Vorläufiger Abschied vom Kanzlertraum

Blau-Schwarz geplatzt

Mittwoch, 12. Februar 2025 | 17:04 Uhr

Von: apa

Die blau-schwarzen Koalitionsverhandlungen sind geplatzt. FPÖ-Obmann Herbert Kickl hat am Nachmittag in der Hofburg den Auftrag zur Regierungsbildung zurückgelegt, wie er in einer Aussendung mitteilte. Dem vorausgegangen war ein letztes persönliches Treffen mit VP-Obmann Christian Stocker. Kickl machte die ÖVP für das Scheitern verantwortlich, sei man dieser doch in vielen Punkten entgegengekommen. Die Volkspartei sah einen “Machtrausch” des FPÖ-Chefs.

Das Scheitern hatte sich spätestens seit Wochenbeginn abgezeichnet. Letzte Versuche, bei der Ressortverteilung zu einer Einigung zu kommen, waren seit heute früh medial ausgetragen worden, was die Chancen auf eine Verständigung nicht unbedingt erhöhte.

Nach einem Telefonat der beiden Parteichefs gab es zu Mittag dann auf Vermittlung des Bundespräsidenten noch ein persönliches Treffen. Doch auch dieses dauerte weniger als eine Stunde und brachte keinen Durchbruch mehr.

Kickl will nicht mit SPÖ

Kickl fuhr daraufhin in die Hofburg und übergab dem Bundespräsidenten “nicht ohne Bedauern” ein Schreiben, in dem er begründete, warum er den Auftrag zur Regierungsbildung zurücklegt, wiewohl rechnerisch auch eine Koalition mit der SPÖ möglich wäre. Die Vorgespräche mit SP-Chef Andreas Babler hätten gezeigt, dass nicht nur die Positionen in entscheidenden Punkten weit auseinander lägen, sondern die SPÖ auch grundsätzlich eine ablehnende Position zu jedweder Zusammenarbeit mit der FPÖ einnehme.

Der FPÖ-Chef betonte, dass man mit der ÖVP das Gespräch gesucht habe mit der Absicht, nach einem straffen Zeitplan schnell zu einer leistungsfähigen Bundesregierung zu kommen. Gemeinsam habe man Österreich zurück an die Spitze Europas führen wollen – “wirtschaftlich stark, sozial verantwortungsbewusst und mit einer Migrationspolitik, die die Interessen unseres Landes und seiner Menschen schützt”.

Ehe jedoch die noch die strittigen Punkte auf Chefverhandler-Ebene geklärt werden konnten, habe die ÖVP darauf bestanden die Ressortverteilung zu klären. Am 4. Februar hätten die Freiheitlichen einen entsprechenden Entwurf vorgelegt: “Obwohl wir in den darauffolgenden Gesprächen der ÖVP in vielen Punkten entgegengekommen sind, waren die Verhandlungen zu unserem Bedauern letztlich nicht von Erfolg gekrönt.”

Näher will sich Kickl um 20.15 Uhr in einem Pressestatement äußern. Schon davor rückte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker zu einem Angriff auf die ÖVP aus. Dieser sei es zuletzt nur um “Machtfragen” und Posten gegangen, hieß es bei einer Pressekonferenz. Sie habe sämtliche zentrale Sicherheitsbereiche besetzen wollen. Nun müsse es schleunigst zu Neuwahlen kommen, betonte er. Keinesfalls dürfe nun ein “chaotisches Verliererbündnis” aus ÖVP, SPÖ, NEOS oder Grünen die Regierungsverantwortung bekommen.

ÖVP sieht Machtrausch Kickls

Völlig anders sieht die Sache die ÖVP. Bundesparteiobmann Christian Stocker warf Kickl vor, nicht aus der Rolle als Oppositionspolitiker in jene eines Regierungspolitikers gewechselt zu sein. Die ÖVP habe die Verhandlungen ehrlich und konstruktiv geführt und sei in vielen Bereichen über ihren eigenen Schatten gesprungen, betonte Stocker bei einer Pressekonferenz in der Bundesparteizentrale. Jedoch habe sich im Verlauf der Verhandlungen gezeigt, dass keine Einigung mit der FPÖ über die von der ÖVP vor Beginn der Verhandlungen festgelegten Grundlinien zu finden war.

Es sei zudem nicht infrage gekommen, “die Sicherheit des Landes auf Spiel zu setzen”, sagte er in Bezug auf die Forderung der FPÖ nach dem Innenministerium. Über seine Präferenz, wie es nun weitergehen soll, wollte sich Stocker nicht äußern. Nun sei der Bundespräsident am Wort, aber die ÖVP sei auch weiterhin bereit, Verantwortung zu tragen. Einen Rücktritt als Bundesparteichef nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen schloss Stocker aus. “Diese Frage stellt sich für mich und uns in dieser Situation nicht”, schließlich habe nicht die ÖVP den Auftrag zur Regierungsbildung gehabt, sondern die FPÖ, daher sei das Scheitern auch nicht die Verantwortlichkeit der Volkspartei. Für den Abend ist ein Bundesparteivorstand der ÖVP geplant.

Zuvor war bereit ÖVP-Generalsekretär Alexander Pröll mit einer Aussendung ausgerückt und hatte erklärt, die Regierungsbildung sei “am Machtrausch und der Kompromisslosigkeit von Herbert Kickl gescheitert”. Kickl selbst habe sich in die Regierungsverhandlungen kaum eingebracht: “In fünf Wochen saß Kickl insgesamt sieben Stunden am Verhandlungstisch.” Kompromisse und eine Partnerschaft auf Augenhöhe einzugehen, sei er nicht bereit gewesen. Kickl habe seinen Regierungsbildungsauftrag nicht erfüllt und damit die Chance für eine Mitte-rechts-Regierung vergeben. Es bleibe die Frage, ob sich Kickl der Verantwortung überhaupt je stellen habe wollen, schreibt Pröll.

Geplant ist heute noch eine Stellungnahme des Bundespräsidenten darüber, wie es nun weiter geht, nachdem nach dem vormaligen ÖVP-Obmann Karl Nehammer nun auch Kickl mit der Regierungsbildung gescheitert ist. Möglich wäre ein neuerlicher Versuch einer Dreier-Koalition, eine Minderheitsregierung oder eine Übergangsregierung bis zu einer Neuwahl, die noch vor dem Sommer stattfinden könnte.

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