungssystem sei nicht attraktiv.
Andreas Pöder (BU) unterstützte die Forderung nach Abschaffung der Bezirksdirektoren. Diese hätten die peripheren Krankenhäuser nicht retten können. Die Bezirke seien geblieben, weil es großen Widerstand gegen die Abschaffung gegeben habe, vor allem von SVP-Vertretern. In den Reformgesetzentwürfen würden auch weitere Systemfehler beibehalten. Es gebe eben starke Lobbys, z.B. jene der Hausärzte.
Dieter Steger (SVP) lehnte es ab, von Pöder in Sachen Glaubwürdigkeit etwas zu lernen. Einige Punkte im Antrag seien überlegenswert, aber dies sollte man bei der Behandlung der Gesetzentwürfe tun, die schon nächste Woche beginne. Ziel sei die Stärkung der Gesundheitsversorgung für die Bürger und ihre Qualität, nicht die Verwaltung.
Pius Leitner (Freiheitliche) erklärte sich nicht einverstanden mit der Abschaffung der Bezirke, denn dann würde alles in Bozen entschieden. Andere Punkte könne er unterstützen.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) wies wie Leitner darauf hin, dass der Antrag von 2014 sei, genauso alt wie das Reformversprechen der Landesregierung. Die Landesregierung habe alle Akteure zum Thema angehört, aber das sollte auch der Landtag tun, denn er müsse über ein Gesetz entscheiden. Damit würde sich der Diskurs von Verwaltungsaspekten hin zum Patientenwohl verlagern. Er forderte Köllensperger auf, seine Vorschläge nächste Woche im Gesetzgebungsausschuss vorzubringen.
Der Antrag betreffe Dinge, die in den Gesetzentwürfen stünden, gehe aber auch darüber hinaus, bemerkte LR Martha Stocker. Die Verschlankung sei Ziel des Gesetzes, aber ein Betrieb mit über 9.000 Beschäftigten brauche eine Gliederung, auch territorial. Auch die Zahl der Pflegedienstleiter werde im Gesetzentwurf berücksichtigt. Ein Notfalldepartment sei bereits beschlossen. Gebühren für die Notaufnahme würden auch ihr vorschweben. Die Vernetzung der Hausärzte stehe bereits im Gesundheitsplan, die Hausbesuche seien Verhandlungssache mit dem Tarifpartner, die Blutabnahme sei bereits gut organisiert. Auch Facharztvisiten auf dem Territorium seien im Landesgesundheitsplan vorgesehen. Das Pilotprojekt für Ausbildungsärzte sei ein interessanter Ansatz, auch wenn es hier Widerstand von der Ärztegewerkschaft gebe. Ein Ausbildungsjahr im Ausland werde selbstverständlich befürwortet. Ein Teil der Forderungen seien bereits im Plan, anderes sei in Arbeit, wieder anderes werde im Gesetzentwurf behandelt. Sie werde dem Antrag daher nicht zustimmen, sehe aber viele Punkte darin mit Sympathie.
Paul Köllensperger griff den Vorschlag auf, die Forderungen bei der Behandlung des Gesetzentwurfs einzubringen. Einige Punkte könne man aber nicht in einem Gesetzentwurf unterbringen. Daher beantrage er die Abstimmung nach Punkten. Alle Punkte wurden mehrheitlich abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 228/14: Änderung der Abschusszeiten für Kahlwild und Rehgeißen in Südtirol – Tierschutz auf dem Prüfstand (eingebracht von den Abg. Leitner, Blaas, Mair, Stocker S. und Tinkhauser am 6.10.2014). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, die Abschusszeiten für Kahlwild und für Rehgeißen wie folgt zu ändern: der Abschuss von Kahlwild und Rehgeißen beginnt am 1. Juni; – der Abschuss von Kahlwild mit Kalb und von Rehgeißen mit Kitz beginnt am 15. September.
“In Südtirol beginnt der Abschuss von Kahlwild am 1. Mai, jener von Kahlwild mit Kalb bzw. Rehgeiß mit Kitz am 1. August”, bemerkte Pius Leitner (Freiheitliche). “Es muss festgehalten werden, dass aus unterschiedlichen Gründen immer wieder Muttertiere erlegt werden, die noch trächtig sind oder das Jungtier erst vor kurzer Zeit auf die Welt gebracht haben. Die Folgen sind grausam: junge Tiere suchen tagelang ihre Mutter, bis sie an Hunger und Durst eingehen. Fehlabschüsse werden vor allem Jungjägern zugeschrieben, die zwar mit theoretischem Wissen die Jagdprüfung bestehen, bei denen es aber in der Praxis an Erfahrung hapert. Erfahrene Jäger schlagen eine Änderung der Jagdzeiten vor und zwar: für Kahlwild und Rehgeißen ab 1. Juni, für Kahlwild mit Kalb und für Rehgeißen mit Kitz ab 15. September. Da Mitte September die Jungtiere ständig bei der Mutter sind, kann ein Muttertier leicht erkannt werden und Fehlabschüsse ließen sich vermeiden. Durch eine solche Maßnahme könnte auch die Akzeptanz der Jagd bzw. der Jäger bei der Bevölkerung verbessert werden.”
Bei den Jagdzeiten gebe es immer ein Für und Wider, meinte LR Arnold Schuler. Die Zahl der Fehlabschüsse sei sehr gering, etwa 0,5 Prozent. Die Jagdzeiten in Südtirol seien ähnlich wie in Österreich und Deutschland. Wo Schäden zu befürchten seien, sei eine frühere Eröffnung sinnvoll. Bei der Ausbildung der Jungjäger sei man heute viel praxisbezogener, auch um Fehlabschüsse zu vermeiden. Schuler sprach sich schließlich für die Beibehaltung der Jagdzeiten aus. Sein Vorschlag komme aus der Jägerschaft selbst, erklärte Pius Leitner. Wenn man Fehlabschüsse vermeiden könne, sollte man das tun. Der Antrag wurde mit 14 Ja, 16 Nein bei einer Enthaltung abgelehnt.