Von: mho
Innsbruck/Brenner – Bei seinem ersten Besuch von Landeshauptmann Günther Platter hat der neue österreichische Bundeskanzler Christian Kern auch Südtirol-Themen angesprochen. Zunächst sparten beide Amtsträger nicht mit wechselseitigem Lob und Hinweisen auf die fruchtbare Zusammenarbeit, als Kern noch Chef der ÖBB war. Als es schließlich zur Tagesordnung ging, nahm sich Platter kein Blatt vor dem Mund. Er wünsche sich mehr Unterstützung der Bundesregierung gegenüber der EU, unter Anderem was die Zulaufstrecke zum Brennerbasistunnen betrifft, als auch in Bezug auf das sektorale Fahrverbot, gegen welches die EU-Kommission erneut ein Vertragsverletzungsverfahren angekündigt hat. Ebenso will Brüssel bis Jahresende eine Abschaffung der Medizinerquote bewirken, welche 75 Prozent der entsprechenden Studienplätze für einheimische Studierende vorbehält – darunter auch Südtirolern.
In allen drei Punkten versicherte Kern Platter die Unterstützung der Bundesregierung. Beim sektoralen Fahrverbot sei Wien vollständig auf einer Linie mit Tirol, das Projekt werde als durchaus sinnvoll gesehen, ebenso habe man das Anliegen der Medizinerquote verstanden, so Kern. Was die Zulaufstrecken zum Brenner-Basistunnel betrifft, verwies Kern auf die Bedeutung der jüngsten EU-Austritts-Abstimmung in Großbritannien: „Wir stehen in Europa nach dem Brexit vor der Frage, wie wir zusammenarbeiten und wie wir es mit der Solidarität halten wollen. Dazu gehören auch die Zulaufstrecken und da müssen wir die Solidarität bei Italien und Deutschland einfordern.“
Als heißes Eisen wurden schließlich auch die Grenzkontrollen am Brenner angepackt. Platter schilderte: „Die Lage ist derzeit ruhig, wir beobachten sie aber ganz genau.“ Die Kontrollen nördlich und südlich des Brenners würden ihre Wirkung zeigen und es sei momentan nicht notwendig, das so genannte Grenzmanagement am Brenner hochzufahren. Die Bundesregierung möge aber weiter Druck ausüben, „dass Italien seinen Job tut“, so Platter. Italiens Bemühungen wiederum ernteten von Kanzler Kern ein Lob: „Man muss den Hut ziehen vor dem, was Italien da leistet. Aber wir wissen auch, dass die Flüchtlingssituation immens angespannt ist.“
Österreich hat für das Jahr 2016 eine Flüchtlings-Obergrenze von maximal 37.500 Menschen beschlossen, nach dessen Erreichen man den Notstand ausrufen und keine weiteren Asylsuchenden mehr ins Land lassen will. Die Grenzen würden in einem solchen Falle effektiv dicht gemacht. Nach „heutigem Wissensstand“, so Kern, werde man heuer dieses Limit jedoch voraussichtlich nicht erreichen: „Aber das kann sich morgen schon wieder ändern. Das hängt sehr stark von der Entwicklung in der Türkei, in Ungarn und in Italien ab.“ Auch wenn man das Grenzmanagement vermeiden wolle, müsse Österreich auf alle Eventualitäten vorbereitet sein, betonte Kern abschließend.