Pöder: "Realität sieht etwas anders aus"

“Arno im Märchenschloss”

Freitag, 02. Juni 2017 | 16:44 Uhr

Von: luk

 

Wien/Bozen – Anlässlich der Diskussion im Wiener Außenministerium am vergangenen Mittwoch zur Abgabe der Streitbeilegungseklärung zwischen Österreich und Italien kritisiert der Landtagsabgeordnete der BürgerUnion, Andreas Pöder, die reichlich rosige Darstellung der Autonomiesituation durch Landeshauptmann Arno Kompatscher.

“Anders als von Landeshauptmann Kompatscher dargestellt, befindet sich die Südtirolautonomie im Verteidigungsmodus gegen Staat und Verfassungsgericht und gegen andere Regionen.  Die internationale Absicherung, die Kompatscher in Wien immer wieder unterstrich und betonte ist eine sehr theoretische schon fast rechtsphilosophische angesichts der Tatsache, dass sich faktisch der Verfassungsgerichtshof und auch die italienische Regierung im Rechtsalltag nicht darum schert”, unterstreicht der Abgeordnete.

“Freilich durften kritische Stimmen etwa der deutschen Opposition bei der Podiumsdiskussion unter dem Titel ´Strategiegespräche´ nur als Zuschauer dabei sein, am Podium saßen LH Kompatscher, Senator Francesco Palermo und der frühere ÖVP-Nationalratspräsident Andreas Khol”, so Pöder.

Landeshauptmann Kompatscher stellte die Entwicklung der Autonomie seit der Abgabe der Streitbeilegungserklärung im Jahr 1992 in besten Farben dar, pries das jüngste Finanzabkommen und die internationale Absicherung, die mit den letzten Noten- und Briefwechseln zwischen Rom und Wien nochmals ausgebaut wurde. “Angesichts der Ausführungen Kompatschers zur Südtirolautonomie wähne man sich als doch kritischer und realitätsbezogener Oppositioneller im Märchenschloss zu Wien”, so Pöder.

“Bestenfalls in einem Nebensatz erwähnte Kompatscher die bisweilen für Südtirol negative Rechtsprechung durch den italienischen Verfassungsgerichtshof, wobei die Realität dort weitaus schlimmer ist. In den letzten 15 Jahren wurde Südtirol über 100 Mal entweder vom Staat vor den Verfassungsgerichtshof gezerrt oder musste selbst die autonomen Zuständigkeiten vor dem Verfassungsgericht verteidigen. Dabei gingen weit mehr als die Hälfte der Verfahren für Südtirol negativ aus. (Quelle Landtagsanfragen A. Pöder)”, rechnet der Abgeordnete vor.

“In der laufenden Legislaturperiode wurden fast zwei Drittel aller Landesgesetze in irgend einer Form von der italienischen Regierung angefochten oder der Landtag musste vor einer Anfechtung zurückrudern (u.a. Personalwesen, Gemeindengesetz, haufenweise Omnisbusgesetze etc.).”

Die positive Darstellung des jüngsten Finanzabkommens bezeichnet Pöder als Mantra, das Kompatscher immer wieder wiederholt. “Allerdings verschweigt der Landeshauptmann dabei gerne, dass auch hier die Südtirolautonomie, zu der 1992 die Streitbeilegungserklärung abgegeben wurde, deutlich beschnitten wurde: Statt der 90-Prozent Steuereinnahmen, die als heilige Finanzsäule der Autonomie galt, erhält Südtirol heute nur mehr 83 Prozent der Steuereinnahmen, Tendenz sinkend. Zudem musste das Land im Gegenzug in einer Reihe von Verfassungsgerichtsentscheiden aufgeben.”

Pöder bemängelt auch, dass Kompatscher nicht klarstellt, dass es keine Dynamik nach vorne in der Autonomie gibt sondern vor allem eine Dynamik nach hinten, insbesondere seit der Regierung Monti. “Dort hat der Staat gelernt, wie man die Südtirolautonomie auch gegen den Buchstaben des Gesetzes beschneidet.” “Es fehlen weiterhin wesentliche Zuständigkeiten einer starken Autonomie wie die echte Steuerhoheit, die Bildungshoheit, die primären Zuständigkeiten in der Sanitätsfrage und auch in der Sicherheitspolitik. Zudem ist die identitätsrelevante Frage der Ortsnamensgebung bislang stets an einer zentralistisch- nationalistischen Ausrichtung des Staates gescheiter und auch die Zweisprachigkeit in den öffentlichen Ämtern ist bestenfalls immer noch nur zum Teil verwirklicht.”

Pöder bemängelt, dass ein Südtiroler Landeshauptmann in Wien immer so tut, als sei alles in bester Ordnung. “Die Probleme müssen konkret und offen angesprochen werden, das erwartet sich die Bevölkerung von einem Landeshauptmann auch im Rahmen einer Feierstunde zur Streibeilegungserklärung. Dieses Schönfärben kann sich irgendwann einmal rächen, nämlich dann, wenn die Probleme so drängend werden, dass man Wien um Hilfe rufen muss und man dort dann verwundert ist, wieso die Südtiroler vorher so selten über die Negativentwicklungen gesprochen haben.”

Bezirk: Bozen