"Atombombe als Option" - Israels Regierungschef Netanyahu dementiert

“Atombombe eine Option” – Netanyahu suspendierte Minister

Sonntag, 05. November 2023 | 18:22 Uhr

Von: APA/dpa

Die israelische Regierungsspitze hat sich klar von Äußerungen eines rechtsextremen Ministers zum Vorgehen im Gazastreifen distanziert. Kulturerbeminister Amichai Eliyahu hatte am Sonntag auf die Frage während eines Radiointerviews, ob man eine Atombombe auf den Gazastreifen werfen sollte, geantwortet: “Das ist eine der Optionen.” Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sagte daraufhin als Chef der ultrarechten Regierung, Eliyahus Äußerungen hätten “keine Basis in der Realität”.

Netanyahu suspendierte den Minister Medienberichten zufolge bis auf weiteres von Kabinettssitzungen. Ob er auch eine Entlassung in Erwägung zieht, war jedoch unklar. Israel und die Armee gingen “in Einklang mit den höchsten Standards internationalen Rechts vor, um Schaden an Zivilisten zu vermeiden”, sagte Netanyahu. Man werde dies weiterhin tun, “bis zu unserem Sieg” gegen die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas.

Auch Verteidigungsminister Joav Galant verurteilte die “haltlosen und unverantwortlichen Äußerungen” Eliyahus. “Gut, dass dies nicht die Leute sind, die für Israels Sicherheit zuständig sind”, schrieb er in einem X-Post. Eliyahu von der rechtsextremen Partei Otzma Yehudit ist weder Teil des israelischen Sicherheitskabinetts noch des Kriegskabinetts um Netanyahu und gilt nicht als einflussreich.

Eliyahu sprach sich während des Interviews mit dem Radiosender Kol Barama auch gegen die Einfuhr humanitärer Hilfe in den Gazastreifen aus. “Wir würden den Nazis auch keine humanitäre Hilfe geben”, sagte er. Es gebe keine unbeteiligten Zivilisten in dem Küstenstreifen, die Bevölkerung unterstütze die Hamas. Er sprach sich für eine Wiedereroberung des 2005 geräumten Gebiets und die Rückkehr israelischer Siedlungen aus. Auf die Frage nach dem Schicksal der palästinensischen Bevölkerung sagte er: “Sie können nach Irland oder in die Wüste gehen, die Monster aus Gaza sollen selbst eine Lösung finden.”

Der ultranationalistische Minister hatte in dem Interview zudem nahegelegt, Israel solle die von der Hamas in den Gazastreifen entführten Geiseln opfern. “Im Krieg bezahlen wir eben einen Preis”, sagte Eliyahu auf eine Frage des Interviewers zum Schicksal der Geiseln im Falle eines Atombombenabwurfs.

Ein Forum, das die Angehörigen der in den Gazastreifen Verschleppten sowie der Vermissten vertritt, bezeichnete Eliyahus Äußerungen als “rücksichtslos und grausam”. Das Forum erklärte, dass nicht nur das Völkerrecht, sondern auch “Prinzipien der menschlichen Moral” strikt gegen einen Einsatz von “Massenvernichtungswaffen” sprächen.

Saudi-Arabien kritisierte die Äußerung Eliyahus scharf und forderte dessen sofortige Entlassung. Dies zeige, wie verbreitet Extremismus und Brutalität in einigen Teilen der israelischen Regierung seien, teilte das Außenministerium in Riad am Sonntag mit. Dass Eliyahu nicht mit sofortiger Wirkung entlassen werde, demonstriere die Missachtung “aller menschlichen, moralischen, religiösen und rechtlichen Standards und Werte” durch die Regierung Israels.

Jordaniens Außenministerium sprach von “rassistischen, provokativen Äußerungen”. Diese seien eine “Aufforderung zum Genozid und ein nicht zu tolerierendes Hassverbrechen, zudem eine zu verurteilende Anstiftung zu Mord und Kriegsverbrechen”, hieß es.

Eliyahu reagierte auf die Empörung mit der Aussage, seine Äußerung zur Atombombe sei “metaphorisch” gemeint gewesen. Israel verpflichte sich, “alles in seiner Möglichkeit Stehende zu tun, um die Geiseln heil nach Hause zu bringen”.

Israel hat den Besitz von Atomwaffen nie offiziell bestätigt. Das Internationale Friedensforschungsinstitut in Stockholm (SIPRI) schätzt indes, dass Israel 90 nukleare Sprengköpfe besitzt.

Hunderte Hamas-Kämpfer hatten vor einer Woche Israel überfallen und dabei nach israelischen Angaben rund 1.400 Menschen ermordet, die meisten von ihnen Zivilisten. Zudem wurden den Angaben zufolge mehr als 240 weitere Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel reagierte mit massiven Angriffen in dem dicht besiedelten Palästinensergebiet. Dabei wurden laut jüngsten Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, bis zum Sonntag 9.770 Menschen getötet.