Von: APA/dpa/Reuters/AFP
US-Präsident Donald Trump hat das versehentliche Teilen von Angriffsplänen des US-Militärs in einer Chatgruppe mit einem Journalisten als “Ausrutscher” abgetan. Es sei für seine Regierung “der einzige Ausrutscher in zwei Monaten”, der sich “als nicht schwerwiegend” herausgestellt habe, sagte Trump am Dienstag in einem Interview mit dem US-Sender NBC. Der offenbar für die Panne verantwortliche Nationale Sicherheitsberater Michael Waltz habe “eine Lektion gelernt”, sagte Trump.
Nachdem ein Journalist offenbar Einblick in einen Gruppenchat mit Mitgliedern der US-Regierung zu einem Militärschlag im Jemen hatte, reagierte das Weiße Haus mit Beschwichtigungen. In dem Gruppenchat über die verschlüsselte Messenger-App Signal seien weder geheime Informationen geteilt noch “Kriegspläne” besprochen worden, schrieb Sprecherin Karoline Leavitt auf der Plattform X. Den Chefredakteur des Magazins “The Atlantic”, Jeffrey Goldberg, beschuldigte sie, für “sensationslüsterne Äußerungen” bekannt zu sein.
Weißes Haus um Beschwichtigung bemüht
Leavitt zufolge hätten hochrangige Regierungsmitarbeiter klare Leitlinien erhalten, wie sie auf verschiedenen Plattformen möglichst sicher und effizient kommunizieren können. Die Regierung prüfe derzeit, wie Goldbergs Telefonnummer versehentlich dem Gruppenchat hinzugefügt worden sei.
Zuvor hatte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Brian Hughes, bestätigt, dass der Chatverlauf, über den Goldberg am Montag berichtet hatte, höchstwahrscheinlich authentisch sei und eine interne Prüfung angekündigt.
Leavitt bemühte sich nun um eine politische Umdeutung des Vorfalls: Der Schlag gegen die Houthi-Miliz im Jemen sei dank der “starken und entschlossenen Führung” von US-Präsident Donald Trump “erfolgreich und effektiv” gewesen, erklärte sie. Entscheidend sei, dass “Terroristen getötet” worden seien. Nach Angaben der Houthi wurden bei den massiven US-Luftangriffen Mitte März mindestens 53 Menschen getötet.
Sicherheitsexperten alarmiert
Sicherheits- und Rechtsexperten werten den Vorfall als hochbrisant. Die Rede ist von einem “fahrlässigen” und “entsetzlichen” Umgang mit sicherheitsrelevanten Informationen. Dafür gelten in den USA eigentlich strikte Vorschriften. Das gilt umso mehr für konkrete Pläne zu Militäreinsätzen im Ausland. Die Nutzung der App Signal ist laut “Atlantic” innerhalb der Regierung grundsätzlich nicht für den Austausch vertraulicher oder klassifizierter Inhalte zugelassen.
Demokratische Politiker reagieren entsetzt
Der demokratische Senator und Militärexperte Jack Reed erklärte, “wenn diese Geschichte wahr ist, stellt sie eines der ungeheuerlichsten Versäumnisse in Bezug auf die operative Sicherheit und den gesunden Menschenverstand dar, die ich je gesehen habe”. Militäroperationen müssten mit äußerster Diskretion und über genehmigte, sichere Kommunikationswege abgewickelt werden, denn es gehe um das Leben von Amerikanern. “Die Nachlässigkeit, die das Kabinett von Präsident Trump zeigt, ist erstaunlich und gefährlich. Ich werde sofort Antworten von der Regierung einfordern.”
Die frühere demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton postete den “Atlantic”-Artikel auf X und schrieb dazu: “Das soll wohl ein Scherz sein.” Der damalige Präsidentschaftskandidat – und heutige Präsident – Donald Trump hatte ihr im Wahlkampf 2016 immer wieder vorgeworfen, E-Mails über einen privaten Account verschickt und damit Sicherheitsregeln missachtet zu haben.
Üblicherweise gibt es strenge Regularien dazu, wie die US-Regierung mit vertraulichen und streng geheimen Informationen umzugehen hat, die die nationale Sicherheit betreffen. Das gilt umso mehr für konkrete Pläne zu Militäreinsätzen im Ausland. Die Signal-App ist laut “Atlantic” von der US-Regierung generell überhaupt nicht für den Austausch vertraulicher Informationen zugelassen.
