Von: luk
Bozen – Anträge der Süd-Tiroler Freiheit und der Demokratische Partei – Bürgerlisten wurden heute Vormittag im Südtiroler Landtag behandelt.
Beschlussantrag Nr. 476/21: Amtliche Anerkennung von „Sudtirolo“. (eingebracht von den Abg. Knoll und Atz Tammerle am 23.08.2021): Der Südtiroler Landtag spricht sich dafür aus, dass – zusätzlich zu den bereits bestehenden Landesbezeichnungen in italienischer Sprache – der Begriff „Sudtirolo“ amtlich anerkannt wird, und fordert die Landesregierung auf, die hierfür notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.
“Laut jüngster Erhebung – durchgeführt im Juli 2021 vom Meinungsforschungsinstituts Demetra – würden 60 Prozent der Italiener die amtliche Verwendung des Begriffs „Sudtirolo“ gutheißen”, stellte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) eingangs fest. “Auch in der Gesetzgebung des Landes wird der Begriff Sudtirolo bereits vereinzelt verwendet. Es ist daher an der Zeit, die unter den Italienern mehrheitlich positive Einstellung zu „Sudtirolo“ – laut Erhebung ist dies besonders der Fall unter den Jungen und Gebildeten – aufzugreifen und diesen italienischen Begriff, zusätzlich zu den bereits bestehenden Bezeichnungen, amtlich anzuerkennen. Damit würde keiner Sprachgruppe etwas genommen oder aufgezwungen.” Die Bezeichnung sei bereits in der Vergangenheit verwendet worden, auch im staatlichen Gesetzesanzeiger von 1898, und werde auch in der Tourismuswerbung gebraucht. “Die offizielle und somit institutionelle Bezeichnung für das Land Südtirol lautet in italienischer Sprache „Provincia autonoma di Bolzano“. Diese sperrige Bezeichnung, die im Deutschen mit „Autonome Provinz Bozen“ übersetzt wird, vermag es nicht, ein sprachgruppenübergreifendes Heimatgefühl zu schaffen, weshalb sie in der Alltagssprache auch kaum verwendet wird. Während die griffige Kurzform „Südtirol“ bereits amtlich anerkannt ist, ist Selbiges bei der italienischen Kurzform „Sudtirolo“ noch nicht der Fall. Die zusätzliche amtliche Anerkennung von „Sudtirolo“ würde daher der sprachlichen Entwicklung Rechnung tragen und zusätzlich ein sprachübergreifendes Gemeinschaftsgefühl fördern.” Auch die SVP-Abgeordneten im römischen Parlament würden normalerweise “Sudtirolo” und “Sudtirolesi” verwenden. Ein solch unverkrampfter Umgang mit dem Begriff würde erleichtert, wenn die Bezeichnung auch amtlich würde. Auch Alexander Langer habe die Bezeichnung verwendet.
Inhaltlich könne man mit dem Antrag einverstanden sein, nicht aber mit der Vorgangsweise, meinte Gerhard Lanz (SVP). Solche sensiblen Themen sollten nicht mit einer einfachen Mehrheitsentscheidung geregelt werden, da brauche es eine breitere Diskussion.
“Sudtirolo” sei die korrektere Bezeichnung für dieses Land, meinte Paul Köllensperger (Team K). Der Name sei nicht neu, er sei jüngst auch von Romano Prodi verwendet worden. Solche Themen führten aber regelmäßig zur Spaltung. Es brauche eine gewisse Vorlaufzeit und eine breite Diskussion. Köllensperger erinnerte an das Referendum zum Siegesplatz. Es wäre auch noch festzulegen, was dann die amtliche italienische Bezeichnung wäre: nur Sudtirolo oder Sudtirolo neben Alto Adige?
Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) wies darauf hin, dass derzeit der amtliche Name “Provincia autonoma di Bolzano” sei. Es brauche ein Verfassungsgesetz, um das zu ändern. “Sudtirolese” und “Sudtirolo” seien nicht zu vermischen. “Sudtirolesi” nenne man normalerweise die deutschsprachigen Einwohner. Das Land habe schon zwei italienische Namen, es brauche keinen dritten.
