Von: apa
Nach seinem triumphalen Wahlsieg schreitet der künftige Innsbrucker Bürgermeister Johannes Anzengruber (JA – Jetzt Innsbruck) zu Sondierungsgesprächen über die Bildung einer künftigen Koalition. Ab heute, Montag, will der gewählte Stadtchef mit allen im Gemeinderat vertretenen Fraktionen reden. Bis Ende der Woche soll es dann eine Entscheidung geben, mit wem man in konkrete Koalitionsverhandlungen tritt, sagte ein Anzengruber-Sprecher am Montag zur APA.
Bis dahin werde man mit den anderen sieben Parteien sondiert haben. Es handle sich jedenfalls vorerst um keine Koalitionsverhandlungen bzw. Gespräche, betonte der Sprecher. Es gehe jetzt um das Austauschen von Inhalten und das Herausfinden von Schnittmengen. Zunächst sind am Montag die Grünen von Noch-Bürgermeister Georg Willi an der Reihe, die die größte Fraktion im künftigen Innsbrucker Gemeinderat bilden, dann folgt die FPÖ. Die Sondierungsgespräche würden unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden und daher auch ohne mediale Begleitung, wurde betont. Erst wenn diese abgeschlossen und eine Entscheidung über konkrete Koalitionsverhandlungen gefällt worden sei, werde man die Medien wieder informieren. Dies gehöre zur neuen Vertraulichkeit und zum “neuen Stil”, den der neue Bürgermeister vorleben möchte, hieß es.
Die Zeit für die Bildung einer Koalition drängt indes ein bisschen. Denn am 16. Mai soll schon die konstituierende Sitzung des neuen Gemeinderates mit der Angelobung des 44-jährigen Anzengruber als Bürgermeister über die Bühne gehen. Bis dahin soll die neue Koalition stehen.
Bis dato galt arithmetisch und politisch eine sogenannte “Caprese-Koalition” bzw. Mitte-Links-Dreierkoalition aus der Anzengruber-Gruppierung, den Grünen und der SPÖ als absolut wahrscheinlichste Variante. Sie verfügt über 22 von 40 Gemeinderatsmandaten. Willi und seine Grünen drängten zuletzt massiv darauf. Doch Anzengruber legte sich bisher nicht fest. Daran ändert offenbar auch die teils “gemeinsame” Wahlparty im Innsbrucker Treibhaus Sonntagabend nichts, bei der Willi und SPÖ-Stadträtin Elisabeth Mayr gemeinsam mit Anzengruber auf der Bühne standen und bejubelt wurden. Auch SPÖ-Landeshauptmannstellvertreter und Landesparteichef Georg Dornauer sowie seine Lebensgefährtin, die trentinische Rechts-Politikerin der “Fratelli d’Italia”, Alessia Ambrosi, applaudierten heftig.
Später sorgte auch noch ein Sirtaki-Tanz der möglichen “Caprese”-Koalitionäre – mit dem Frontmann der linken Liste “ALI”, Mesut Onay, als “Zutat” – für Aufsehen. Einträchtig schwangen da Anzengruber, Willi, Mayr, SPÖ-Stadtparteichef Benjamin Plach und weitere das griechische Tanzbein. Entsprechende Videos gingen eifrigst viral und sorgten für Debatten vor allem in der Twitter- und sonstigen Social Media-“Blase”.
Dies alles sage nichts aus und lasse keine Schlussfolgerungen zu, erklärte der Anzengruber-Sprecher. Die Grünen- und SPÖ-Vertreter seien zum Gratulieren gekommen. Wäre etwa FPÖ-Frontmann Markus Lassenberger im Treibhaus anwesend gewesen, hätte man ihn ebenfalls auf die Bühne gebeten.
Im Raum stand bisher auch eine – unwahrscheinlichere – Mitte-Rechts-Viererkoalition aus Anzengruber, der FPÖ, “das Neue Innsbruck” und der Liste Fritz. Diese schloss die Liste Fritz aber bisher aus. Ebenso unklar blieb, ob “das Neue Innsbruck” von Ex-ÖVP-Staatssekretär Florian Tursky sowie die FPÖ im Falle einer Mitte-Links-Dreierkoalition Ressortverantwortung im – aus derzeit aus sieben Mitgliedern bestehenden – Stadtsenat bekommen. Beiden stünde voraussichtlich jeweils ein Sitz zu.
Der mit einer schweren Niederlage aus der Gemeinderatswahl hervorgegangene Ex-ÖVP-Staatssekretär Tursky will indes offenbar mehr. “Ja, wir wollen künftig Verantwortung tragen und in einer Koalition mitregieren”, sagt er in der “Tiroler Tageszeitung” (Montagsausgabe). Eine Mitte-Links-Variante mit Tursky würde auf 26 von 40 Mandate kommen. Grüne und SPÖ sollen diese Variante aber jedenfalls ablehnen.
Fraglich bleibt, inwieweit Ex-ÖVP-Vizebürgermeister Anzengruber bei der Koalitionsbildung Signale an das bürgerliche sowie freiheitliche (Wähler)-Lager aussenden muss und will. Denn diese dürften ihm doch entscheidend zu dem Erdrutschsieg am Sonntag verholfen haben. “Wiedereingemeindungstendenzen” bzw. derartige Versuche der ÖVP waren in den vergangenen zwei Wochen jedenfalls deutlich zu vernehmen.
Der von seiner Partei ausgeschlossene Anzengruber hatte sich in der Stichwahl gegen Amtsinhaber Willi klar mit 59,59 Prozent der Stimmen durchgesetzt. Willi kam auf 40,41 Prozent und muss damit nach nur einer Amtsperiode seinen Sessel räumen.
Das städtische Statistikamt warf am Montag indes einen genaueren, analytischen Blick auf das Wahlergebnis. Anzengruber hatte demnach in 113 von insgesamt 147 Wahlsprengeln (ohne Heim- und Sondersprengel) die Nase vorn. Seine besten Ergebnisse fuhr der Ex-ÖVPler in den Stadtteilen Olympisches Dorf, Reichenau, Pradl, Amras und Sieglanger/Mentlberg ein – Sprengel, die im ersten Wahlgang mehrheitlich den FPÖ-Kandidaten Markus Lassenberger favorisiert hatten. Für die Stadt-Statistiker war dies “ein Indiz dafür”, dass der künftige Amtsinhaber seinen Wahlerfolg FPÖ-Wählern zu verdanken habe. Anzengruber kam in den FPÖ-Hochburgen auf Zustimmungswerte von 75,6 Prozent. In den ehemaligen Tursky-Sprengeln konnte der nunmehr gewählte Bürgermeister 68,1 Prozent auf sich vereinen.
Willi wiederum reüssierte nur mehr in den Stadtteilen Innenstadt, Mariahilf-St. Nikolaus und Wilten. Diese Gebiete seien vorwiegend jung, urban und studentisch geprägt, beschrieb das Statistikamt das Klientel, das dem bisherigen Amtsinhaber die Treue gehalten hatte. In den “jungen Wahlsprengeln” und jenen mit stark überdurchschnittlichen Unionsbürgeranteil wählten 57,4 Prozent den grünen Amtsinhaber. Auch in den bürgerlichen Stadtteilen Saggen, Hötting und Hungerburg schnitt Willi im Vergleich zum Urnen-Gesamtergebnis “überdurchschnittlich” ab, hieß es.