Von: luk
Bozen – Im Südtiroler Landtag standen heute Vormittag Anträge von Freiheitlichen, Alto Adige nel cuore und Süd-Tiroler Freiheit auf der Tagesordnung.
Beschlussantrag Nr. 712/16: „Kölner Memorandum“ für eine andere Entwicklungspolitik (eingebracht von den Abg. Leitner, Blaas, Mair, Tinkhauser, Stocker S. und Oberhofer am 1.12.2016). 1.) Der Landtag möge sich das „Kölner Memorandum für eine andere Entwicklungspolitik“, das diesem Antrag anhängig ist, zu eigen machen. Gleichzeitig fordert er die Landesregierung auf, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Ziele des gegenständlichen Memorandums umzusetzen. 2.) Das Präsidium bzw. die Landesregierung werden beauftragt, diesen Beschlussantrag der italienischen Regierung zur Kenntnis zu bringen und ihr die Umsetzung der im Memorandum genannten Ziele zu empfehlen.
Pius Leitner (Freiheitliche) stellte das Kölner Memorandum vor, welches 2016 von namhaften Persönlichkeiten aus verschiedenen Parteien und von ehemaligen Diplomaten erarbeitet wurde. Demnach habe die bisherige Entwicklungshilfe zwar einige Erfolge erzielt, das Grundproblem der Armut aber nicht lösen können. Auf eine reine Budgetförderung sollte verzichtet werden, stattdessen sollte man sich auf Kernbereiche konzentrieren und vor allem Hilfe zur Selbsthilfe geben. Wettbewerbsverzerrende Handelspraktiken, die sich in Afrika als Jobkiller auswirkten, sollten unterlassen werden. Die Unterstützung der Bildung sollte mehr auf berufliche Ausbildung abzielen, um den “Brain Drain” nicht zu unterstützen. Dem in Europa tätigen afrikanischen Fachpersonal sollte eine Rückkehr in die Heimat ermöglicht werden. Dringend geboten sei die Unterstützung von Familienplanungsprogrammen.
Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit) konnte dem Antrag sehr viel abgewinnen. Auch Obama habe seine angekündigte Afrikapolitik nicht umsetzen können, zum anderen seien, siehe China, neue Kolonialherren in Afrika auf den Plan getreten.
Einige Punkte des Memorandums konnte auch Riccardo Dello Sbarba (Grüne) unterstützen, vor allem zur Handels- und Agrarpolitik. Europa verkaufe seine Landwirtschaftsprodukte in Afrika mit EU-gestütztem Tiefstpreis, und das bedeute den Ruin der afrikanischen Wirtschaft. Dello Sbarba kritisierte, dass diese positiven Ansätze des Memorandums im beschließenden Teil des Antrags nicht vorkommen. Übrigens seien in der Südtiroler Entwicklungshilfepolitik die Prinzipien des Memorandums bereits enthalten.
Offensichtlich kenne Leitner die Prioritäten der Südtiroler Entwicklungshilfepolitik nicht, meinte Dieter Steger (SVP). Darin gehe es genau um die Unterstützung der Bildung, der kleinen konkreten Projekte, der Mikrokredite und andere Maßnahmen, die im Memorandum genannt würden. Es sei nicht nötig, die seit Jahren bestehende Politik mit einem Beschlussantrag zu unterstreichen.
Paul Köllensperger (5 Sterne Bewegung) sah einen Paradigmenwechsel als nötig. Das bedeute aber auch, dass man ein Minus in den entwickelten Ländern in Kauf nehmen müsse, denn die Ressourcen seien nicht beliebig vermehrbar. Wichtig wäre es, einen bestimmten Raubbau an Ressourcen durch die Konzerne zu unterlassen. Eine solche Politik müsste aber von der UNO getragen werden, sonst würden Freiräume, die Europa hinterlassen, sofort von den USA oder China besetzt.
Andreas Pöder (BürgerUnion) berichtete von Gesprächen mit ehemaligen Diplomaten, die die derzeitige Entwicklungshilfe mit Geldbeträgen kritisierten. Das Kölner Memorandum sei sehr gut. Er fände es auch richtig, wenn man zu Abkommen fände, wonach afrikanische Länder, die Entwicklungshilfe bekämen, abgewiesene Asylwerber wieder zurücknehmen müssen.
