Von: ka
Trient – Regionalrat spricht sich mehrheitlich für parteiübergreifenden Antrag aus. Nachtragshaushalt, Wirtschafts- und Finanzdokument, Haushalt des Regionalrats.
Am Nachmittag wurde die Artikeldebatte zum Gesetzentwurf Nr. 101: Nachtragshaushalt der Autonomen Region Trentino-Südtirol für die Haushaltsjahre 2017-2019 (eingebracht von der Regionalregierung) – wieder aufgenommen.
Präs. Arno Kompatscher legte Zusatzartikel 8-bis und 8-ter vor, welche die Übernahme des Verwaltungsgerichts des Personals betreffen und die vom Plenum angenommen wurden. Von 394 Mitarbeitern hätten sich nur 29 nicht für den Übergang zur Region entschieden, teilte Kompatscher mit.
Auf Nachfrage von Myriam Atz Tammerle und Hans Heiss erklärte Ass. Giuseppe Detomas zu Art. 9, dass es nur um eine Rationalisierung der Beiträge an die Kulturinstitute gehe, die bereits jetzt zum Großteil von den beiden Provinzen finanziert würden. Nun solle das Geld für die regionalen Beiträge an die Provinzen überwiesen werden, die dann für die Förderung zuständig seien.
Auch über diesen Gesetzentwurf wurde getrennt nach Provinzen abgestimmt. 17 Trentiner Abgeordnete stimmten mit Ja, 7 mit Nein, 1 enthielt sich der Stimme. 17 Südtiroler Abgeordnete stimmten mit Ja, 14 mit Nein, 1 enthielt sich. Da die nötige absolute Mehrheit nicht erreicht wurde, wird der Gesetzentwurf an das vorgesehene Schlichtungsorgan überwiesen.
Beschlussfassungsvorschlag Nr. 49: Abgabe des Gutachtens im Sinne des Artikels 37 der Geschäftsordnung zum „Wirtschafts- und Finanzdokument der Region (WFDR) 2017“ (eingebracht von der Regionalregierung).
Der Vorschlag wurde ohne Debatte mit 24 Ja, 4 Nein und 17 Enthaltungen genehmigt.
Beschlussfassungsvorschlag Nr. 50: Genehmigung der ersten Änderung des Haushaltsvoranschlages des Regionalrats für die Finanzjahre 2017-2018-2019 (eingebracht vom Präsidium des Regionalrates).
Auf Nachfrage von Hans Heiss erklärte Regionalratspräsident Thomas Widmann, dass 500.000 Euro für zu erwartende Rechtsspesen vorgesehen werden, die sich durch die Verfahren mit den Altmandataren ergeben, rund 1. Mio. Euro seien für die vorgesehene Auszahlung an die Altmandatare Hermann Thaler und Pius Leitner bestimmt.
Die Haushaltsänderung wurde mehrheitlich genehmigt.
Begehrensantrag Nr. 8, eingebracht von den Regionalratsabgeordneten Pöder, Artioli, Kaswalder, Oberhofer, Knoll, Atz Tammerle, Zimmerhofer, Degasperi, Blaas, Foppa, Dello Sbarba, Heiss und Tschurtschenthaler, auf dass das Parlament und die Regierung das Impfdekret vom 7. Juni 2017 überarbeiten mögen, damit die Zwangsmaßnahmen durch andere geeignete Maßnahmen ersetzt werden, welche die Einhaltung der Impfvorgaben der WHO für einen effizienten Schutz vor gefährlichen Infektionskrankheiten gewährleisten, und eine umfassende und ausgewogene Aufklärungskampagne der öffentlichen Stellen zur Steigerung der Durchimpfungsrate gestartet werde. Das geltende Dekret sehe immer noch die strengen Zwangsmaßnahmen vor, erklärte Andreas Pöder (BürgerUnion-Team Autonomie), hohe Geldbußen, Ausschluss vom Unterricht, Entzug des Elternrechts. Nun habe der Senat heute die Strafen gesenkt, die Zahl der Impfungen reduziert und die Meldepflicht an die Staatsanwaltschaft gestrichen, aber das Kindergartenverbot bleibe. Es sei auch widersprüchlich, wenn ein nicht geimpftes Kind den Kindergarten nicht besuchen dürfe, die Volksschule danach aber schon. Es gehe immer um einen Eingriff an gesunden Kindern, die Eltern hätten also ein Recht, sich Sorgen zu machen.
