Von: luk
Bozen – Im Landtag wurde heute über einen Gesetzentwurf der Grünen zu einem Bettenstopp im Tourismus debattiert. Der Gesetzentwurf wurde abgelehnt.
Landesgesetzentwurf Nr. 3/18: Höchstbettenzahl in Beherbergungsbetrieben (vorgelegt von den Abg. Dello Sbarba, Foppa und Staffler). Mit diesem Gesetzentwurf, der aus einem einzigen Artikel besteht, werden die Artikel 34 und 35 des Landesgesetzes 9/2018 in folgenden Punkten abgeändert: 1. Die Höchstanzahl an Betten, die bereits 1997 festgelegt wurde, wird wieder eingeführt (Absatz 3); 2. Die Gültigkeitsdauer der Tourismusentwicklungskonzepte wird eingeschränkt und es wird festgelegt, dass nach deren Ablauf alle nicht in Anspruch genommenen Vorgaben, Bewilligungen, Baurechte und Genehmigungen verfallen (Absatz 1); 3. Jegliche Abweichung von den Raumordnungsbestimmungen wird ausgeschlossen (Absätze 2 und 4).
“In der Tourismusbranche war in den letzten Jahren mit über 32 Millionen Übernachtungen und sieben Millionen Gästen ein starker Zuwachs zu verzeichnen”, erklärte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). “Für die Wirtschaft unseres Landes ist dies eine bedeutsame Entwicklung. Sie hat jedoch auch besorgniserregende Auswirkungen, denen Einhalt geboten werden muss: • steigendes Verkehrsaufkommen und somit mehr Umweltverschmutzung; • Errichtung von immer größeren Bauten mit entsprechendem Bodenverbrauch und Einschränkung des natürlichen Lebensraums; • Anstieg des Energieverbrauchs durch immer exklusivere Wellnessangebote; • Anstieg der Wohnungspreise auf ein für normale Familien unerreichbares Niveau; • ungleiches Wachstum innerhalb der Branche, mit Konzentration auf wenige Bezirke und auf die hochrangigsten Segmente des Beherbergungsangebots bei gleichzeitig kriselnden kleinen und mittleren Familienbetrieben, die für das Tourismusmodell unseres Landes eigentlich charakteristisch sind. Die Entwicklung hin zu immer zahlreicheren und immer größeren Betrieben setzte sich in den letzten Jahren mit erschreckender Geschwindigkeit fort. Die steigende Betriebsgröße hat zu einer Polarisierung geführt: auf der einen Seite die immer größeren Tourismusbetriebe mit einem immer umfangreicheren Leistungsangebot und auf der anderen Seite die vielen kleinen und mittleren Familienbetriebe – das Herz des Südtiroler Tourismus –, die sich zunehmend in Schwierigkeiten befinden. Das neue Gesetz ‘Raum und Landschaft’ hätte ein gewisses Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Arten von Betrieben sichern können, diese Gelegenheit sei aber verpasst worden.” Dello Sbarba wies darauf hin, dass derzeit rund 50 Projekte für Tourismuszonen vorlägen, die eine Fläche von 35 ha verbrauchen würden. Zwei Drittel dieser Projekte würden neue Zonen beanspruchen. Man rede davon, nur Projekte in der Nähe der Ortskerne zuzulassen, aber nur eine gesetzliche Regelung würde Rechtssicherheit bieten, ansonsten werde es Rekurse geben. Da das Inkrafttreten des neuen Raumordnungsgesetzes verschoben wurde, verlängere sich die Zeit der Grauzone. Dello Sbarba sah auch die Gefahr eines Auseinanderdriftens im Sektor: Manche Gebiete täten sich immer schwerer, während die Top-Zonen immer mehr zum Disneyland würden, was wiederum die Akzeptanz bei der Bevölkerung senke. Die Tourismuskonzepte hätten nicht funktioniert, oft sei die Bettenzahl zu hoch angesetzt und dann nicht verwirklicht worden – daher brauche es eine Verfallsfrist. Er sehe seinen Vorschlag als Gesetzentwurf nicht gegen, sondern für den Tourismus und das Land an.
Brigitte Foppa kritisierte der spärliche Präsenz der Landesregierung bei der Debatte. Präsident Noggler teilte mit, dass Tourismuslandesrat Schuler heute entschuldigt abwesend sei; LH Kompatscher werde für die Landesregierung zum Thema Stellung nehmen.
