Von: luk
München – Knapp 300 Bauern – darunter rund 70 aus Südtirol – haben heute in München auf ihre schwierige Situation wegen des Großraubwilds aufmerksam gemacht. Der Widerstand wird nicht nur in Südtirol, sondern auch in Bayern, Tirol und weiteren Alpenländern immer größer.
Der heutige Protest auf der Straße und ein entsprechendes Protestpapier richtete sich an die Adresse der Umweltminister aus den Alpenländern, die heute in München tagten. Besonders stark zeigte sich der Widerstand gegen den Wolf: Da er unter strengem Schutz steht und keine natürlichen Feinde hat, breitet er sich nahezu ungehindert aus. Darauf wies in München auch Oswald Schwarz hin. Schwarz ist Bergbauer aus dem Ultental und Vertreter der Bergbauern im Landesbauernrat des Südtiroler Bauernbundes. Er warnte: „Es läuft auf ein Entweder-Oder hinaus: Entweder Almwirtschaft oder Wolf! Wenn es so weitergeht, werden viele Bauern auf eine Alpung ihrer Tiere verzichten. Die Folgen für die Almen selbst, die Bergbauern und das Landschaftsbild wären fatal.“
Umweltminister arbeiten in andere Richtung
Für die Minister scheinen die Probleme der Tierhalter mit dem Großraubwild kein Thema zu sein: Sie wollen stattdessen im Rahmen der EU-Strategie für den Alpenraum (EUSALP) ein Netzwerk zwischen Schutzgebieten, Biotopen und schützenswerten Umweltbereichen auf den Weg bringen. Das aber würde die Ausbreitung des Wolfes noch weiter beschleunigen, warnte der Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbandes Günther Felßner. Er ist der Meinung: „Was die Alpen lebens- und liebenswert macht, sind doch nicht Wolfsreviere, sondern unsere Weidetiere!“ Damit traf er den Grundtenor der Protestaktion, auf der die Bauern immer wieder einen wolfsfreien Raum forderten.
Herdenschutzprogramme gescheitert
So verwiesen viele Bauern darauf, dass die Herdenschutzprogramme im Alpenraum nicht nur “teuer und aufwändig sind, sondern schlichtweg nicht funktionieren.” Tiroler Bauernvertreter berichteten von gescheiterten Versuchen in Österreich. Auch Südtirols Europaparlamentarier Herbert Dorfmann hat im Alpenraum bereits viele Orte mit Herdenschutzprogrammen besucht und festgestellt: „Es hat noch nirgends funktioniert.“
Mehrere Bauern verwiesen auf das qualvolle Ende der vom Wolf gerissenen Tiere und fragten sich, ob die den Wolf liebenden Tierschützer auch das Tierwohl der gealpten Tiere sehen. Eine Bäuerin zog den Schluss: „Wir bauen immer offenere Ställe für die Tiere, aber auch für die Besucher. Jetzt müssen wir sie – als Schutz vor dem Wolf – wieder zusperren.“
Bald nur mehr „Bergbauern-Reservate“?
Bayerische Vertreter warnten davor, dass bereits über weidefreie Zonen zugunsten des Wolfes diskutiert wird: „Damit schaffen wir Bergbauern-Reservate statt der im Alpenraum typischen freien Alpung. Was sich ganz nebenbei auch negativ auf die Artenvielfalt auswirken würde, weil gerade die Beweidung nachweislich die Artenvielfalt fördert.”
Politik muss aufwachen
Als Konsequenz forderten bayerische Bauernvertreter: „Die Politik muss endlich aufwachen!“ Sie dürfe sich nicht von den Tierschutzvereinen vor sich hertreiben lassen. Die Demonstrationsteilnehmer forderten von den Umweltministern den Schutz der Weide- und Freilandhaltung vor dem Wolf: „Redet mit uns und nicht über uns.“ Europaparlamentarier Dorfmann forderte ein entsprechendes Umdenken: „Keine starre Unter-Schutz-Stellung, sondern mehr Flexibilität im Wolfsmanagement.“
Auch Richard Theiner der als Südtiroler Umwelt-Landesrat mit dabei war, sicherte den Viehbauern die Unterstützung der Südtiroler Landesregierung zu: „Die EU muss die Schutzstandards überdenken“, sagte er. Auch Ulrike Scharf, Bayerische Umweltministerin und derzeit Vorsitzende bei EUSALP, äußerte sich – wenn auch vorsichtig – in diese Richtung: „Ja, es muss sich bei der Unterschutzstellung etwas ändern. Aber bis wir das erreichen, bleibt die Prävention – also der vorbeugende Schutz – das Um und Auf im Umgang mit dem Wolf.“
Positionspapier an die Minister
Gemeinsam haben 26 Bauernverbände und Organisationen aus Südtirol, Österreich und Bayern nun ein Positionspapier an die EUSALP-Vorsitzende Ulrike Scharf übergeben.
Unter dem Titel „Große Beutegreifer bedrohen Berglandwirtschaft!“ fordern die Bauernverbände:
Schutz und Erhalt der bäuerlichen Weide-, Freiland- und Offenstallhaltung;
Erstellung einer umfassenden Folgenabschätzung zur Verbreitung des Wolfes;
Berücksichtigung der Bedürfnisse der Bevölkerung und des Tourismus;
Aufrechterhaltung der bisher üblichen Weidewirtschaft;
Vollständige Übernahme von Kosten und Maßnahmen durch den Staat;
Anerkennung länderübergreifender Population von großen Beutegreifern wie Wolf und Bär;
Ermittlung und Entnahme von Hybriden;
Lösung bestehender, rechtlicher Fragen und Konfliktfelder;
Beweislastumkehr bei Rissen und anderen Problemen mit großen Beutegreifern;
Sicherheit der Menschen im ländlichen Raum in den Vordergrund zu stellen.
Unterstützung vom SBB
Der Südtiroler Bauernbund unterstützt die Initiative des Bayerischen Bauernverbandes und hat die Südtiroler Beteiligung auf Landesebene organisiert. Landesobmann Leo Tiefenthaler hebt die grenzübergreifende Bedeutung des Themas Großraubwild hervor: „Es betrifft die ländliche Bevölkerung im gesamten Alpenraum. Es ist daher wichtig, gemeinsam auf europäischer Ebene Druck zu machen, um das Problem grenzübergreifend und langfristig in den Griff zu bekommen. Um dem Protest Nachdruck zu verleihen, war es für uns klar, dass wir uns an der Demonstration beteiligen und das Protestschreiben mit unterzeichnen.“