Die Hauptsorge der Eltern betreffe nicht die Strafen, sondern die Gesundheit der Kinder, meinte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Es gehe in dieser Debatte aber nicht um das Impfen an sich. Hier würden Eltern plötzlich mit 12 Impfungen konfrontiert. Er kenne einen Fall mit Impfschaden, aber man müsse auch die Frage berücksichtigen, was ohne Impfung wäre. Mit den Zwangsmaßnahmen erreiche man das Gegenteil von dem, was man wollte. Die Verunsicherung, die Angst vor Impfschäden werde dadurch steigen. Daher sollte man mehr auf Aufklärung setzen. Andere Staaten mit höherer Durchimpfungsrate hätten keinen Impfzwang. Die Politik sollte keinen Glaubenskrieg für oder gegen Impfungen führen, sondern die Bevölkerung bestmöglich über Vorteile und Risiken aufklären. Es seien die Eltern, die dann die Verantwortung tragen müssten.
Auch Brigitte Foppa (Grüne) plädierte für eine sachliche Debatte und gegen einen Glaubenskrieg zur Impfung. In Südtirol würden sich Eltern sehr bewusst in dieser Frage entscheiden. Dem aber werde mit dem genannten Dekret eine enge Grenze gesetzt. Viele Eltern würden sich nun mit der Frage beschäftigen, wie sie die Strafen bezahlen sollten, viele würden sich auch überlegen, ob sie ihre Kinder noch in die Schule schicken sollten. In Europa seien die Pflichtimpfungen wenig verbreitet, Italien gehe in eine andere Richtung. Anderswo setze man auf Sensibilisierung.
Tamara Oberhofer (Freiheitliche) mahnte, die emotionale Ebene nicht zu unterschätzen, diese werde für die Menschen immer wichtiger. Für die Eltern sei es auch wichtig, dass sie selbst entscheiden könnten. Dieses Dekret gehe zu weit, diese Zwangsmethoden seien heutzutage nicht mehr angebracht. Die Beratungsschiene sei wichtig, denn sonst würden sich viele im Internet informieren, und das könne gefährlich werden. Im Veneto gebe es seit zehn Jahren keine Impfpflicht mehr, und die Durchimpfungsrate liege bei 90 Prozent.
Walter Kaswalder (gemischte Fraktion) dankte Pöder für seine Initiative. Die Eltern, mit denen er gesprochen habe, seien nicht grundsätzlich gegen die Impfung, sondern gegen den Zwang. In seiner Kindheit seien vier Impfungen vorgesehen gewesen, nun seien es plötzlich zehn, und eine solche Häufung könne für ein Kind sehr wohl zu Problemen führen. Der Trentiner Landtag habe einen ähnlichen Vorstoß des Kollegen Degasperi leider abgelehnt. In dieser Frage dürfe man nicht auf Rom hören, sondern auf die eigenen Bürger.
Rodolfo Borga (Amministrare e Civica Trentina) sah sich außerstande, eine Grundsatzposition für oder gegen das Impfen einzunehmen, auch die Ärzte seien nicht alle derselben Meinung. Es sei aber eigenartig, wenn die Regierung mit einer Dringlichkeitsverordnung eine Vorschrift einführe, die es in anderen europäischen Staaten nicht gebe. Das sei für ihn Grund genug, Pöders Antrag zu unterstützen.
Filippo Degasperi (M5S) forderte eine Stellungnahme der Regionalregierung in dieser Angelegenheit. Es gebe keinen Grund für eine Dringlichkeitsverordnung, in der Vergangenheit habe es auch schon eine Häufung von Masernfällen gegeben, und niemand sei deswegen nervös geworden. Dass das Dekret jetzt abgeschwächt wurde, sei ein Verdienst der Bürger, nicht der Politiker. Nicht bei allen Krankheiten sei eine Durchimpfungsrate von 95 Prozent notwendig, das Dekret mache aber keinen Unterschied.
Lorenzo Baratter (PATT) sprach sich in Abweichung von seiner Parteilinie für den Antrag aus. Es gebe in dieser Sache zu viele Zweifel, die auch die Eltern plagten. Zumindest eine Vertiefung des Themas wäre nötig gewesen, bevor man solche Zwangsmaßnahmen beschließe, etwa die spezifische Durchimpfungsrate für jede Krankheit, die Impfnotwendigkeit für die verschiedenen Altersklassen u.a.m. Die autonome Region sollte ein Übungsfeld für neue Methoden sein.