Helmut Tauber (SVP) hielt das Leiden am Tourismus für überzogen und unterstrich die Bedeutung der Branche für die Südtiroler Wirtschaft und den Wohlstand des Landes. Man habe kein Tourismusproblem, sondern ein Verkehrsproblem. Die Hotspots brächten natürlich Stoßzeiten im Verkehr, aber nicht das ganze Jahr. Der Sektor sei sinnvoll geredet, die Gemeinden könnten mitentscheiden, wie viel Tourismus sie wollten. In Südtirol gebe es kein Hilton und kein Marriott, sondern vor allem Familienbetriebe. Auch der HGV mache sich Gedanken über Nachhaltigkeit, Regionalität und Authentizität. In den letzten Jahren sei massiv in die Qualität investiert worden, denn diese bringe mehr Wertschöpfung. Man habe im ganzen Land völlig unterschiedliche Situationen. Ein paar Regelungen werde es noch zu Airbnb usw. brauchen.
Brigitte Foppa (Grüne) verwies auf ihre Erfahrung im Tourismussektor und bestätigte, dass die Südtiroler Tourismusbetriebe auf sehr hohem Niveau stehe, hinter dieser Qualität stecke viel Herzblut. Aber man müsse auch die Zahlen sehen: 7,5 Mio. Touristen, 230.000 Betten, 33 Mio. Nächtigungen – die höchste Dichte im ganzen Alpenraum. Und dennoch würden neue Megaprojekte vorgelegt, wie jenes in Welschnofen mit einem Hotel mit 125 Parkplätzen und viermal der Fläche des Benkoprojekts, das den Blick auf den Rosengarten verstellen würden. Einzelne Projekte, die das ganze Dorfbild verändern, stellten eine große Belastung dar. Das Bild, das man nach außen abgebe, hänge aber auch von Kleinigkeiten ab: Die “Würstel con crauti” seien kein Tiroler Gericht, würden aber in Mailand als solches gehandelt und dann prompt auf dem Bozner Christkindlmarkt für die Mailänder Gäste angeboten. Die Bettenobergrenze sah Foppa als Mittel zum Ausgleich zwischen kleinen und großen Betrieben: Die Großen müssten innehalten und die Kleinen könnten aufholen. Diese Beschränkung sei eine Chance für den Sektor.
Die städtische Bevölkerung Europas, die das ganze Jahr in schlechter Luft lebe, wolle im Urlaub anderswohin, bemerkte Franz Locher (SVP). Diesen Menschen müsse man die Möglichkeit zur Erholung bieten. Es gebe zwar auch die Hotspots, aber die meisten kämen, um die Landschaft zu genießen. Heute wisse man es gar nicht mehr zu schätzen, welchen Wohlstand der Tourismus für das Land gebracht habe. Vorher seien die Südtiroler ausgewandert, um Arbeit zu finden. Unsere Hotspots seien nicht so überlaufen wie jene in Rom usw. In den Bergen sei schon noch Platz, man könne den ganzen Tag unterwegs sein, ohne jemanden zu treffen. Als Tourismusgebiet mitten in Europa tragen man, als Alternative zu entfernten Destinationen, mit kürzeren Anfahrtswegen auch zum Klimaschutz bei. Man müsse darauf achten, dass unsere Gäste auch einheimische Produkte bekämen. Eine Bettenobergrenze wäre sicher die falsche Richtung. 33 Mio. Nächtigungen seien verkraftbar. Der Tourismus sei als Nebentätigkeit auch für die Landwirtschaft eine Chance.
Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) sprach sich ebenfalls gegen eine Bettenobergrenze aus. Man dürfe dem Tourismus nicht alle Probleme anlasten. Vieles werde bereits unternommen, um die Nutzung des Privatautos einzuschränken, etwa mit der Mobilcard. Junge Leute, welche den Betrieb ihrer Eltern übernähmen, würden umbauen müssen, und da sei eine Obergrenze eine Einschränkung. Der Tourismus biete viele Arbeitsplätze, auch wertvolle Teilzeitplätze für die Frauen, außerdem Aufträge für das heimische Handwerk. Sicher gebe es Probleme, die zu lösen seien, etwa das Verkehrsaufkommen an gewissen Zeiten. Dafür seien andere Lösungen sinnvoll, nicht die Bettenobergrenze. Als nächstes würden die Grünen wohl eine Traktorenobergrenze einführen. Die Gastwirte würden selbst darauf schauen, dass das ganze System nicht kippe. Insgesamt hätten die Südtiroler das Glück, in einem Land zu leben, wo andere Urlaub machen wollen.
