Von: APA/AFP/dpa
Vertreter Israels und der USA sollen heute, Montag, virtuell zu Gesprächen über Israels geplante Bodenoffensive gegen die Stadt Rafah im Gazastreifen zusammenkommen. Das Treffen werde über eine gesicherte Verbindung als Videokonferenz stattfinden, berichtete das Nachrichtenportal “Axios” in der Nacht auf Montag unter Berufung auf israelische und US-Beamte. Das Weiße Haus und das Büro von Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu äußerten sich bisher nicht dazu.
Eigentlich hatte eine israelische Delegation bereits in der vergangenen Woche nach Washington reisen sollen, um die Bedenken der USA zu der geplanten Bodenoffensive anzuhören und Alternativen aufgezeigt zu bekommen. Doch Israels Regierungschef Netanyahu sagte die Reise ab, nachdem der UN-Sicherheitsrat ohne Widerstand der USA eine Resolution mit der Forderung nach einer sofortigen Waffenruhe verabschiedet hatte. Die Israelis hätten danach vorgeschlagen, die Gespräche auf Montag zu verschieben, hatte der US-Sender CNN am Freitag berichtet. Washington hält eine großangelegte Bodenoffensive in Rafah wegen der Hunderttausenden Zivilisten dort für falsch und möchte Israel Alternativen aufzeigen.
Dass das Treffen nun virtuell stattfinden soll, könnte Netanyahu helfen, “sein Gesicht zu wahren”, berichtete “Axios” unter Berufung auf hohe israelische Beamte weiter. So könne er die Diskussion mit dem Weißen Haus fortsetzen, ohne eine Delegation nach Washington senden zu müssen.
Die Terminplanung war unter anderem auch dadurch erschwert worden, dass Israels Regierung eigentlich bis zum Sonntag ein neues Gesetz zur Frage der Wehrpflicht für ultraorthodoxe jüdische Männer ausarbeiten sollte. Seit Jahrzehnten geltende Ausnahmen für ultraorthodoxe Männer bei der Wehrpflicht in Israel liefen in der Nacht zum Montag aus. Es war Netanyahus Regierung nicht gelungen, ein Gesetz zu verabschieden, das die Erleichterungen zementieren sollte.
Von Montag an sollen nun laut einer einstweiligen Anordnung des Höchsten Gerichts die staatlichen Subventionen für ultraorthodoxe Männer im wehrpflichtigen Alter gestrichen werden, die in Religionsschulen studieren. Laut einer Entscheidung der Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara ist das Militär zudem verpflichtet, ab sofort auch die bisher weitgehend befreiten Religionsstudenten einzuziehen. Nach Medienberichten handelt es sich dabei um mehr als 60.000 Männer. Es wird aber nicht damit gerechnet, dass das Militär diesen sofort Musterungsbescheide schickt, obwohl der Armee seit Beginn des Gaza-Kriegs Berichten zufolge Soldaten fehlen.
Der schon seit Jahrzehnten schwelende Streit um die Wehrpflicht hatte sich zuletzt dramatisch zugespitzt und könnte nach Einschätzung von Beobachtern mittelfristig Netanyahus Koalition gefährden. Diese stützt sich auch auf strengreligiöse Partner, die eine Einberufung junger Männer aus ihrer Gemeinschaft strikt ablehnen.
Zehntausende Menschen demonstrierten am Sonntag in Israel den zweiten Tag in Folge gegen Netanyahus Regierung. Demonstranten und Demonstrantinnen forderten bei wütenden Protesten in der Nähe des Parlaments in Jerusalem einen Rücktritt der Regierung, eine Neuwahl sowie einen raschen Deal zur Freilassung der Geiseln in der Gewalt der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas.
Netanyahu wies die Kritik an seiner Verhandlungsführung sowie Forderungen nach einer Neuwahl entschieden zurück – unter Hinweis auf den Gaza-Krieg und die Verhandlungen über eine Freilassung weiterer Geiseln.
Im Bemühen um einen Deal zur Freilassung weiterer Geiseln und eine Feuerpause im Gaza-Krieg kam eine israelische Delegation Medienberichten zufolge am Sonntag in Kairo an. Ziel der neuen Gespräche in der ägyptischen Hauptstadt sei es, zunächst auszuloten, ob es überhaupt Sinn mache, dass sich die israelischen Geheimdienstchefs in den kommenden Tagen an den indirekten Verhandlungen beteiligten, berichtete die “Times of Israel” unter Berufung auf einen israelischen Vertreter. Israel sei “enttäuscht” vom Vermittler Katar. Dort waren die Verhandlungen zuletzt geführt worden, bevor sie vor einigen Tagen platzten.
Nach Angaben der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte griffen die israelischen Streitkräfte indes eine militärische Forschungseinrichtung nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus mit vier Raketen an. Am Einschlagsort habe es Brände gegeben. Die syrische Luftabwehr habe auf anfliegende Raketen geschossen, hieß es weiter. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana bestätigte den Angriff und berichtete über zwei Verletzte.
Bei einem Drohnenangriff auf die südisraelische Küstenstadt Eilat wurde laut Angaben von Israels Armee ein Gebäude beschädigt. Das Geschoss sei von Osten in Richtung Israel abgefeuert worden, teilte das Militär in der Nacht auf Montag bei Telegram mit. Es sei nur ein geringer Schaden entstanden, Menschen seien bei dem Vorfall nicht verletzt worden.
Zu dem Angriff bekannten sich Iran-nahe Islamische Milizen im Irak. Ein “lebenswichtiges Ziel” in Israel sei “mit geeigneten Waffen” angegriffen worden, teilte der sogenannte Islamische Widerstand im Irak mit. Details wurden nicht angegeben. Der Islamische Widerstand im Irak ist eine Art Dachorganisation mehrerer Milizen, die vom Iran unterstützt werden.
Israelischen Medienberichten zufolge könnte der Ursprung der Drohne auf eine Gruppe namens “Islamischer Widerstand im Irak” hindeuten. Dabei handelt es sich um eine Art Dachgruppe proiranischer Milizen im Irak, die seit dem Beginn des Gaza-Krieges gemeinsam unter diesem Namen auftreten. Israel grenzt im Osten unmittelbar an Jordanien.
Unterdessen wurde Netanyahu am Sonntagabend wegen einer Hernie operiert. Die Operation sei wie geplant verlaufen, der 74-Jährige erhole sich nun, berichtete sein Büro. Die Hernie war am Samstag bei einer Routineuntersuchung festgestellt worden. Dabei treten etwa Teile des Darms, Organteile oder Fettgewebe durch eine Lücke in der Bauchwand hervor. Die meisten Patienten können nach einer Hernien-Operation das Krankenhaus schnell wieder verlassen und sich nach einigen Tagen oder Wochen wieder normal körperlich betätigen. Die Amtsgeschäfte übernahm derweil Justizminister Jariv Levin, der auch stellvertretender Ministerpräsident ist.