Von: apa
Smart, pragmatisch und das, was man gemeinhin als “liberal” versteht – so hat Arno Kompatscher (SVP) Südtirol seit 2014 als Landeshauptmann regiert. Nun steht er zu Beginn seiner dritten und letzten Amtsperiode wegen der gezimmerten Mitte-Rechts-Fünferkoalition unter Beschuss von jenen, die in ihm einen Hoffnungsträger sahen. Doch diese haben wohl seine zweite Seite unterschätzt: Jene des knallharten, gewieften Machtpolitikers, der in die (Autonomie)-Geschichte eingehen will.
Proteste der Zivilgesellschaft, von Künstlern und Wissenschaftern, Gegenwind in den Medien – es war ein heftiger Sturm, der dem 52-jährigen Kompatscher seit der schweren Wahlniederlage und dem Beginn der Verhandlungen um das neue, für Südtirol zumindest bemerkenswerte, Bündnis um die Ohren blies. Wegbereiter für Autonomie-Gegner und “Postfaschisten” in der Regierung, Garant für “Rechts-Rechts” in Südtirol, Verrat an den eigenen sozialliberalen Werten, alles geopfert auf dem Altar des Machterhalts.
All das muss den Landeshauptmann – der durchaus als sensibel, Kritiker sagen auch dünnhäutig, gilt – sehr geschmerzt haben. Und er ließ sich das auch durchaus optisch anmerken – und in Interviews deutlich anklingen. Immer wieder betonte er die “Mitte”, für die die Südtiroler Volkspartei in der Regierung sorgen werde. Selbst seine Kinder hätten gefragt: “Muss das denn sein?”, sagte der Landeshauptmann kürzlich dem Nachrichtenmagazin “Der Spiegel”: “Aber ich habe mir dieses Wahlergebnis ja so auch nicht gewünscht.”
Und mit diesem durchaus glaubhaften Nicht-Wünschen begann gleichzeitig aber auch der mit allen Wassern gewaschene Politfuchs, Machttaktiker- und Machterhalter – und nicht zuletzt Parteimensch – in Kompatscher stetig zu wachsen. Und die Einsicht in die Notwendigkeit und wohl auch letztlich Unabwendbarkeit des umstrittenen politischen Bündnisses, das sich aufgrund des Wahlergebnisses, mangels Alternativen auf italienischer Seite und der Nicht-Durchsetzbarkeit von alternativen Koalitionspartnern auf deutscher Seite ergab.
Kompatscher, sonst immer bedacht, was die Öffentlichkeit über ihn denkt, stand im Sturm und setzte sich quasi den Partei-Stahlhelm auf. Und zog durch bzw. nahm den Verhandlungsmarathon auf sich, um für die Partei, Südtirol und sich selbst, was seinen Platz in der Geschichte betrifft, das Beste herauszuholen. Es gelang dem in Schicksalsgemeinschaft vereinten Duo Kompatscher und Parteiobmann Philipp Achammer, die überwiegende Mehrheit der Funktionärsschicht und auch der Basis hinter sich zu vereinen. Fast schien es so, als rückte man ob der Proteste noch einmal enger zusammen. Und Kompatscher erhielt sogar Unterstützung und Lob von ungewohnter Seite: Von seinem Vorgänger, dem leutseligen “Landesfürsten” Luis Durnwalder, der ansonsten stetige Spitzen gegen seinen so verschiedenen Nachfolger übrig hatte. Doch Kompatschers Machtagieren im Geiste des Pragmatismus und im Sinne von Land und Partei schien “dem Alten” zu gefallen. Die Koalition mit den Rechten sei bei aller gebotenen Vorsicht der richtige Schritt, meinte dieser und verwies auf die dadurch leichtere und notwendige Allianz mit der politisch gleichlautenden Regierung in Rom.
Und hier setzt wohl Kompatschers großer Ehrgeiz in den letzten Jahren seiner Landeshauptmann-Ära ein. Er will als jener Landeshauptmann in die Geschichte eingehen, der die Wiederherstellung der vollen, seit 2001 vor allem in Gesetzgebungsfragen eingeschränkten Autonomie erreicht. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, deren “Fratelli d’Italia”-Ableger nun auch in Bozen mitregiert, hatte die Wiederherstellung der Autonomiestandards gemäß der Streitbeilegungserklärung von 1992 unter Hinweis auf die Verpflichtung gegenüber der Schutzmacht Österreich versprochen. Man wähnt sich dabei auf einem guten Weg, weil Meloni wider Erwarten bisher ihre Zusagen eingehalten habe.
Nun will Kompatscher vollenden und auch als “Autonomie-Landeshauptmann” in die Geschichte eingehen. Er bleibt somit für den Rest seiner Landeshauptmann-Tage wohl ein Befreiter und Gefesselter zugleich. Ein Befreiter, weil er in gewissem Sinne ob einer nicht mehr notwendigen Wiederwahl befreit aufspielen kann, er eine – wenn auch äußerst umstrittene – Entscheidung an einer politischen Weggabelung getroffen hat und nun alles in die römische Waagschale werfen kann, um in Sachen Autonomie Geschichte zu schreiben. Ein Gefesselter ob der wohl folgenden politalltäglichen Sorgen um mögliche umstrittene rechte Ausfälle in seinem Bündnis, der internationalen Betrachtung sowie der (medialen und zivilgesellschaftlichen) Brandmarkung als “Tabubrecher” der unangenehmen Art.
Für seine (einstige) “Sammelpartei” SVP, hat Kompatscher zweifellos geliefert. Und noch das machtpolitische Optimum aus schwierigster Lage herausgeholt. Bei der Wahl und danach. Der “Reformer” ist in den Schoß der Partei zurückgekehrt.
Arno Kompatscher wurde am 19. März 1971 in Völs am Schlern als jüngstes von fünf Kindern geboren. Sein Vater war Dorfschmied und später Bürgermeister der Gemeinde. Nach Volksschule, Gymnasium und Militärdienst studierte er Rechtswissenschaften in Innsbruck und Padua. Beruflich war Kompatscher unter anderem als Geschäftsführer der Seiser Alm Umlaufbahn AG tätig, von 2005 bis 2013 bekleidete er ebenfalls das Bürgermeisteramt in Völs am Schlern. Politisch trat er zudem als Präsident des Südtiroler Gemeindeverbandes in Erscheinung. Seit 2014 ist er Landeshauptmann. Kompatscher und seine Frau Nadja haben sieben Kinder.