Von: luk
Bozen – Anträge von Grünen, 5 Sterne Bewegung, Team K, Freiheitlichen, Süd-Tiroler Freiheit und L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia wurden heute abschließend im Landtag diskutiert.
Beschlussantrag Nr. 330/20: Einführung der “Carta del docente” in Südtirol (eingebracht von den Abg. Foppa, Dello Sbarba, Staffler, Nicolini, Rieder, Köllensperger, Unterholzner, Repetto, Leiter Reber und Knoll am 18.09.2020). Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, mit der sofortigen Einführung der „Carta del docente“ auch für die Lehrpersonen in Südtirol, denen damit einen Maximalbetrag von 500 Euro pro Jahr für den Ankauf von Hard- und Software, den Besuch von Fortbildungskursen im Ausland, soweit möglich, bzw. die Bezahlung von Gebühren für Onlinekurse und Spezialisierungen etc. zur Verfügung gestellt wird. Dieser Antrag wurde gemeinsam behandelt mit dem Beschlussantrag Nr. 180/19: Bonus für Lehrkräfte (eingebracht vom Abg. Urzì am 8.10.2019). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, auch in Südtirol zugunsten der Lehrpersonen in der Stammrolle die sogenannte „Carta del docente“, d. h. einen jährlichen Bonus im Wert von 500 Euro, einzuführen, wobei dieser Betrag auf der Grundlage der in den restlichen italienischen Provinzen und Regionen gesetzlich vorgesehenen Kriterien zur Verfügung gestellt wird.
“Bei der ‘Carta’ handelt es sich um eine Art Kreditkarte, mit der die Lehrpersonen einen Gesamtbetrag von 500 Euro pro Jahr für den Ankauf von Büchern, Zeitschriften, PC-Zubehör und Software sowie Unterrichtsmaterialien ausgeben oder in den Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen, Museen oder jedenfalls in Bildungsmaßnahmen investieren können”, erklärte Brigitte Foppa (Grüne). “In Südtirol wurde diese Möglichkeit für die Lehrpersonen nicht geschaffen, da man das Personal autonom verwaltet. Die Landesregierung hat entsprechende Forderungen bisher stets abgelehnt, mit der Begründung, dass die Fortbildung laut Autonomiestatut Kompetenz des Landes ist und die Fortbildungen für die Lehrpersonen kostenlos sind. Dem widersprechen allerdings Tatsachen, wie etwa dass die Fortbildung mittlerweile nicht nur in Kursen stattfindet, sondern online bzw. im Ausland. Außerdem zwingt die Digitalisierung alle Lehrpersonen, sich mit eigenen Mitteln Hard- und Software anzuschaffen, wofür sie keine finanzielle Unterstützung erhalten.” Die Lehrpersonen hätten bereits vor Covid viel daheim gearbeitet, mit dem Onlineunterricht sei aber eine spezielle technische Ausstattung nötig, welche die Lehrpersonen bisher selbst bezahlt hätten.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) erinnerte daran, dass dieses Anliegen bereits in der vergangenen Legislatur aufgegriffen wurde. Der Beitrag sei jetzt umso wichtiger, als auch die Fortbildung in dieser Krise vermehrt online erfolge. Sein Antrag stamme aus der Zeit vor Covid, ausgehend vom Gedanken, dass Lehrer auf dem gesamten Staatsgebiet gleich behandelt werden sollten.
Er sei wie die Lehrer Angestellter der Südtiroler, erklärte Alex Ploner (Team K), aber er habe bei Amtsantritt sofort einen neuen Laptop mit schneller Internetanbindung bekommen, die Lehrer nicht. Auch diese hätten technische Ausrüstung für ihren Beruf nötig. Für die Schüler habe man während des Lockdowns Laptops organisiert. Das Land müsse die richtigen Prioritäten setzen und für die Schule mehr ausgeben.
Das Land setze Prioritäten und gebe sehr viel für die Schule aus, erwiderte Magdalena Amhof (SVP). Der staatliche Bonus sei auch als unkomplizierte Lohnerhöhung gedacht, für die es keine Tarifverhandlung brauche, und als Weiterbildungsförderung. Südtirol biete bereits eine kostenlose Weiterbildung an und im Rahmen der Kollektivverträge Beiträge für Hard- und Software.
Peter Faistnauer (Team K) wies darauf hin, dass für die Berufsschullehrer bereits ein Beitrag vorgesehen sei. Der staatliche Bonus gelte nur für die Stammrollenlehrer, viele Lehrer seien nicht in der Stammrolle, gab er zu bedenken. In Deutschland verdiene ein Lehrer 23.000 Euro netto. Mit einer Lohnerhöhung von 100 Euro würde man die Südtiroler Gehälter anpassen.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) berichtete, dass er als Lehrer in den neunziger Jahren vom Land einen Beitrag für den Kauf eines PC bekommen habe. Es gehe darum, die Arbeitsweise der Lehrer anzuerkennen, die vielfach daheim arbeiten würden. Der staatliche Bonus sei eine solche Anerkennung, eine Maßnahme, die das Land vielleicht aus falschem Stolz ablehne.