Claudio Cia (Lega Nord-Forza Italia) erinnerte daran, dass es heute nicht um die Impfung gehe, sondern um die Zwangsmaßnahmen. Der Antrag forderte, dass die Regierung diese Maßnahmen überdenke. Man müsse sich grundsätzlich überlegen, ob man den Zwang aufrechterhalten wolle. Er frage sich, warum man so plötzlich von 4 auf 12 und dann auf 10 Pflichtimpfungen übergegangen sei. Als Politiker müsse man die Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen, ohne Trends nachzulaufen. Wichtig sei, dass man den Eltern eine umfassende Information biete, damit sie eine bewusste Entscheidung treffen könnten.
Einbringer Andreas Pöder dankte für die ausgewogenen Stellungnahmen. Die Politik habe bereits im Landtag gezeigt, dass sie zu ihren Bürgern stehe und ihre Sorgen ernst nehme.
Nach einer Unterbrechung für eine Beratung unter der SVP erklärte Dieter Steger die Zustimmung zum Antrag. Die Landesregierung und auch die Südtiroler Parlamentarier hätten sich in Rom bemüht und auch eine deutliche Verbesserung des Dekrets erreicht. Man stimme dem Antrag zu, wie man bereits schon im Landtag zugestimmt habe, wenngleich die Region bei diesem Thema keine Zuständigkeit habe.
Alessandro Urzì (gemischte Fraktion) stellte fest, dass der Antrag sich gegen das nun entschärfte Dekret richte. Er forderte die SVP zu mehr politischer Klarheit gegenüber der Regierung auf. Er gehöre zu denen, die die Gefahr von Epidemien ernst nehmen, auch angesichts der Einwanderung.
Steger habe aus der Frage ein politisches Thema gemacht, meinte Maurizio Fugatti (Lega Nord) und fragte den PD, wie er zur Frage stehe. Er selbst werde für den Antrag stimmen.
Myriam Atz Tammerle (STF) kündigte die Zustimmung ihrer Fraktion an, die auch für die persönliche Selbstbestimmung sei. Die Ängste der Eltern sollten ernst genommen werden. Eine niedrige Durchimpfungsrate sei Anlass genug, sich die Gründe dafür näher anzuschauen. Das Impfdekret sei völlig überzogen.
Walter Blaas (F) kündigte ebenfalls Zustimmung an. Bei der seinerzeitigen Schweinegrippe habe man ein Horrorszenario aufgebaut, die Pharmaindustrie habe Geschäfte gemacht, aber die Epidemie habe sich als normale Grippe erwiesen. Die SVP lenke immer ein, wenn Zuschauer auf der Tribüne säßen, sonst versperre sie sich den Argumenten. Die Materie wäre auch auf europäischer Ebene besser zu regeln.
Alessio Manica (PD) bezeichnete den Antrag als überholt, da das Dekret bereits geändert wurde. Dem zweiten Teil des Antrags könne man zustimmen. Die Trentiner Landesregierung setze bereits sehr auf Aufklärungsmaßnahmen.
Filippo Degasperi (5 Sterne Bewegung) kritisierte, dass sein gleichlautender Antrag im Trentiner Landtag abgelehnt wurde. Der PD zeige sich hier widersprüchlich.
Präs. Arno Kompatscher bezeichnete die Emotionalität in der Auseinandersetzung zum Thema als verständlich, hier gehe es um das individuelle Recht der Eltern und das allgemeine Recht auf Schutz der Gesundheit. Die Impfpflicht habe bereits vorher bestanden, beim Dekret gehe es darum, eine höhere Durchimpfungsrate zu erreichen. Dieses Ziel sei im Interesse des kollektiven Gesundheitsschutzes zu erreichen. Die Frage sei, wie man es erreichen wolle, mit Zwangsmaßnahmen oder mit Aufklärung. Seit Annahme des Beschlussantrags im Südtiroler Landtag sei das Dekret deutlich geändert worden, und zwar im Sinne des Landtagsbeschlusses, dessen Ziel nicht die Abschaffung der Impfpflicht sei. Der vorliegende Antrag sei nun eigentlich überholt. Kompatscher empfahl, die Stellungnahme von Elena Cattaneo nachzulesen, eine der führenden Forscherinnen auf diesem Gebiet, die auch deswegen zur Senatorin auf Lebenszeit ernannt wurde.
Die Prämissen des Antrags wurden mit 25 Ja und 27 Nein abgelehnt. Der erste beschließende Teil wurde mit 39 ja und 16 Nein, der zweite Teil mit 53 Ja, 1 Nein und 1 Enthaltung angenommen.
Der Regionalrat tritt im September wieder zusammen.