CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz

Berlin: Antrag zu Migration mit AfD-Unterstützung angenommen

Mittwoch, 29. Januar 2025 | 21:44 Uhr

Von: APA/Reuters/dpa

Im deutschen Bundestag ist am Mittwoch ein von der rechtspopulistischen AfD (Alternative für Deutschland) unterstützter Antrag der konservativen Union zur Verschärfung der Migrationspolitik angenommen worden. Die Vorlage wurde in namentlicher Abstimmung von 348 Abgeordneten unterstützt, 344 stimmten dagegen, zehn enthielten sich. In dem Fünf-Punkte-Plan verlangen CDU/CSU unter anderem die umfassende Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen.

Die Mehrheit von 348 Stimmen kam durch 187 Stimmen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 80 Stimmen der FDP, 75 Stimmen der AfD und sechs Stimmen von Fraktionslosen zustande. In dem Fünf-Punkte-Plan verlangen CDU/CSU unter anderem die umfassende Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen.

Die aktuellen Regierungsparteien SPD und Grüne hatten CDU-Chef Friedrich Merz im Vorfeld kritisiert, eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu riskieren. Sie befürchten ein “Bröckeln der Brandmauer” gegen die extremen Rechtspopulisten. Unions-Kanzlerkandidat Merz äußerte in Folge Bedauern, dass es eine Mehrheit für den Antrag der Union mithilfe der AfD gegeben habe. “Ich suche in diesem Deutschen Bundestag keine anderen Mehrheiten als die in der demokratischen Mitte des Parlaments. Wenn es hier heute eine solche Mehrheit gegeben hat, dann bedauere ich das”, sagt er nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses. SPD und Grüne reagieren empört.

AfD feiert Abstimmungsergebnis

Die AfD feierte das Abstimmungsergebnis. “Das ist wahrlich ein historischer Moment”, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion im Bundestag, Bernd Baumann. Er sprach von einer “Gegenbewegung gegen den linksgrünen Mainstream” in allen westlichen Ländern, die nun in Deutschland angekommen sei. “Das bedeutet das Ende der rot-grünen Dominanz auch hier in Deutschland für immer. Jetzt und hier beginnt eine neue Epoche und das führen wir an!”, rief Baumann.

Zentralrat der Juden übt Kritik

Kritik kam vom Zentralrat der Juden. “Klar ist, dass im Interesse unserer Gesellschaft, ein Wandel im Umgang mit illegaler Migration in Deutschland notwendig ist”, sagt der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster. “Ich finde es enttäuschend, dass die demokratischen politischen Kräfte in unserem Land – auch in Zeiten des Wahlkampfs – nicht in der Lage waren, sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen und damit der AfD diese Bühne bereitet haben.” Indem die AfD wiederholt diese Rolle erhalte, “lassen wir zu, dass Rechtspopulismus und Rechtsextremismus unsere gesellschaftlichen Debatten bestimmen”, sagte Schuster.

Zweiter Antrag für restriktivere Migrationspolitik abgelehnt

Ein zweiter Antrag der Union mit umfassenden Reformvorschlägen für eine restriktive Migrationspolitik und zusätzliche Befugnisse der Sicherheitsbehörden wurde mehrheitlich abgelehnt. In der Debatte hatten sich Abgeordnete von Union, FDP und AfD sowie einige fraktionslose Abgeordnete für den ersten Antrag ausgesprochen. Das linksnationale Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kündigte an, man werde sich enthalten. SPD, Grüne und Linke positionierten sich dagegen.

Der zweite Antrag für weitreichende Reformen bekam 190 Ja-Stimmen, 509 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen. In der Debatte hatten sich Abgeordnete von SPD, Grünen, Linke, BSW, AfD und FDP gegen den Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion ausgesprochen.

Was im ersten Antrag steht

In dem ersten Antrag heißt es: “Es gilt ein faktisches Einreiseverbot für Personen, die keine gültigen Einreisedokumente besitzen und die nicht unter die europäische Freizügigkeit fallen.” Dies soll ausdrücklich auch für Menschen gelten, die in Deutschland einen Asylantrag stellen wollen. Wer vollziehbar ausreisepflichtig ist, soll in Haft genommen werden. Vorgesehen ist zudem eine größere Rolle der Bundespolizei bei Rückführungen. ́

Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen unbefristet so lange in Arrest kommen bis sie freiwillig ausreisen oder die Abschiebung vollzogen werden kann. Gefordert werden auch dauerhafte Grenzkontrollen. Allerdings gibt es seit einigen Monaten auf Anordnung von der deutschen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ohnehin stationäre Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen.

Was im zweiten Antrag steht

In dem Unionsantrag heißt es: “Wenn Menschen, die bei uns zu Gast sind und Hilfe in Anspruch nehmen, straffällig werden oder Konflikte auf deutschem Boden austragen, muss ihr Aufenthalt beendet werden.” Die Befugnisse zur elektronischen Gesichtserkennung sollen ausgeweitet werden – auch an Bahnhöfen und Flughäfen. Telekommunikationsunternehmen sollen zur Speicherung von IP-Adressen verpflichtet werden, mit denen sich Geräte im Internet identifizieren lassen. Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten, häufig Bürgerkriegsflüchtlinge, sowie alle freiwilligen Aufnahmeprogramme sollen gestoppt werden. Die Einsatzkräfte an den deutschen Grenzen sollen personell verstärkt werden.

Die FDP hatte bereits im Vorfeld erklärt, sie werde dem Antrag wegen der darin enthaltenen Vorschläge zur Vorratsdatenspeicherung nicht zustimmen. Bei der Vorratsdatenspeicherung würden Anbieter gesetzlich verpflichtet, die Telefon- und Internetverbindungsdaten der Nutzer zu sichern, sodass Ermittler später darauf zugreifen können.

Bluttat von Aschaffenburg als unmittelbarer Auslöser

Unmittelbarer Auslöser der Unionsvorstöße war eine Bluttat in Aschaffenburg. Ein offenbar psychisch kranker Mann aus Afghanistan soll am Mittwoch vergangener Woche einen zweijährigen Buben mit marokkanischen Wurzeln aus einer Kindergartengruppe mit einem Messer getötet. Ein 41 Jahre alter Familienvater, der sich zwischen Angreifer und Kinder stellte, starb ebenfalls. Weitere Menschen wurden schwer verletzt, darunter ein zwei Jahre altes Mädchen syrischer Abstammung. Der 28 Jahre alte mutmaßliche Angreifer war ausreisepflichtig, er befindet sich in einer psychiatrischen Einrichtung. Der Tat ging eine Reihe anderer Attacken voraus, bei denen ebenfalls Ausländer unter Tatverdacht stehen.

Karner sieht mehr deutsche Abschiebungen positiv

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hatte bereits vor der Abstimmung erklärt, er würde eine Verschärfung der deutschen Migrationspolitik befürworten. Österreich führe deutlich mehr Abschiebungen als das Nachbarland durch. “Deutschland ist zehnmal größer als Österreich, bei den Abschiebezahlen ist das nicht so. Daher bin ich froh, wenn Deutschland das auch tut, weil das für Europa insgesamt ist”, sagte Karner am Mittwoch am Rande eines Pressetermins in Wien.

Gleichzeitig warnte er aber, dass eventuelle “illegale Zurückweisungen nicht geduldet” würden – so wie auch illegale Migration nicht geduldet werde. Karner erklärte, dass “vieles dem Termin Mitte Februar geschuldet ist”. Am 23. Februar finden in Deutschland Bundestagswahlen statt.

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