Peter Faistnauer (Team K) wies auf die steigenden Zahlen hin: Neben Nächtigungen und Präsenzen sei auch die Zahl der 5-Sterne-Hotels stark gestiegen, von 5 auf 31 in sieben Jahren. Die Großen würden die Kleinen zunehmend verdrängen, insofern wäre eine Zusammenarbeit der Kleinbetriebe stärker zu fördern. Südtirol sei ein sehr heterogenes Tourismusgebiet, mit stark unterschiedlichem Aufkommen von Gebiet zu Gebiet. Vor diesem Hintergrund wäre eine Obergrenze sinnvoll. Man müsse auch beachten, wie viel Hotelkubatur zu Wohnungen wurde.
Paul Köllensperger (Team K) verwies auf die Obergrenze von 1998: 229.000. Man frage sich, wie es weitergehen könne angesichts der Verdoppelung der Ankünfte. Man müsse den Overtourism bremsen, aber eine vernünftige Entwicklung ermöglichen. Eine Obergrenze sei eine Notstandsmaßnahme, aber nicht die Lösung, denn auch die Kleinbetriebe müssten sich entwickeln können. Vor allem müsse man auf die Erhaltung der Landschaft achten, wegen der die Touristen schließlich herkämen. Man müsse auf eine längere Aufenthaltsdauer setzen und auf eine Erreichbarkeit ohne Auto. Und man müsse vor allem auf die kleinen Betriebe achten und auf Qualität, denn im Massentourismus gebe es einen Preiskampf und eine weltweite Konkurrenz. Im Gesetzentwurf der Grünen sehe er eine Notlösung, ein Moratorium. Man werde daher für den Übergang zur Artikeldebatte stimmen.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) hob die Rolle des Tourismus für die Wirtschaft und auch für den Landeshaushalt hervor: Ohne diese Einnahmen würde das Land viele Dienste nicht bieten können. Eine Obergrenze sei nicht nötig. In manchen Gebieten sei die Grenze erreicht und die Akzeptanz unter der Bevölkerung im Sinken – hier sei gegenzusteuern. Es könne nicht gehen, wenn die Hotellerie jene Landschaft zerstöre, mit der sie werbe. Es sei auch nicht förderlich, wenn in einem Dorf an einem Tag alle Gasthäuser geschlossen seien und nur das Hotel offen sei. Die Einheimischen würde es auch nicht verstehen, wenn in Bozen wegen der Luft Fahrverbote verhängt würden, nur nicht am 8. Dezember, weil dort die Touristen kämen. An manchen Orten gebe es bereits eine Mischung aus Disneyland und Piefkesaga. Der Bettenstopp sei nicht die Lösung, aber es brauche sicher Lösungen, damit die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht schwinde. Dem ersten Absatz des Artikels könne man aber zustimmen.
Mit der Höchstbettenzahl allein werde man das Problem des Massentourismus nicht in den Griff bekommen, aber es sei eine der wenigen Möglichkeiten, die der Landtag habe, meinte Hanspeter Staffler (Grüne). Viele Mitbürger seien der Meinung, dass etwas falsch laufe. Die Nächtigungszahlen seien abhängig von der Bettenzahl, von der Auslastung, von der Aufenthaltsdauer. Über letztere würden die Gäste entscheiden, über die Auslastungszahl die betriebswirtschaftlichen Überlegungen der Gastwirte. Der Gesetzgeber könne nur über die Bettenzahl entscheiden, und zwar über die Raumordnung. Der Tourismus sei wieder im Aufwind, auch mit Hotspots und Massenphänomenen. Südtirol habe seit den Zeiten der SMG viel Werbung gemacht, aber nun sei die Strategie zu überdenken, die Eventkultur, die Filmförderung, die Hotspots. Es gäbe einen langen Maßnahmenkatalog, aber der Landtag habe nun ein Instrument davon in der Hand: die Obergrenze.
Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) sah den Gesetzentwurf als konsequent zur Vision der Grünen, er könne diese Vision aber nicht teilen. Er sehe da zwei Weltbilder aufeinanderprallen: jene, die Angst vor der Zukunft hätten, und jene, die die Chancen nutzen wollten. Wie LR Schuler gesagt habe, gebe es ein Entwicklungspotenzial, und dieser Gesetzentwurf wolle dies einschränken. Die große Herausforderung seien die Hotspots wie in Villnöss oder Prags. Südtirol sei diesbezüglich aber bei weitem nicht so belastet wie Venedig. Der Umweltschutz sei ein berechtigtes Ziel, aber oft werde zugunsten bestimmter Lobbys – etwa der Landwirtschaft – übertrieben. Die Lobby der Bürger sei bei diesen Themen im Landtag nicht vertreten. Er werde gegen diesen Gesetzentwurf stimmen.
