Von: mk
Berlin – Von einem Tag auf den anderen soll eine Berliner Lehrerin von der Schule dienstlich angewiesen worden zu sein, ohne ihre Kreuzkette in der Schule erscheinen. Damit erhält der Streit über das Berliner Neutralitätsgesetz neuen Zündstoff.
Der Fall der Lehrerin einer staatlichen aus dem multikulturellen Stadtteil Wedding soll wurde bekannt, nachdem sie sich ihrem Pfarrer anvertraut hatte und dieser das Thema bei der Landessynode zur Sprache brachte.
Die Frau sei “sehr bedrückt” über die Dienstanweisung gewesen, sagte Pfarrer Karsten Minkner. Laut einem Bericht der „Welt“ habe sie ihm das Schriftstück vor rund vier Wochen gezeigt. Namen wollte er keine nennen, da es sich um ein vertrauliches Gespräch gehandelt habe. Allerdings stellte er fest, dass die Anweisung für die seit Jahren als Lehrerin arbeitende Frau überraschend gekommen sei. Ob es sich um einen Einzelfall handelt, sei unklar.
Minkner sieht das Neutralitätsgesetz kritisch. Anstatt Religion aus der Schule herauszuhalten, müsse an der Schule eingeübt werden, dass Religionen sich gegenseitig respektieren. Dazu gehöre auch, dass Lehrer sich nicht mit ihrer Religion verstecken, was für Christen genauso wie für Juden oder Muslime gelte. Seiner Ansicht nach stelle sich die Frage, “ob das Berliner Neutralitätsgesetz den grundrechtlichen Anforderungen in Bezug auf Religionsfreiheit entspricht”.
Das Berliner Gesetz untersagt religiöse oder weltanschauliche Symbole und auffallende religiös oder weltanschaulich geprägte Kleidungsstücke. Das Gesetz wurde 2005 verabschiedet, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2003 entschieden hatte, dass vorsorgliche Kopftuchverbote möglich sind, wenn es in den Ländern eine gesetzliche Grundlage dafür gibt. 2015 wurde das Urteil allerdings vom Bundesverfassungsgericht revidiert: Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen sei verfassungswidrig, weil es gegen die im Grundgesetz verankerte Glaubens- und Bekenntnisfreiheitverstoße. Die Richter sahen ein Kopftuchverbot für eine Lehrerin nur im Falle einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden als zulässig an. Das Neutralitätsgesetz in Berlin blieb allerdings in Kraft.
Für Diskussionen sorgte das Gesetz nach der Klage einer muslimischen Lehrerin, die mit Verweis auf ihr Kopftuch nicht für den Grundschuldienst eingestellt worden war. Das Gericht, das ihr eine Entschädigung in Höhe von 8.680 Euro zusprach, argumentierte, dass allein vom Tragen des Kopftuches keine konkrete Gefahr ausgehe.
Dr. Jost-Benjamin Schrooten, der sich in seiner Dissertation mit Religionsrecht befasst hat, sieht im Gesetz keinen Ansatz zur Diskriminierung, da es nicht zwischen unterschiedlichen Religionen oder Weltanschauungen unterscheide. Trotzdem werden Stimmen, die eine Überarbeitung fordern, lauter. Neben Berliner Politikern verlangen verschiedene Vertreter der evangelischen Kirche einen gelasseneren Umgang mit religiösen Symbolen.