Auch Hans Heiss (Grüne) sah einige gute Ansätze im Memorandum. Dieses ziele aber vor allem auf die afrikanischen Verhältnisse ab. Global habe sich die Situation drastisch verbessert, nur Afrika sei zurückgeblieben. Die Waffenlieferungen trügen wesentlich dazu bei. Andererseits sollten viele positive Beispiele der Entwicklungshilfe, etwa die der Caritas und anderer Organisationen, nicht unterbrochen werden. Daher werde er gegen den Antrag stimmen.
Im Memorandum fehle die Klimaproblematik, fand Sven Knoll (STF). Klimakatastrophen könnten auch jede Entwicklungshilfe zunichte machen. Der Westen habe schon zu Zeiten der Sklaverei Afrika seines besten Humankapitals beraubt, nun geschehe dasselbe durch die Migration. Europa habe seinen Teil der Schuld, aber es sei nicht schuld daran, wenn manche afrikanische Staaten mehr für Waffen ausgäben als für ihre Bürger. Knoll unterstützte den Antrag, weil es ein Umdenken in der Entwicklungshilfe brauche.
Die Entwicklungshilfe der Landesregierung gehe in Richtung des Memorandums, bestätigte Sigmar Stocker (F), aber das sei kein Grund, das Memorandum abzulehnen. Die Grünen seien im Grunde nicht dafür, dass in Afrika Arbeitsplätze geschaffen werden, sie wollten mehr Einwanderung. Es müsse auch gesagt werden, dass die Caritas die Textilindustrie in Afrika zerstöre.
Das Memorandum enthalte viele neue Ideen, die in die richtige Richtung wiesen, erklärte LR Richard Theiner, und die traditionelle Entwicklungshilfe habe ihre Ziele nicht erreicht. Die Südtiroler Entwicklungshilfe gehe andere Wege, und das sei hinlänglich bekannt. Auch die Südtiroler Weltläden hätten in ganz Italien eine Neuorientierung erreicht. Südtirols Entwicklungshilfe habe das Memorandum de facto bereits umgesetzt. Theiner plädierte gegen den Antrag, der besser an das italienische Parlament gerichtet werden sollte.
Pius Leitner bedankte sich für die Debatte. Das Memorandum sei sicher nicht allumfassend. Das Ziel sei es, nicht nur über die Einwanderung zu reden, sondern deren Ursachen zu bekämpfen. Und dabei könne man nicht die Schuld allein in der Kolonialzeit suchen. Es kämen nicht die Armen übers Meer, sie könnten sich die Schlepper gar nicht leisten.
Der Antrag wurde mit 15 Ja und 19 Nein abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 713/16: Kostenlose medizinische Verordnung und Lieferung an alle Diabetespatienten von medizinischen Messgeräten zur kontinuierlichen Bestimmung des Blutzuckers durch unter der Haut platzierte Sensoren (eingebracht vom Abg. Urzì am 5.12.2016).
“Seit einigen Jahren wird in Italien ein neues Blutzuckermessgerät ohne Stechhilfe angeboten”, berichtete Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore). “Es handelt sich um eine große Neuigkeit, wenn man bedenkt, dass jeder zweite Diabetespatient die routinemäßige Kontrolle des Blutzuckerspiegels „überspringt“, um sich nicht täglich die Fingerkuppen stechen zu müssen. Diese fortschrittliche auf Sensoren basierende Technologie liefert ein umfassendes Glukose-Profil ohne Lanzetten und Fingerstechen, sodass die Blutzuckermessung weniger schmerzhaft und gleichzeitig dem Patienten und den Ärzten aufschlussreiche Daten rund um das Glukose-Profil vermittelt, damit die besten therapeutischen Maßnahmen zur optimalen Behandlung getroffen werden können.” Diese Geräte hätten natürlich Kosten, aber dies werde aufgewogen durch das Wegfallen der Kosten, die mit der traditionellen Methode anfallen.
Mit der neuen Methode könne man insgesamt viel Geld sparen, bestätigte Elena Artioli (Team Autonomie), gleichzeitig verbessere sich dadurch die Lebensqualität der Patienten dramatisch.
Dieter Steger (SVP) unterstützte das Anliegen. Es sei auch langfristig mit weniger Kosten verbunden und biete eine bessere Behandlung.
Auch Hans Heiss (Grüne) kündigte Unterstützung an. Das Land habe bereits vor zwei Jahren mehrere hundert traditionelle Messgeräte angekauft, es seien aber nicht alle verteilt worden. Er fragte, ob beim Ankauf der neuen Geräte eine effizientere Verteilung gewährleistet wäre.