Franz Locher (SVP) verwies auf die vielen und guten Bildungseinrichtungen in Südtirol, in denen sich die Lehrer vorbereiten könnten. Dies könne man nicht mit der Situation in Italien vergleichen.
Vergleiche mit dem Staat würden in diesem Bereich hinken, meinte auch Hanspeter Staffler (Grüne). Bei den Bildungsausgaben sei Südtirol gleichauf mit Österreich, aber hier seien drei Schulsysteme zu betreuen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass es seit 2016 keinen neuen Landeszusatzvertrag für die Lehrer gebe. Mit dem vorliegenden Antrag gehe man zielgerichtet auf die aktuelle Situation ein.
Gerhard Lanz (SVP) betonte, dass das Land bereits Geld für den Kollektivvertrag bereitgestellt habe. Der Vergleich mit den Abgeordneten hinke: Diese könnten den PC nach 5 Jahren nicht mitnehmen und bekämen dafür auch nicht 500 Euro pro Jahr. Man sollte konkret ansprechen, was man wolle: einen PC-Beitrag oder mehr Gehalt.
Man könne nicht einen staatlichen Ansatz darüberstülpen, wenn bei uns die Situation ganz anders sei, meinte LR Philipp Achammer. In Südtirol gebe es für Lehrer eine höhere Entlohnung. Renzi habe seinerzeit den Bonus als Lohnerhöhung gedacht und angepriesen. Südtirol gebe auch weit mehr für Weiterbildung aus, die nicht nur für die Stammrollenlehrer kostenlos sei. Die “Carta del docente” sei bürokratisch, alles müsse detailliert abgerechnet werden, eine Belastung auch für die Ämter. Das Land wolle 10 Mio. Euro bereitstellen, um den Lehrern heuer einen möglichst unbürokratischen Bonus zu geben. Parallel dazu werde das Gehalt laut neuem BÜKV angepasst, was insgesamt 70 Mio. Euro koste. Man wolle auch den Recovery Fund nutzen, um Lehrer und Schüler digital auszurüsten.
LR Giuliano Vettorato sah den Lehrberuf als einen der schwierigsten, und Südtirol sei hier mit dem restlichen Staatsgebiet nicht zu vergleichen. Das Land wolle den Aufwand während des Lockdowns anerkennen, daher verhandle man mit den Gewerkschaften über den Bonus. Die voraussichtlich letzte Verhandlung müsste morgen stattfinden.
Der Lockdown habe es mit sich gebracht, dass die Arbeit der Lehrpersonen besser verstanden wurde, meinte Brigitte Foppa (Grüne). Die Lehrpersonen hätten sich selbst den PC kaufen müssen und bezahlten auch dessen Wartung. In Südtirol seien die Lehrergehälter höher, aber auch die Lebenshaltungskosten. Die Weiterbildung in Südtirol sei gut und kostenlos, nicht aber die neuen Bücher, die Software und anderes.
Laut Landesregierung sei der Bonus noch nicht, aber bald da, resümierte Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia). Tatsache sei, dass es ihn in Südtirol jahrelang nicht gegeben habe, auch noch nicht während des Lockdowns, als sich die Lehrer selbst darum kümmern mussten.
Der Antrag Nr. 330 wurde mit 14 Ja, 16 Nein und einer Enthaltung abgelehnt, der Antrag Nr. 180 mit elf Ja, 16 Nein und drei Enthaltungen.
Beschlussantrag Nr. 331/20: Vereidigtes Wachpersonal mit dem Aufsichts- und Pförtnerdienst in unseren Krankenhäusern beauftragen, um die Sicherheit von Mitarbeitern und Patienten zu gewährleisten (eingebracht vom Abg. Nicolini am 18.09.2020). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, 1. in den Ausschreibungen für Aufsichts- und Pförtnerdienste in öffentlichen Einrichtungen und insbesondere in den Räumlichkeiten des Sanitätsbetriebs (Notaufnahmen etc.) als Mindestanforderung vorzusehen, dass das Personal dieser Dienste vereidigtes Wachpersonal sein muss.
Die Bereitschaft zur Gewalt steige, bemerkte Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung), und es sei kein Wunder, dass sie sich auch in die Krankenhäuser verlagere. Das Gesundheitsministerium empfehle Pläne zur Vorbeugung vor Übergriffen und zum Schutz des Personals. Vereidigtes Wachpersonal ersetze nicht die Polizei, sei aber ständig vor Ort. “Möchte man – im Fall von Angriffen gegen das Gesundheitspersonal – sicherstellen, dass in Krankenhäusern (sowie in allen Einrichtungen, in denen Sicherheitsfirmen tätig sind) schnell eingegriffen werden kann, sollten an Ausschreibungen für Aufsichts- und Pförtnerdienste nur jene Sicherheitsfirmen teilnehmen dürfen, die über ausgebildetes vereidigtes Wachpersonal verfügen.” Gewalttätige Übergriffe habe es auch in Südtirols Krankenhäusern gegeben zuletzt in Brixen.