LH Arno Kompatscher kündigte an, dass die Mehrheit dem Entwurf nicht zustimmen werde. Es sei aber nicht so, dass man keinen Regelungsbedarf erkenne. Natürlich sei der Tourismus wichtig für Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Südtirol, das werde von niemandem in Frage gestellt. Der Tourismus generiere auch Einnahmen für den Landeshaushalt, schaffe Strukturen und biete Veranstaltungen, die auch von Einheimischen genutzt würden. Der Overtourism werde in vielen Städten bereits diskutiert, nun auch in Südtirol. Man könne die Regelung sicher nicht dem Markt überlassen, der Tourismus werde schon lange gesetzlich geregelt. Es gehe darum, die richtigen Instrumente zu finden. Man habe zunehmend ein Problem bei Hotspots. Dort brauche es ein Management, damit diese Orte für Einheimische wie Gäste noch erlebenswert blieben. Man sei mitten dabei, für diese Hotspots Konzepte zu entwickeln, für jeden ein passendes. Man denke z.B. an Ticket, die auch Dienste umfassen. Das zweite Thema sei die Verkehrspolitik generell. Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln müsse zum Angebot gehören. Man habe auch ein Verteilungsproblem, mit Stoßzeiten und mit toten Zeiten. Man müsse einen längeren Aufenthalt attraktiver machen, und auch da arbeite man zusammen mit dem HGV an einem Konzept. Ein weiteres Thema sei die Verteilung unter den Zonen. Man wäre z.B. froh über mehr Angebot in Martell, vor allem durch Familienbetriebe. Das neue Raumordnungsgesetz ziele genau in diese Richtung, es schränke entwickelte Gebiete stark ein und schaffe Möglichkeiten für schwache Gebiete, aber immer unter Auflagen. Bereits jetzt, unter dem alten Gesetz, werde man keine Tourismuszonen mit mehr als 140 Betten genehmigen, und man wolle sie auch nicht auf der grünen Wiese haben. Bei der Erweiterung der bestehenden Betriebe werde man besonders auf die Familienbetriebe achten. Bei der Unternehmensnachfolge wolle man ebenfalls die Familien bevorzugen. Mit einer festgelegten allgemeinen Bettenzahl erreiche man gar nichts, es brauche differenzierte Maßnahmen. Die Intention teile man, aber nicht den konkreten Lösungsvorschlag.
Der Landeshauptmann habe die Probleme angesprochen, andere in seiner Partei würden sie leugnen, kritisierte Riccardo Dello Sbarba in seiner Replik. Locher meine, dass durchaus noch Platz sei. Sarntal, wo Locher lange Bürgermeister war, sei die einzige Gemeinde ohne Landschaftsplan. Die Obergrenze sei keine Patentlösung, sondern ein Instrument, eine Zielangabe. Innerhalb dieser Grenze könne man ja nach Zonen differenzieren. In den letzten Jahren habe es Rückschritte gegeben. Die Fahrverbote bei den Pässen seien gestrichen worden. Die Kirche in Villnöss werde als Fotomotiv beworben. Neue Tourismuszonen seien genehmigt worden. Alles zusammen sehe nicht danach aus, als wolle man den Overtourism bekämpfen. Dieser lasse sich nicht an einer Zahl festmachen, sondern daran, dass die Vorteile des Gästeaufkommens nicht die Nachteile für die Bevölkerung wettmachten. Dieser Gesetzentwurf sei für den Tourismus, nicht gegen ihn. Denn die Branche lebe auch von der Akzeptanz in der Bevölkerung. Wenn der Gesetzentwurf auch abgelehnt werde, so halte er das Thema präsent. Seine Fraktion greife seit jeher Zukunftsthemen auf, wie auch 2007, als man auf den Klimawandel hinwies und sich böse Blicke von der Tourismuswirtschaft einhandelte. Dello Sbarba beantragte schließlich zu den vier Absätzen des einzigen Artikels.
Der Abs. 1 wurde mit 12 Ja, 17 Nein und 1 Enthaltung abgelehnt.
Der Abs. 2 wurde mit 10 Ja, 19 Nein und 1 Enthaltung abgelehnt.
Der Abs. 3 wurde mit 4 Ja, 20 Nein und 6 Enthaltungen abgelehnt.
Der Abs. 4 wurde mit 10 Ja, 16 Nein und 4 Enthaltungen abgelehnt.
Anschließend wurde zur Behandlung von Anträgen der Mehrheit übergegangen.