Er selbst benutze “Sudtirolo”, erklärte Riccardo Dello Sbarba (Grüne), aber hier gehe es nicht um die private Verwendung. Der Antrag ziele in Wirklichkeit auf die Abschaffung von “Alto Adige” ab. Das offizielle Banner des Landes trage auch die Bezeichnungen “Südtirol” und “Alto Adige”. Letztere sei die am meisten verwendete italienische Bezeichnung, und auch die Athesia habe ihr Blatt “Alto Adige” nie umbenannt.
Carlo Vettori (Forza Italia Alto Adige Südtirol) warnte wie Repetto vor solchen Initiativen. Der Antrag ziele im Endeffekt auf eine Verfassungsänderung ab, die sehr viel Zeit beanspruchen würde. Auch er verwende oft “Sudtirolo”. Dieser Antrag gehe von einer Umfrage aus und rede von einem Zuspruch bei 60 Prozent der Italiener; aber die Italiener außerhalb Südtirols interessierten sich nicht dafür. Die offizielle Bezeichnung auf dem Banner berücksichtige alles Notwendige; wer sie ändern wolle, sollte genügend Unterschriften für eine Verfassungsänderung sammeln.
Hier gehe es nicht um den Gebrauch der Muttersprache, erklärte Fratelli d’Italia, sondern um den Versuch einer Sprachgruppe, den Sprachgebrauch der anderen zu regeln. Das habe Mussolini gegenüber der deutschsprachigen Bevölkerung getan. Es wäre ähnlich, wenn man statt “Südtirol” “Hochetsch” oder “Oberetsch” vorschlagen würde.
Brigitte Foppa (Grüne) gab dem Vorredner in dieser Sache recht: Es sei nicht akzeptabel, wenn die deutschsprachigen Abgeordneten den Italienern vorgeben würden, welchen Namen sie zu verwenden hätten. Sie selbst finde “Sudtirolo” sympathisch, während ihr die getrennte Verwendung von “sudtirolesi” für die deutschen und “altoatesini” für die italienischen Südtiroler nicht gefalle.
Miteinbringerin Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) betonte, dass der Wunsch aus der Bevölkerung komme. Ihn in den Landtag zu bringen, sei ein Akt der Demokratie, im Gegensatz zum aufoktroyierten Begriff “Alto Adige”. Das Zusammenleben stehe nicht zur Debatte, aber diese Situation sei zu überwinden, denn auch im Landtag werde die Bezeichnung “Sudtirolo” verwendet. Wenn es um das Zusammenleben gehe, müsse man auch den Südtirolern entgegenkommen.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) fand “Sudtirolo” die angemessenere Bezeichnung. Der Antrag werde sicher abgelehnt, und das wüssten die Einbringer auch. Eine Umfrage unter den Italienern außerhalb Südtirols sei wertvoll, aber man hätte auch die Italiener hierzulande fragen sollen. Wenn man die Bezeichnung einführen wolle, dann brauche man deren Zustimmung. Mit dieser Vorgangsweise komme in der Öffentlichkeit am Ende heraus, dass der Landtag gegen “Sudtirolo” sei.
Sven Knoll betonte, dass es hier nicht um eine Ersetzung gehe, sondern um die zusätzliche amtliche Einführung von “Sudtirolo”, einer Bezeichnung, die es Privatgebrauch bereits gebe. Wenn der Bevölkerung dieses Thema am Herzen liege, hätten die Abgeordneten die Pflicht, es in den Landtag zu bringen. Auch die Mehrheit der italienischen Bevölkerung wäre nicht dagegen.
Der Antrag wurde mit drei Ja, 23 Nein und sieben Enthaltungen abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 477/21: Probleme bei der Änderung der Zweckbestimmung nach dem neuen Landesgesetz zu Raum und Landschaft (eingebracht vom Abg. Repetto am 26.08.2021). Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, a) eine Änderung der Bestimmung in Artikel 36 Punkt 1 des Landesgesetzes Nr. 9/2018 ins Auge zu fassen, wobei nach der Wortfolge „mit den geltenden Planungsinstrumenten vereinbar“ der folgende Wortlaut eingefügt wird: „Zu diesem Zweck wird die rechtlich bestehende und nach den Bestimmungen zur energetischen Sanierung sowie zur Beseitigung baulicher Hindernisse errichtete Baumasse nicht berücksichtigt.“; b) eine Änderung der Bestimmung in Artikel 36 Punkt 2 des Landesgesetzes Nr. 9/2018 ins Auge zu fassen, wobei nach der Wortfolge „In spezifisch begründeten Ausnahmefällen“ folgender Wortlaut eingefügt wird: „und auf jeden Fall überall dort, wo die Zonenbaudichte im Vergleich zur ursprünglichen Raumplanung verringert wurde“.
