Von: mk
Brenner – Der Brennerbasistunnel (BBT) nimmt immer konkretere Formen an. Am Mittwoch wurde die Ankunft der 150 Meter langen Tunnelbohrmaschine “Virginia” am Brenner unter Beteiligung von viel politischer Prominenz gefeiert. Vom Südtiroler Mauls aus brach diese die erste Haupttunnelröhre für den insgesamt 55 Kilometer langen Brennerbasistunnel auf italienischer Seite unterirdisch in ihrer gesamten Länge bis zur Grenze aus. Die zweite soll noch heuer folgen.
Damit wären auf italienischer bzw. Südtiroler Seite die Ausbrucharbeiten abgeschlossen. Am Startpunkt, 14 Kilometer entfernt, konnten die zahlreiche Ehrengäste in einer Liveübertragung die Ankunft der Maschine am Zielpunkt mitverfolgen. Vier Jahre lag hatte sich die rund 2.750 Tonnen schwere Tunnelbohrmaschine durch den Haupttunnel gegraben. Der letzte Teil der vorgefertigten Tunnelauskleidung, der von der Maschine eingebaut wurde, war mit den Nationalfarben Italiens und Österreichs versehen.
Unter den Ehrengästen befand sich auch der italienische Infrastruktur- bzw. Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega). Er hatte zuletzt nicht nur in Sachen Transit wegen der Tiroler Maßnahmen scharfe Worte über den Brenner vom Stapel gelassen und ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gefordert, sondern Österreich auch in Sachen BBT kritisiert. Italien investiere Beträchtliches in dieses Projekt und er zweifle daran, dass Österreich ähnlich entschlossen sei, hatte der Rechtspolitiker etwa bei einem kürzlichen Besuch in Südtirol verlautet. Am Mittwoch zeigte sich Salvini jedoch von seiner milden Seite, Kritik war nicht zu hören. “Es wird gebaut, um zu vereinen”, meinte er vielmehr in einem kurzen Statement salbungsvoll in Bezug auf das Mammutprojekt. Salvini zeigte sich, wie auch zahlreiche Vorredner, darüber erfreut, dass es im Zuge der Arbeiten noch keine schwerwiegenden Unfälle gegeben habe. Dies sei auch den hohen Sicherheitsstandards geschuldet. Er hoffe, dass dies auch bis zum Ende so bleibe.
Der Minister lobte wenig überraschend die Arbeit der Mitte-Rechts-Regierung in Italien, besonders in Bezug auf große öffentliche Bauvorhaben. Er erteilte dabei allen “Nein-Sagern” eine Abfuhr. Sie hätten Italien lange genug gelähmt. Nur gemeinsam würde man vorankommen – und zwar jene, die “Ja sagen und anpacken.”
Vera Fiorani von den italienischen Schienenbetreibergesellschaft RFI unterstrich unterdessen die Anstrengungen und die Fortschritte bei der Realisierung der südlichen BBT-Zulaufstrecke bis Verona. Die Teilstücke befänden sich weitgehend in der Planungs- oder Realisierungsphase und sollten zusammen mit der Fertigstellung des Haupttunnels abgeschlossen sein.
Tirols Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) schlug einen historischen Konnex und erinnerte daran, dass vor 25 Jahren der Grenzbalken am Brenner im Rahmen des Schengener Abkommens beseitigt worden war. Nun arbeite man daran, die Länder durch diese Infrastruktur zu verbinden. Geisler erinnerte auch an die anfänglichen Diskussionen um die Machbarkeit des Projekts. Nun sei man an einem guten Punkt angelangt. Nach Fertigstellung werde es dann möglich, in 50 Minuten von Innsbruck nach Bozen zu gelangen, erinnerte er an markante Vorteile für die Bevölkerung. Der Landeshauptmannstellvertreter versprach zudem “verstärkte Anstrengungen” bei den Zulaufstrecken im Norden.
Auch Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) unterstrich die politische Dimension des Projektes. Vor rund 100 Jahren habe es in diesem Raum Krieg um Grenzen gegeben. Heute sei man dabei, die Grenze zu überwinden. Er zeigte sich davon überzeugt, dass man “gemeinsam und durch Gespräche auch andere Probleme lösen könne”. “Der Brennerbasistunnel ist ein greifbares Beispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit in der Europäischen Union, um Grenzen zu überwinden sowie Länder und Menschen zusammenzuführen”, so Kompatscher in Richtung der Festgäste, zu denen auch der Trentiner Landeshauptmann Maurizio Fugatti (Lega) gehörte.
Vom insgesamt 230 Kilometer langen Tunnelsystem des Brennerbasistunnels sind bisher 157 Tunnelkilometer vorgetrieben, davon 60 Kilometer für den Haupttunnel. Der BBT verläuft auf 55 Kilometern zwischen Innsbruck und dem Südtiroler Franzensfeste und gilt als Kernelement der neuen Bahnverbindung von München bis Verona. Der Brennerbasistunnel wäre nach Fertigstellung der längste Eisenbahntunnel der Welt. Der Tunnel bildet zudem ein Kernstück des TEN-V Kernnetzkorridors Skandinavien-Mittelmeer. Das Datum für die Fertigstellung hatte sich in den vergangenen Jahren nach hinten geschoben und ist nun für 2032 avisiert. Kostenschätzungen gingen zuletzt von 9,57 Mrd. Euro aus. Stetig bemängelt wurde auch, dass in Bezug auf die Zulaufstrecken, vor allem im Norden, zu wenig weitergehe.