Andreas Pöder (BürgerUnion) befand den Antrag ebenfalls für vernünftig und kündigte seine Zustimmung an.
Die neue Methode sei interessant, es sei aber nicht sicher, ob sie die alte Methode komplett ersetzen könne, gab Sven Knoll (STF) bedenken. Der subkutane Chip müsse alle vierzehn Tage ausgetauscht werden, und das sei kein geringerer Eingriff als die bisherige Methode. Der Patient müsse auch geschult werden, mit den kontinuierlich gelieferten Daten umzugehen, um Fehlbehandlungen zu vermeiden. Dies fordere auch der deutsche Diabetikerverband. Grundsätzlich stimme er dem Antrag aber zu.
Elena Artioli präzisierte, dass der Chip auf Anfrage Daten liefere, indem man z.B. mit dem Handy drüberfahre. Den Austausch des Chips könne man selbst vornehmen, mit einem entsprechenden Apparat.
LR Martha Stocker kündigte die Annahme des Antrags an, vorausgesetzt, dass die Ausgabe aufgrund medizinischer Indikation erfolge. Bis Ostern werde man diese und andere Maßnahmen in der Landesregierung beschließen. Jeder Schritt werde mit Zuständigen und Betroffenenorganisationen abgesprochen.
Alessandro Urzì dankte für die breite Zustimmung und erklärte sich mit der von LR Stocker vorgeschlagenen Änderung einverstanden.
Der so geänderte Antrag wurde einstimmig angenommen.
Beschlussantrag Nr. 722/16: Für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Busfahrer bei der SAD AG (eingebracht von den Abg. Leitner, Blaas, Oberhofer und Stocker S. am 23.12.2016). Der Landtag möge die Landesregierung auffordern, dafür Sorge zu tragen, dass im Bereich des Personentransports 1. die Konzessionäre auch die Dienstpausen entlohnen; 2. die Gehälter und die Arbeitsbedingungen generell verbessert und schrittweise an jene von Nordtirol angepasst werden; 3. die Arbeitszeiten so eingeteilt werden, dass die Bedürfnisse des Familienlebens, des Vereinswesens und des Ehrenamtes berücksichtigt werden können; 4. im Fall von Linien- und Skibussen vermehrt auf Fahrerkarten gesetzt wird; 5. der Zweisprachigkeitsnachweis seitens der Bediensteten mit dem ersten Arbeitstag auch bei Subunternehmen zu erbringen ist.
“Immer mehr Busfahrer der SAD AG beklagen, dass sich in letzter Zeit die Arbeitsbedingungen verschlechtert haben”, berichtete Pius Leitner (Freiheitliche). “Das Arbeitsklima ist äußerst angespannt: – schlechte Einteilung der Arbeitsturnusse mit negativen Auswirkungen auf das Familien- und Vereinsleben; – zunehmende Dienstspannen von 13-14 Arbeitsstunden; – unbezahlte Dienstpausen; – eine monatliche Mensazulage von lediglich Euro 16,50; – ein monatlicher Grundlohn von 830,00 Euro bzw. ein monatlicher Nettolohn von Euro 1.500,00; – die Befürchtung, dass man verstärkt auf befristete Arbeitsverträge setzen will, damit so billige Arbeitskräfte aus dem Ausland ohne Zweisprachigkeitsnachweis eingestellt werden können; – der Umstand, dass zahlreiche Bedienstete den Arbeitsvertrag bei der SAD AG wegen der schlechten Arbeitsbedingungen bereits gekündigt haben und viele unmittelbar vor einem solchen Schritt stehen.” Die SAD bekomme vom Land Geld für den Dienst, ein Eingreifen sei daher gerechtfertigt. Mit der Einhaltung der Zweisprachigkeitsbestimmungen habe nicht nur die SAD Probleme, sondern auch Post und Bahn, die vielfach Mitarbeiter aus anderen Provinzen nach Südtirol versetzten.
Er sei absolut dafür, für bessere Arbeitsbedingungen der Angestellten zu sorgen, erklärte Andreas Pöder (BU). Es gehe hier aber um einen Privatbetrieb. Mitverantwortlich sei das Land bei den Turnussen, da es enge Fahrpläne vorgebe.