“Derzeit sind fast alle Änderungen der Zweckbestimmung von Gebäuden in den Ballungszentren Südtirols, wie etwa der Landeshauptstadt Bozen, blockiert”, stellte Sandro Repetto (Demokratische Partei – Bürgerlisten) fest. “Grund dafür sind der Artikel 36 des Landesgesetzes Nr. 9/2018 betreffend die „Umwandlung in Wohnvolumen innerhalb des Siedlungsgebietes“ sowie das erläuternde Rundschreiben der Landesabteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung Nr. 1/2021. Bei sorgfältiger Lektüre wird deutlich, dass die Absicht des Gesetzgebers, wie sie dem Artikel 36 des Landesgesetzes Nr. 9/2018 zu entnehmen ist, genau das Gegenteil von dem ist, was aus dem besagten Rundschreiben herauszulesen ist. Im Gesetzesartikel ist nämlich von der Umwandlung bestehender Baumasse innerhalb des Siedlungsgebietes die Rede; mit anderen Worten handelt es sich hier um ein Mischgebiet.” Damit hätten viele, die investieren wollten, wirtschaftliche Schäden. Es sei richtig, für Umwandlungen Auflagen vorzusehen, aber nicht eine Blockade. Er schlage eine Übergangslösung vor, wie sie ihm auch von Fachleuten suggeriert worden sei.
Paul Köllensperger (Team K) unterstützte den Antrag. Die Bestimmungen beträfen viele Wirtschaftstreibende, vor allem in den Städten. Es gebe auch sinnvolle Umwandlungen, und die Gemeinde hätte die Instrumente, Missbrauch zu verhindern. Seiner Meinung nach gehöre das Gesetz “Raum und Landschaft” in die Tonne.
Auch Riccardo Dello Sbarba (Grüne) unterstützte den Antrag. Die geltenden Bestimmungen erschwerten die Nutzung bestehender Kubatur. Die Zweckbestimmung bleibe unabänderbar, während sich die soziale Struktur und damit der Bedarf geändert habe. Wenn es in einem Viertel mehr Wohnungsbedarf gebe, sei es sinnvoll, Büro- in Wohnkubatur umzuwidmen.
Das Gesetz wäre gut, aber die Umsetzung klappe nicht, vor allem bei der digitalen Bauakte, meinte Franz Locher (SVP). Beim alten Gesetz sei zu vieles möglich gewesen. Mit diesem Beschlussantrag müsste jede Gemeinde selber das Thema regeln. Er sei der Meinung, dass diese Zuständigkeit bei der Gemeinde verbleiben solle.
Gerhard Lanz (SVP) zweifelte an der Form; der Antrag fordere die Landesregierung auf, das Gesetz zu ändern – dies müsste aber der Landtag tun. Das Problem sei derzeit, dass es noch nicht gehe. Ziel sei, dass die Gemeinde mit ihrem Durchführungsplan die Baudichte regle, aber in vielen Gemeinden gebe es dieses Instrument noch nicht. Er wundere sich, dass gerade Dello Sbarba mehr Flexibilität in diesem Bereich fordere. Die SVP wäre dafür kritisiert worden. Er sei dafür, dass die Gemeinden in ihre Entscheidungen eine gewisse Flexibilität üben können sollten.
Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) fragte, ob mit der vorgeschlagenen Regelung auch rechtliche Sanierungen möglich seien.
Riccardo Dello Sbarba schlug eine Sitzung des zuständigen Gesetzgebungsausschusses mit Landesrätin und Gemeindevertretern vor. Bis dahin sollte der Antrag ausgesetzt werden.
Sandro Repetto erklärte sich mit dem Vorschlag einverstanden.
Auch LH-Stv. Waltraud Deeg erklärte sich mit dem Vorschlag einverstanden. Das Problem, das der Antrag aufzeige, habe bereits vor dem neuen Gesetz bestanden. Es gehe vor allem um eine spezifische Situation der Gemeinde Bozen, die eigentlich diese zu lösen hätte.
Die weitere Behandlung des Antrags wurde vertagt.