Hereinnahme einer anderen deutschsprachigen Partei ist wohl unausweichlich

Regierungsbildung wird zum Drahtseilakt

Montag, 23. Oktober 2023 | 06:00 Uhr

Von: apa

Bozen – Er dürfte mit zwei blauen Augen davonkommen: Südtiroler-Volkspartei-Spitzenkandidat und Landeshauptmann Arno Kompatscher fuhr bei der Landtagswahl zwar unter widrigen Bedingungen das historisch schlechteste Ergebnis der einst so stolzen “Sammelpartei” ein. Der smarte Pragmatiker ist aber nur angezählt, nicht ausgeknockt. Dass aus dem erwarteten Absturz kein Totalabsturz wurde, dürfte ihn noch einmal für fünf Jahre im Amt halten.

Deutliche Stimmenverluste seien realistisch, hatte Kompatscher vor ein paar Wochen im APA-Interview verlautbart. Und diese sind eingetroffen. Betont bescheiden und auf Samtpfoten kamen der Landeschef und die Seinen von der SVP im Wahlkampf daher. Der Ball der schlechten Umfragewerte wurde aufgenommen und die Latte entsprechend tief gelegt – auf dass man sie möglichst leicht überspringen kann oder zumindest nicht Gefahr läuft, sie zu touchieren. Und siehe da: Punktlandung.

Die 34,5 Prozent und 13 Mandate sind ein äußerst schmerzhafter Tiefschlag, aber keine Katastrophe. In der Politik zählt nun einmal nicht nur das nackte Ergebnis, sondern die Erzählung hinter dem Ergebnis: Das hilft Kompatscher und wird ihn – sollte er nicht wider Erwarten selbst hinschmeißen – im Amt halten.

Die auf bescheidene Größe geschrumpfte SVP und ihr Spitzenmann werden Wagenburg-mäßig alles ins Treffen führen – von der europaweit grassierenden Wut auf das “System” bis hin zur “Zersplitterung” durch die vielen antretenden Listen. Kurzum: Die heutigen Zeiten seien nicht mehr mit den früheren, “glorreichen” vergleichbar. Hinzu kam das Antreten von Ex-SVP-Urgestein Thomas Widmann, das der “Sammelpartei” wohl das “Klopfen” an möglichen 40 Prozent gekostet hat. Mit Genugtuung dürfte Kompatscher aber wahrgenommen haben, dass Widmann nur ein äußerst bescheidenes Ergebnis einfuhr. Somit sollte auch eine mögliche innerparteiliche Revolte passé oder erschwert sein.

Zum Drahtseilakt wird für den Landeshauptmann nun die Regierungsbildung. Eine Hereinnahme einer anderen deutschsprachigen Partei ist unausweichlich. Auch die Rechtsregierung in Rom wird wohl verstärkt in Bozen Niederschlag finden – mit den Fratelli D’Italia (Brüder Italiens) von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni als zusätzlichem Partner.

Smart, pragmatisch, konsensorientiert – so hatte Arno Kompatscher jedenfalls zehn Jahre lang Südtirol regiert. Und das Landesschiff durch sehr unruhige See, durch historische Krisen, navigiert. Ein Manager der Macht, der einen neuen Politikertypus an der Landesspitze markierte, nach den Landes- und Parteilegenden Silvius Magnago und Luis Durnwalder. Gab letzterer noch den populären und nahbaren Volkstribun, vollzog Kompatscher einer nüchternere Zeitenwende. Er regierte auf seine Art. Und bekommt nun wohl – mit gehörigen Schrammen – eine letztmalige Verlängerung.

Arno Kompatscher wurde am 19. März 1971 in Völs am Schlern als jüngstes von fünf Kindern geboren. Sein Vater war Dorfschmied und später Bürgermeister der Gemeinde. Nach Volksschule, Gymnasium und Militärdienst studierte er Rechtswissenschaften in Innsbruck und Padua. Beruflich war Kompatscher unter anderem als Geschäftsführer der Seiser Alm Umlaufbahn AG tätig, von 2005 bis 2013 bekleidete er ebenfalls das Bürgermeisteramt in Völs am Schlern. Politisch trat er zudem als Präsident des Südtiroler Gemeindeverbandes in Erscheinung. Seit 2014 ist er Landeshauptmann. Kompatscher und seine Frau Nadja haben sieben Kinder.

Bezirk: Bozen