Dieter Steger (SVP) äußerte Zweifel, ob das Land hier einschreiten könne, denn die meisten Forderungen seien Angelegenheit der Vertragspartner. Die Zweisprachigkeitsbestimmungen seien natürlich einzuhalten. In der nächsten Ausschreibung würden auch Strafen für Zuwiderhandlung festgelegt. Bei Notsituationen könne man das aber nicht garantieren.
Myriam Atz Tammerle (STF) bezeichnete den Antrag als realistische Bestandsaufnahme der Zustände bei der SAD. Die Busfahrer müssten oft an entlegensten Stellen stundenlange Dienstpausen einhalten. Die Politik mische sich auch bei anderen Betrieben ein, siehe MEMC oder Hoppe. Eine Möglichkeit der Einflussnahme wäre das PPP-Projekt, mit dem auch die verschiedenen Zuständigkeiten definiert werden könnten. Auch zur Zweisprachigkeit brauche es klarere Regeln. Es gebe auch EU-Regelungen zu den Arbeitsspannen, die man berücksichtigen müsste.
Laut Gewerkschaften seien die Arbeitsbedingungen bei der öffentlichen SASA besser, berichtete Riccardo Dello Sbarba (Grüne). Bezüglich der Zweisprachigkeit meinte er, einerseits gebe es Schwierigkeiten, zweisprachiges Personal zu finden, andererseits müsste auch die Zweisprachigkeitszulage ausbezahlt werden. Er unterstütze die Forderungen der Gewerkschaften. Die Frage sei, wie weit das Land sich in diese Auseinandersetzung einmischen wolle.
Die Entlohnung hänge von Kollektivverträgen und eventuellen Firmenabkommen ab, erklärte LR Florian Mussner, ein Landesabkommen gebe es nicht. Das Land habe sich schon oft als Vermittler angeboten, für einen Landeszusatzvertrag, aber auch bei Streiks, es bemühe sich auch immer um gute Arbeitsbedingungen, um einen besseren Dienst zu erhalten. Leider seien sich die Gewerkschaften zum Zusatzvertrag nicht einig. Punkt 4 des Antrags sei bereits erfüllt. Grundsätzlich müssten alle Busfahrer in öffentlichen Diensten über den Zweisprachigkeitsnachweis verfügen. Fänden sich nicht genug, müsse der Dienst dennoch aufrecht erhalten werden, und zu diesem Zweck könne für begrenzte Zeit von der Norm abgewichen werden – wobei das Land aber Sprachkurse anbiete. Wenn es um Autonomiebestimmungen gehe, werde sich das Land immer einsetzen. Mussner sprach sich schließlich gegen den Antrag aus, weil er teilweise schon umgesetzt werde und teilweise nicht in die Zuständigkeit des Landes falle.
Der Antrag wurde mit 14 Ja und 16 Nein abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 691/16: Neuausrichtung und Umstrukturierung der Südtiroler Sportwelt (eingebracht von den Abg. Zimmerhofer, Knoll und Atz-Tammerle am 20.10.2016) Der Antrag war bereits im November andiskutiert worden. Der Landtag möge die Landesregierung auffordern: 1. die Gründung unabhängiger Süd-Tiroler Sportverbände zu fördern; 2. alle notwendigen Maßnahmen auf gesamtstaatlicher und zwischenstaatlicher Ebene zu ergreifen, damit Süd-Tirols Sportler bei gesamtstaatlichen und auch bei zwischenstaatlichen Sportereignissen eigenständig und in den eigenen Landesfarben antreten dürfen, genauso wie es andere Länder ohne politische Souveränität auch dürfen; 3. sich mit dem Bundesland Tirol bei der Durchführung internationaler Wettbewerbe eng abzustimmen und möglichst gemeinsam durchzuführen; 4. eine gemeinsame Nutzung von Sportschulen und Sportinfrastrukturen mit dem Bundesland Tirol zu fördern.
Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit) bestand gegenüber verschiedenen Änderungsvorschlägen auf der ursprünglichen Fassung.
LR Martha Stocker zeigte sich darüber sehr überrascht. Man habe in der gemeinsamen Arbeitsgruppe eigentlich gute einvernehmliche Lösungen gefunden. Bei dieser Haltung könne die Landesregierung dem Antrag nicht zustimmen.
Auch Sigmar Stocker (F) und Hans Heiss (Grüne) teilten als Mitglieder der Arbeitsgruppe die Position der Landesrätin.
Der Antrag wurde in mehreren Teilabstimmungen mehrheitlich abgelehnt.