Hanspeter Staffler (Grüne) meinte, gewisse Übergriffe werde es immer geben, eine Schwalbe mache noch keinen Sommer. Der Pförtnerdienst werde oft von Personen mit Behinderung versehen, die mit diesem Antrag ausgeschlossen würden.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) meinte hingegen, dass sich die Probleme häuften. Nicolinis Antrag bekämpfe aber nur die Symptome. Man müsse dafür sorgen, dass Gewalttäter verhaftet, bestraft, abgeschoben würden.
Es sei die Frage, ob man überall Bewaffnete haben wolle, gab Alex Ploner (Team K) zu bedenken. Sicherheitspersonal in Dienstkleidung würden, wie eine Studie in Deutschland ergeben habe, von den einen als Schutz, von anderen, vor allem Migranten aus Ländern mit hoher Gewaltbereitschaft, als Bedrohung. Ein Sicherheitsproblem im Krankenhaus sei der Zugang für Personen, die keine Patienten seien. Laut Erfahrung in Deutschland sollte das Sicherheitspersonal nicht als solches in Erscheinung treten.
Die Fakten seien ein bisschen anders als hier dargestellt, erklärte LR Thomas Widmann. Die Wachleute in den Südtiroler Krankenhäusern seien alle von der Quästur ermächtigt. Sie schützten die Einrichtung und das Personal. Was der Antrag fordere, sei bereits Realität.
Diego Nicolini zeigte sich erfreut über diese Mitteilung und zog seinen Antrag zurück.
Begehrensantrag Nr. 1/18: Begnadigung der Süd-Tiroler Freiheitskämpfer (eingebracht von den Abg. Atz Tammerle und Knoll am 15.11.2018). Die Einbringer haben dazu eine neue Fassung vorgelegt: Der Landtag spricht sich für eine umgehende Begnadigung der verbliebenen Südtiroler Freiheitskämpfer aus und fordert den italienischen Justizminister sowie den italienischen Staatspräsidenten auf, die ausstehenden Begnadigungen der Freiheitskämpfer der 1960-er Jahre unverzüglich in Angriff zu nehmen, damit diese in ihre Heimat und zu ihren Familien zurückkehren können.
Der Antrag war bereits im März 2019 andiskutiert worden.
Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) wies darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft Brescia dem Gnadengesuch von Heinrich Oberleiter unlängst zugestimmt habe. Nun liege die Entscheidung beim Staatspräsidenten. Man solle dabei auch an die Familien der Freiheitskämpfer denken. Diese hätten nie Attentate auf Menschen verübt, sondern immer materielle Ziele angegriffen. Sie hätten aus Liebe zu ihrer Heimat alles gegeben und riskiert. Es sei höchst an der Zeit, dass der Staat ein Zeichen der Vergebung setze.
Der Antrag berühre eine schmerzhafte Stelle, meinte Carlo Vettori (Alto Adige Autonomia). Die Ereignisse, die auf beiden Seiten Opfer gefordert hätten, hätten es ermöglicht, die Südtiroler Gesellschaft so zu bilden, wie man sie heute kenne. Auch in Irland und anderswo würden derlei Ereignisse von den einen als Heldentat, von den anderen als Aufruhr gesehen. Im Zeichen des Kreuzes in diesem Saal und in Anbetracht dessen, dass die italienische Politik weitreichend Bezug auf christliche Werte nehme, sollte man den Antrag annehmen, um einen Schritt weiterzukommen.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) wies darauf hin, dass es für eine Begnadigung auch ein Gnadengesuch brauche und damit eine Anerkennung des Urteils. Die Begnadigung sei nicht eine Revision des Prozesses, was der Antrag in seinen Prämissen aber beanspruche. Diese Prämissen seien somit kontraproduktiv.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) sah in dem Antrag eine Provokation. Urteile müssten auch vollstreckt werden. Wer sich der Vollstreckung entziehe, könne nicht auf Gnade hoffen. Als der lange gesuchte Terrorist Cesare Battisti an Italien ausgeliefert wurde, habe es dafür Beifall aus allen Lagern gegeben.
LH Arno Kompatscher bestätigte, dass es ein Gnadengesuch brauche. Dann erfolge eine Bewertung durch das zuständige Gericht, danach gehe das Gesuch zum Justizministerium und schließlich zum Staatspräsidenten. Ein Landtagsbeschluss in dieser Sache wäre ein politischer Akt und damit kontraproduktiv, wenn es um einen Akt des Präsidenten gehe. Er empfehle, den Antrag zurückzuziehen, gerade weil er für eine Begnadigung sei.
Die Arbeiten werden morgen wieder aufgenommen.