Von: APA/dpa/Reuters/AFP
Israelische Truppen haben im Libanon das Hauptquartier der UNO-Friedensmission UNIFIL beschossen und dabei mindestens zwei Blauhelmsoldaten verletzt. Ein Panzer der israelischen Armee habe einen Beobachtungsposten der Vereinten Nationen direkt getroffen, teilte ein Sprecher am Donnerstag mit. An UNIFIL sind auch Bundesheersoldaten beteiligt, sie waren aber nicht betroffen.
Es sind die ersten Opfer in den Reihen der UNIFIL-Mission seit Beginn von Israels Bodenoffensive im Libanon gegen die pro-iranische Hisbollah-Miliz vor rund einer Woche. Ein UNO-Insider sagte, israelische Streitkräfte hätten eine Panzergranate auf einen Wachturm der UNO-Friedenstruppen abgefeuert. Das sei einer von drei Fällen innerhalb der vergangenen 24 Stunden, in denen Stellungen der Friedenstruppe unter israelisches Feuer gerieten. Die zwei UNIFIL-Angehörigen seien verletzt worden, als auf den Wachturm am Hauptstützpunkt der Truppe in Naqoura geschossen wurde.
Israels Armee beschuldigte die Hisbollah, Gegenden in der Nähe von Stützpunkten der Blauhelm-Mission für ihre Zwecke zu missbrauchen. Israels Armee sei deshalb im Gebiet von Naqoura nahe der UNIFIL-Basis, im Einsatz gewesen, teilte das Militär mit. In der Früh hätten israelische Soldaten UNO-Truppen zunächst angewiesen, in geschützten Bereichen zu bleiben und dann in der Gegend das Feuer eröffnet.
Die UNO-Beobachtermission überwacht das Grenzgebiet seit Jahrzehnten. Daran sind mehr als 10.000 UNO-Soldaten aus rund 50 Ländern beteiligt, darunter auch Österreicher. Sie waren laut Bundesheersprecher Michael Bauer von dem Angriff aber nicht betroffen, wie Bauer auf “X” vermeldete. Zu den größten UNIFIL-Truppenstellern gehören Indonesien, Italien und Indien. Die rund 170 Soldatinnen und Soldaten aus Österreicher sind bei UNIFIL vornehmlich für die Planung und Durchführung von Transporten zuständig, als Wächter sind sie in aller Regel nicht im Einsatz.
Der Beschuss ereignete sich in Naqoura im südlichen Grenzgebiet zu Israel. An der Mittelmeerküste ist es der erste größere Ort im Libanon nahe der Demarkationslinie mit Israel. Die UNIFIL-Mission hat hier ihr Hauptquartier. Dieses und die Umgebung seien “wiederholt getroffen” worden, erklärte der UNIFIL-Sprecher. Die beiden UNO-Soldaten seien nicht schwer verletzt, nach dem Angriff aber im Krankenhaus. Ein weiterer israelischer Angriff habe auch den Eingang zu einem Bunker getroffen, in dem UNO-Soldaten Schutz gesucht hatten. Dabei seien auch UNO-Fahrzeuge und ein Kommunikationssystem beschädigt worden.
Israels Armee hatte vor eine Woche eine Bodenoffensive im Libanon begonnen und kämpft dort nach eigenen Angaben gegen die islamistische Hisbollah. Zugleich steigt die Gefahr möglicher Zusammenstöße mit der libanesischen Armee sowie mit den UNO-Soldaten. Die libanesische Armee ist nicht direkt am Konflikt beteiligt, doch hat auch sie bereits Todesopfer nach Zusammenstößen mit israelischen Truppen gemeldet.
Der Chef der UNO-Friedensmissionen, Jean-Pierre Lacroix, äußerte sich besorgt um die Sicherheit der Blauhelmsoldaten. “Die Sicherheit und der Schutz der Friedenstruppen ist jetzt zunehmend in Gefahr”, sagte Lacroix vor dem UNO-Sicherheitsrat in New York. Ein Großteil des südlichen Libanon, das Einsatzgebiet von UNIFIL, sei “jetzt unbewohnt und zunehmend auch unbewohnbar”, sagte Lacroix. Die operativen Tätigkeiten der Einsatzkräfte stünden seit rund zwei Wochen weitestgehend still, sie hätten sich auf ihre Stützpunkte zurückgezogen und verbrächten viel Zeit in Schutzbunkern.
Auch die US-Regierung zeigte sich besorgt. Israel führe Einsätze im Süden des Libanon aus, “um die Infrastruktur der Hisbollah zu zerstören”, sagte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates am Donnerstag in Washington. “Während dieser Operationen ist es von entscheidender Bedeutung, dass sie die Sicherheit der UN-Friedenstruppen nicht gefährden.”
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte den “inakzeptablen Akt”, für den es keine Rechtfertigung gebe. In einem Post auf “X” sagte er, im Libanon sei eine weitere Linie gefährlich überschritten worden. Jeder vorsätzliche Angriff auf Friedenstruppen sei ein schwerer Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht und die Resolution 1701 des UNO-Sicherheitsrates. Israel sei verpflichtet, beide Gesetze zu respektieren. Die Täter müssten vollständig zur Rechenschaft gezogen werden.
“Wir warten jetzt auf eine Entschuldigung und auf eine Erklärung der israelischen Regierung”, sagte Italiens Außenminister Antonio Tajani dem TV-Kanal RAI 2 am Donnerstagabend. “Ich habe den israelischen Staatspräsidenten Yitzhak Herzog und Außenminister Israel Katz wiederholt aufgefordert, bei den Streitkräften zu intervenieren, damit unsere Soldaten geschützt werden, aber sie haben offensichtlich nicht auf mich gehört. Es ist unvorstellbar, dass eine Granate auf einen UNIFIL-Stützpunkt abgefeuert wird, der unabhängig und neutral ist”, fügte Tajani hinzu. Verteidigungsminister Guido Crosetto erklärte auf einer Pressekonferenz in Rom, es gebe keine Rechtfertigung für den Angriff auf das Hauptquartier der UNIFIL. “Es handelt sich um ein Kriegsverbrechen, nicht um einen Fehler”, so der Verteidigungsminister.
“Extrem alarmiert” zeigte sich Außenminister Alexander Schallenberg auf “X”am Donnerstagabend. “Das ist völlig inakzeptabel und muss sofort aufhören! Alle sind verpflichtet, die Sicherheit der Blauhelme zu jeder Zeit zu gewährleisten!” Verteidigungsministerin Klaudia Tanner erklärte: “Wir sind im ständigen Austausch mit dem israelischen Botschafter in Österreich und haben klar gemacht, dass wir keine, auch unbeabsichtigte, Gefährdung von österreichischen Truppen akzeptieren. Darüber hinaus haben wir erneut zum Ausdruck gebracht, dass alle dazu verpflichtet sind, keine UNO-Truppen in der Region zu gefährden.”
Auch die Außenpolitische Sprecherin der SPÖ, Petra Bayr, zeigte sich alarmiert. “Beabsichtigte Angriffe auf friedenssichernde Soldat:innen wären eine schwere Verletzung des Völkerrechts und der Sicherheitsratsresolution 1701”, schrieb Bayr in einer Aussendung.
Israels UNO-Botschafter Danny Danon legte der UNIFIL einen Abzug aus dem Kampfgebiet nahe. “Unsere Empfehlung lautet, dass die UNIFIL sich fünf Kilometer nach Norden verlegt”, heißt es in einer Erklärung. Damit könnten angesichts der sich intensivierenden Kämpfe “Gefahren vermieden werden”.
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