Militärische Einsatzpläne und Flammen-Emojis
Goldberg beschreibt in seinem Artikel detailliert den Austausch zwischen den Beteiligten im Chat – mit exakten Uhrzeiten und Originalzitaten. Diskutiert wurden demnach sowohl die militärische Taktik als auch die politische Kommunikation rund um den geplanten Schlag gegen die Houthi-Miliz im Jemen. Als Gruppenmitglieder führte Goldberg unter anderem Vizepräsident J.D. Vance, Verteidigungsminister Pete Hegseth, Außenminister Marco Rubio sowie weitere Kabinettsmitglieder und hochrangige Regierungsbeamte auf.
In Goldbergs Artikel fällt auch der teils informelle Ton der Chat-Protagonisten im militärischen Kontext auf. Der Journalist schrieb, Trumps Nationaler Sicherheitsberater Michael Waltz, der ihn in die Gruppe aufgenommen haben soll, habe etwa Emojis eingesetzt, um Zustimmung und Kampfgeist zu signalisieren: eine geballte Faust, eine US-Flagge und ein Flammen-Symbol.
Besonders brisant: Zwei Stunden vor Beginn der Attacken am 15. März soll Hegseth selbst im Chat detaillierte Angaben zu Zielen, Waffensystemen und dem zeitlichen Ablauf der Operation gemacht haben. Kurz darauf begannen tatsächlich Luftangriffe gegen Stellungen der Houthi-Miliz im Jemen, die von den USA kurz zuvor wieder als ausländische Terrororganisation eingestuft worden waren. Spätestens an diesem Punkt kam Goldberg, der zunächst sehr skeptisch gewesen sein will, nach eigenen Angaben zu dem Schluss, dass es sich bei dem Gruppenchat nicht um einen aufwendig inszenierten Fake handelte.
“Niemand hat Kriegspläne getextet”
Hegseth bestritt den “Atlantic”-Bericht später vehement. “Niemand hat Kriegspläne getextet”, antwortete er am Flughafen in Hawaii auf eine Reporter-Frage nach seiner Landung. Der frühere TV-Moderator des rechtskonservativen Sender Fox News verunglimpfte Goldberg als “betrügerischen und diskreditierten sogenannten Journalisten”, der es sich zum Beruf gemacht habe, eine Kampagne gegen die Regierung zu fahren und immer wieder Falschmeldungen zu verbreiten.
Europa “ERBÄRMLICH”
Goldberg widersprach ihm später in einem Interview mit CNN: “Nein, das ist eine Lüge. Er hat Kriegspläne geschrieben.” In der Chatgruppe habe es zudem Diskussionen über die Notwendigkeit der Angriffe gegeben. Vizepräsident Vance habe dabei infrage gestellt, ob die USA sich erneut für Europa engagieren müssten. “Ich hasse es einfach, Europa wieder aus der Patsche zu helfen”, soll er geschrieben haben. Hegseth habe geantwortet: “VP, ich teile deine Abscheu gegenüber dem europäischen Trittbrettfahren voll und ganz. Es ist ERBÄRMLICH.” Trump selbst erklärte gegenüber Reportern, er wisse nichts von dem Vorfall: “Ich bin kein großer Fan von The Atlantic.”
Die Zeitschrift berichtete, dass die als Vance identifizierte Person auch Bedenken hinsichtlich des Zeitpunkts der Angriffe äußerte und sagte, es gebe ein starkes Argument dafür, sie um einen Monat zu verschieben. “Ich bin mir nicht sicher, ob sich der Präsident bewusst ist, wie sehr dies im Widerspruch zu seiner derzeitigen Botschaft über Europa steht. Es besteht ein weiteres Risiko, dass wir einen mäßigen bis starken Anstieg der Ölpreise erleben”, schrieb er laut dem Bericht, bevor er sich bereit erklärte, den Konsens der Gruppe zu unterstützen.
Hegseths Schmähungen widersprachen den Äußerungen des Sicherheitsratssprechers Hughes, der den Chatverlauf als höchstwahrscheinlich authentisch bezeichnet hatte. Trump selbst hatte zuvor erklärt, er habe von dem Gruppenchat noch nicht gehört, sei aber ohnehin “kein großer Fan” des “Atlantic”-Magazins. Er teilte auch einen Tweet seines Vertrauten Elon Musk, in dem der regelmäßig gegen kritisch berichtende Medien austeilende Tech-Milliardär lästerte, der beste Ort zum Verstecken einer Leiche sei die Seite zwei des “Atlantic” – weil dort nie jemand hinschaue.
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