Südafrikas Präsident Ramaphosa braucht einen Koalitionspartner

ANC verliert bei Südafrika-Wahl absolute Mehrheit

Donnerstag, 30. Mai 2024 | 21:28 Uhr

Von: APA/AFP/Reuters

Nach der Parlamentswahl in Südafrika hat sich am Donnerstag laut Teilergebnissen ein Verlust der absoluten Mehrheit für den seit 30 Jahren allein regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) abgezeichnet. Nach Auszählung von 35 Prozent der Stimmen kam die Partei des Nationalhelden Nelson Mandela laut Wahlkommission auf 42,3 Prozent – ein klarer Verlust gegenüber den 57 Prozent im Jahr 2019. Die größte Oppositionspartei Demokratische Allianz (DA) erhielt knapp 25 Prozent.

Drittstärkste Kraft waren den Teilergebnissen zufolge die linksradikalen Economic Freedom Fighters (EFF) von Ex-ANC-Funktionär Julius Malema mit neun Prozent, dicht gefolgt von der neuen Partei MK des ehemaligen Präsidenten und ANC-Vorsitzenden Jacob Zuma mit acht Prozent.

Die ersten Teilergebnisse enthielten noch nicht die Resultate aus den Großstädten, allen voran Johannesburg und Durban, erklärte die Wahlkommission. Mit den offiziellen Ergebnissen wird erst am Wochenende gerechnet. Die Teilergebnisse bestätigen jedoch die Vorhersagen von Experten und die Umfragen der vergangenen Wochen.

Der ANC habe einen “erheblichen Schlag” erlitten, sagte der Politikwissenschaftler Daniel Silke. “Dies ist ein Schock für das System des ANC und wird letztlich auch ein Schock für das System des Durchschnittssüdafrikaners sein, der seit 1994 nur die ANC-Herrschaft gekannt hat.” Die Wahl “zieht die politischen Grenzen Südafrikas neu und schafft eine gewisse Unsicherheit”, fügte er hinzu.

Wenn die Partei von Präsident Cyril Ramaphosa unter 50 Prozent landet, müsste dieser nach Koalitionspartnern suchen, um wiedergewählt und mit der Regierungsbildung beauftragt zu werden. Dies wäre ein historischer Wendepunkt in der Geschichte des Landes, das 1994 seine ersten freien, demokratischen Wahlen erlebt hatte.

Wegen seiner führenden Rolle bei der Überwindung der Rassentrennung und der Herrschaft einer weißen Bevölkerungsminderheit genießt der ANC immer noch Respekt. Seine auf die Förderung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit ausgerichtete Sozial- und Wirtschaftspolitik hat Millionen schwarzen Familien aus der Armut geholfen.

Doch eine Reihe von Korruptionsskandalen in der Führungsebene des ANC, eine hohe Arbeitslosigkeit, die schwache Wirtschaft, hohe Kriminalität und Ungleichheit sowie ständige Stromausfälle führen jedoch dazu, dass sich viele Südafrikaner inzwischen enttäuscht von der Regierungspartei abwenden.

Vor allem in Wirtschaftskreisen sorgt die Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung der EFF für Nervosität. Zum Wahlprogramm der EFF zählt die Verstaatlichung der Gold- und Platinminen des Landes. Außerdem sollen weiße Farmer enteignet werden, um ihr Land an Schwarze zu verteilen. Der vor gut einem Jahrzehnt vom ANC ausgeschlossene Malema ordnet die EFF als marxistisch ein. Ihre Anhänger rekrutieren sich vor allem aus arbeitslosen, schwarzen Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Die EFF profitierte offenbar auch von der Enttäuschung vieler Südafrikaner über den ANC. Zwar hat der Afrikanische Nationalkongress vor 30 Jahren das Land vom rassistischen Apartheid-Regime befreit. Doch der versprochenen Wohlstand für breite Teile der Bevölkerung ist bisher ausgeblieben. Die Reichsten – sowohl Schwarze als auch Weiße – haben ihr Vermögen in dieser Frist vergrößern können. Dagegen ist ein Drittel der Südafrikaner, darunter viele schwarze Wähler mit Hochschulabschluss, arbeitslos. “Der EFF weist genau darauf hin, dass wir das Rassenproblem in diesem Land nicht gelöst haben”, erklärte der Direktor des südafrikanischen Zentrums für das Studium der Demokratie, Steven Friedman.

Auch Malema ist nicht unumstritten. Kritiker werfen ihm seine Vorliebe für protzige Autos, goldene Uhren, Champagner und Luxusvillen in begrünten Vororten vor. Um Steuerschulden in Höhe einer Million Dollar zu begleichen, verkaufte er eine dieser Villen, die über ein eigenes Kino und ein Raucherzimmer verfügte. Zudem wird ihm Korruption vorgeworfen, was er jedoch bestreitet.

Rund 27,6 Millionen registrierte Wähler waren am Mittwoch aufgerufen, über die Besetzung des 400 Sitze starken Parlamentes abzustimmen, das im Juni dann den neuen Präsidenten bestimmen wird.

In vielen Wahlbezirken standen die Menschen stundenlang Schlange, in einigen Fällen mussten die Wahllokale länger geöffnet bleiben als geplant. Dies lag laut der Unabhängigen Wahlkommission (IEC) an einer hohen Wahlbeteiligung und daran, dass vor allem in den Städten viele erst spät zur Wahl gingen. Die Beteiligung werde “deutlich über” den 66 Prozent von 2019 liegen.

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