Von: luk
Bozen – Südtirols Kinder- und Jugendanwältin Paula Maria Ladstätter nutzt den internationalen Tag der Menschenrechte am morgigen 10. Dezember, um auf die ungleiche Teilhabe von Minderjährigen in Südtirol am gesellschaftlichen Leben hinzuweisen. Psychische und finanzielle Armut von Familien und Kindern nehme zu, Kinder und Jugendliche mit Behinderung bräuchten mehr Unterstützung und vielen minderjährigen Flüchtlingen fehle es an allem: vom Dach über dem Kopf bis zur Möglichkeit, eine Schule zu besuchen.
Vor einem Jahr hat das Landesinstitut für Statistik Astat eine Einkommensstudie veröffentlicht, die besagt, dass Alleinerziehende und Paare mit drei oder mehr Kindern besonders armutsgefährdet sind. Im Bezugsjahr 2013 galt jede sechste Familie in Südtirol als armutsgefährdet. Über 87.000 Menschen waren davon betroffen. Gäbe es keine Sozialtransfers, lebte jeder Vierte im Land in Armut. Besonders junge Menschen sind arm: Jeder fünfte unter 24 Jahren ist nach mitteleuropäischen Standards und im Vergleich zu anderen Südtiroler Haushalten als arm einzustufen.
Zu wenig finanzielle Mittel bedeute weniger gesellschaftliche Teilhabe, führe zu geringerem Selbstvertrauen, der Zugang zu höherer Schulbildung werde erschwert und zeitgleich treten diese jungen Menschen in einen Kreislauf der Armut ein, dem sie nur schwer entkommen, erklärt Paula Maria Ladstätter. Sie plädiert dafür, Kinder, Jugendliche, Alleinerziehende und kinderreiche Familien in besonderem Maß zu unterstützen. „Prävention kostet weniger als spätere Probleme zu beheben, die aufgrund von Mangelversorgung in der Kindheit und Jugend entstanden sind“, erklärt Ladstätter.
Bei der Kinder- und Jugendanwältin melden sich letzthin häufiger Eltern, deren Kinder an einer Beeinträchtigung leiden. „Unterstützungen für Menschen mit Beeinträchtigung werden immer öfter gekürzt oder Begleitmaßnahmen gestrichen“, erklärt Ladstätter und zitiert das Diskriminierungsverbot der Kinderrechtskonvention. Die ersten Artikel der von 194 Staaten weltweit angenommenen Konvention besagen, dass alle Kinder die gleichen Rechte haben und nicht benachteiligt werden dürfen – unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, Weltanschauung, der nationalen, ethnischen oder sozialen Herkunft und unabhängig von Vermögen, Behinderung, Geburt oder sonstigem Status des Kindes und seiner Eltern. Das Kindeswohl müsse im Mittelpunkt jeder Maßnahme stehen. Dieser Grundsatz sei von allen einzuhalten, betont Ladstätter: von Eltern, Verwandten, von der Gesellschaft und vom Staat. Es gehe um die bestmögliche Entwicklung des Kindes.
Abschließend weist die Kinder- und Jugendanwältin erneut auf die prekäre Situation von minderjährigen Flüchtlingen hin, die – unbegleitet oder gemeinsam mit ihren Familien – in Flüchtlingsunterkünften häufig nicht den notwendigen Platz und die Unterstützung haben, um sich entfalten zu können: „Wir dürfen nicht nachlassen, uns um diese traumatisierten Menschen zu kümmern“, plädiert Paula Maria Ladstätter. Flucht und Krieg seien Realitäten, vor denen wir uns nicht mit Zäunen verbarrikadieren könnten.
STF: “Auch Selbstbestimmung ist Menschenrecht”
Anlässlich des Internationalen Tages der Menschenrechte am 10. Dezember erinnert die Süd-Tiroler Freiheit daran, dass zu den Menschenrechten ebenso das Recht auf Selbstbestimmung gehört.
Der Pressesprecher der Bewegung, Cristian Kollmann, schreibt: „Die Selbstbestimmung ist ein weites Feld, umfasst u.a. die kulturelle und individuelle, aber auch die territoriale Selbstbestimmung im Sinne des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Dieses Recht wird den Südtirolern bis heute immer wieder abgesprochen. Uns muss ständig bewusst sein, dass Italien bis heute danach trachtet, Südtirol zu einer 08/15-Provinz „Alto Adige“ verkommen zu lassen, damit die Südtiroler ganz gewöhnliche Italiener werden und damit langfristig die Autonomie, geschweige denn das Recht auf Selbstbestimmung verlieren.“
Um so mehr gelte es, Letzteres mit vereinten Kräften einzufordern, denn „gerade die zentralistische und glücklicherweise abgewendete Verfassungsreform war der neuerliche Beweis dafür, dass die Autonomie und damit Südtirol unter Italien keine Zukunft hat.“
Tag der Menschenrechte: Heimatbund erinnert an Franz Höfler und Giulio Regeni
“Der Südtiroler Heimatbund möchte die Gelegenheit wahrnehmen, sich am Tag der Menschenrechte mit Nachdruck gegen jede Verletzung der Menschenrechte auszusprechen”, so Obmann Roland Lang.
“Aus unserer Sicht sind Menschenrechte natürliche Rechte, die dem Schutz der allen Menschen von Gott gegebenen Würde dienen, unabhängig ihrer Hautfarbe, Volkszugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung. Wie sie durch keine innerweltliche Instanz verliehen werden, so können sie auch von keiner Instanz abgesprochen werden; sie sind unantastbar, unveräußerlich und unteilbar. Wir möchten an diesem Tag an den Südtiroler Franz Höfler erinnern, der nur 28 jährig an den ihm von den Carabinieri im Meraner Bezirksgefängnis zugefügten Folterungen, am 22. November 1961 verstorben ist. Noch kein offizieller Vertreter des Staates hat bis heute für die grausamen, menschenrechtswidrigen Folterungen, begangen auch an vielen anderen Häftlingen, entschuldigt. Ungesühnt”, so der SHB.
“Wir erinnern am Tag der Menschenrechte auch an den italienischen Studenten Giulio Regeni, der am 3. Februar 2016 halbnackt und verstümmelt tot in einem Straßengraben zwischen Kairo und Alexandria aufgefunden wurde. Menschenrechtsorganisationen bestätigten, dass die Art seine Brandwunden und Verletzungen mit denen anderer Opfer der ägyptischen Sicherheitskräfte übereinstimmen. Ungesühnt! Millionen von Menschen in aller Welt sind auf der Flucht vor Diktatur, Tyrannei, Krieg und Fanatikern. In vielen Gefängnissen wird auch heute noch bestialisch gefoltert. Ihnen allen muss geholfen werden, damit die allgemeine Erklärung der Menschenrechte nicht nur toter Buchstabe bleibt”, schließt Lang.